„Wer aufhört besser zu werden – hat aufgehört gut zu sein“ – Impressionen vom Lindauer Seminar

17.04.2012

Die nunmehr 25. Veranstaltung des Lindauer Seminars am 08. und 09. März 2012 „Praktische Kanalsanierungstechnik – Zukunftsfähige Entwässerungssysteme“ dokumentierte wieder einmal das ungebrochene Interesse am Thema Entwässerung, Inspektion und Sanierung von Kanal- und Rohrsystemen.

Das 25. Lindauer Seminar fand am 7. und 8. März 2012 am Bodensee statt (Foto: JT-elektronik GmbH)
Mit insgesamt 593 Teilnehmern, 58 ausstellenden Firmen und 30 Vorträgen bestätigte das Lindauer Seminar auch im Jahr 2012 seine Stellung als Treffpunkt zum Erfahrungsaustausch und Wissenstransfer sowie als Gelegenheit aktuelle Themen der Siedlungsentwässerung im breiten Expertenkreis zu diskutieren. Als Veranstalter blickte Dipl.-Ing. (FH) Ulrich Jöckel zu Beginn auf die vergangenen 25 Jahre dieser Veranstaltung zurück. Als großen Durchbruch in der Inspektionstechnik seien die Einbindung des Videorecorders, gemeinsame Standards in der Kameratechnik sowie eine gestiegene Sicherheitstechnik bei der Kanalinspektion zu sehen. Er verdeutlichte darüber hinaus, dass neben dem ursprünglichen Initiativgedanken, gemeinsame Standards im Bereich des Kanalfernsehens zu schaffen, im Laufe der Jahre viele weitere, die gesamte Siedlungsentwässerung umfassende, Themen hinzugekommen seien. Die Erweiterung des Seminartitels „Praktische Kanalisationstechnik“ um den Zusatz „Zukunftsfähige Entwässerungssysteme“ trägt dieser Entwicklung Rechnung. Dass diese Entwicklung richtig war zeigt auch, dass zwei der diesjährigen Teilnehmer bereits mehr als 20 Lindauer Seminare besucht hatten und weitere 25 Teilnehmer bereits 15 bis 20 Seminare.
 
Ebenso wie in den vorangegangenen Jahren führten Univ.-Prof. Dr.-Ing. Max Dohmann und Univ.-Prof. Dr.-Ing. F. Wolfgang Günthert kompetent durch das zweitägige Programm. Zuletzt genannter trug zur Überraschung und Aufheiterung des Publikums vorab sogar ein selbst verfasstes Gedicht zu Ehren des Jubiläums vor.
 
Jede Menge Erfahrungsaustausch und Diskussion im Foyer und der begleitenden Fachausstellung (Foto: JT-elektronik GmbH)
Einführend ging Ministerialdirigent Dr.-Ing. Martin Grambow auf die „Herausforderungen und Perspektiven für die Siedlungsentwässerung“ ein. Dabei wies er zunächst darauf hin, dass Ärzte in renommierten Zeitschriften die Wasserinfrastruktur, insbesondere durch den Ausbau der Siedlungsentwässerung und Abwasserreinigung, als größten medizinischen Fortschritt bezeichneten. Von den 35 Jahren um die sich die Lebenserwartung in den Industrienationen verlängert hat, gehen ca. 30 Jahre auf das Konto einer verbesserten Abwasserbeseitigung. Deutschlandweit komme dem Erhalt der Funktionsfähigkeit der bestehenden Systeme und deren schrittweiser Anpassung an absehbar langfristige Entwicklungen eine gesteigerte Bedeutung zu. Dabei sind vor allem Punkte wie eine rechtzeitige Sanierung, eine Vorsorge durch Rücklagenbildung sowie einer Kostensenkung durch weiterentwickelte neuartige Sanierungsverfahren von Bedeutung, um auf den hohen Sanierungsbedarf deutscher Entwässerungsnetze reagieren zu können. Aber auch die weiteren Randbedingungen wie beispielsweise Starkregenereignisse, demografischer Wandel, Energiewende oder die Spurenstoffproblematik sind hierbei stets zu berücksichtigen. Um dem gerecht werden zu können sind Flexibilisierungen der bestehenden Systeme unausweichlich. Perspektivisch könne einerseits durch Effizienzsteigerungsmaßnahmen und andererseits durch das Einsparen von Ressourcen, hier sei im Besonderen auf die Stoffwiedergewinnung (z.B. Phosphat) hingewiesen, entsprechend reagiert werden.
 
Dipl.-Ing. Rolf Dieter Dörr, Ministerialrat im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) in Bonn, ging in seinem Vortrag auf Änderungen im Rahmen der Gesetzgebung des Bundes ein und zeigte auf, mit welchen möglichen Inhalten bei einer neuen Abwasserverordnung zu rechnen sein könnte. Dabei wies er auf die allgemeinen Anforderungen wie beispielsweise ein Verdünnungsverbot, ein Effizienzgebot, die Dichtheit oder die Anlagen- und Betriebssicherheit hin. Des Weiteren konnten die Zuhörer erfahren, welche Anforderungen an die Niederschlagswasserbeseitigung, die Umsetzung der Industrieemissionsrichtlinie sowie an die Überwachung von Abwassereinleitungen und Abwasseranlagen gestellt werden könnten.
 
Dipl.-Ing. (FH) Ulrich Jöckel begrüßt die Teilnehmer in Lindau (Foto: JT-elektronik GmbH)
Im ersten Vortragsblock zum Thema „Neue Konzepte der Siedlungsentwässerung“ wurden u.a. aktuelle Leitbilder der Siedlungswasserwirtschaft sowie neue Perspektiven und interessante Erfahrungsberichte vorgestellt. Univ.-Prof. Dr.-Ing. Theo G. Schmitt brachte zum Ausdruck, dass nur eine ganzheitliche Siedlungsentwässerung, welche die vier Teilsysteme „Entwässerungssystem“, „Kläranlage“, „Grundwasser“ und „Fließgewässer“ einbeziehe, zielführend ist. Eine nachhaltige sowie Ressourcen schonende Siedlungswasserwirtschaft sei vor allem durch das Schließen von (Stoff-) Kreisläufen zu erreichen. Am Beispiel der Stadt Dortmund veranschaulichte Dr.- Ing. Christian Falk wie man durch die Umsetzung von Maßnahmen der Regenwasserabkopplung und durch Einbeziehung der Oberflächenabflüsse in die Bauleitplanung beispielsweise durch Berücksichtigung von Notwasserwegen, aus den vergangenen Starkregenereignissen gelernt und entsprechende Konsequenzen gezogen habe.
 
Antworten auf die Frage zur Finanzierung der Aufgaben in der Siedlungsentwässerung wurden im zweiten Vortragsblock gegeben. Dabei stellte Univ. Prof. Dr.-Ing. Max Dohmann zu Beginn fest, dass sich entgegen des allgemeinen Empfindens, die Kosten für die öffentliche Siedlungsentwässerung in den letzten Jahrzehnen nur unwesentlich verändert haben und sich seiner Meinung nach auch zukünftig nicht signifikant ändern werden. In Zahlen entspricht dies einem Anstieg der Wohnnebenkosten für den Bereich Abwasser für den Zeitraum 2005 bis 2009 von gerade einmal 4,1 %. Während also die Finanzierung der öffentlichen siedlungswasserwirtschaftlichen Anlagen im kommunalen Bereich, trotz sinkendem Personal in kommunalen Verwaltungen, über die Abwassergebühren zu gewährleisteten ist, stellt sich die Finanzierung der privaten Anlagen nach wie vor schwierig dar.
 
Wieder volles Haus beim Lindauer Seminar (Foto: JT-elektronik GmbH)
Hier zeigte der folgende Vortrag von Herrn Dr.-Ing. Holger Krier auf, wie in Frankfurt am Main mit den Kosten für Inspektionen und Instandhaltungsmaßnahmen an den privaten Zuleitungskanälen zum öffentlichen Kanalnetz der Stadt Frankfurt a.M. umgegangen wird. Mit einer detaillierten Gegenüberstellung von unterschiedlichen Methoden der Kostenumlage auf den Grundstückeigentümer legte er die Entscheidungsfindung für eine ganzheitliche Vorgehensweise mittels des Gebührenverfahrens anschaulich dar. In der Summe der Gesamtkosten ist dieser Gegenüberstellung zufolge das Gebührenverfahren am preisgünstigsten und die Belastung des Grundstückseigentümers am geringsten.
 
Im dritten Vortragsblock ging es um die Umsetzung baulicher und betrieblicher Maßnahmen von Kanalisationen und Grundstücksentwässerungsanlagen. Dr. Bernhard Fischer vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung in Bonn hielt fest, dass die Liegenschaften des Bundes grundsätzlich und unabhängig von den länderspezifischen Regelungen alle zehn Jahre untersucht werden. Unter dem Aspekt „Qualität ist das, was auf der Baustelle geschaffen wird“ stellte Dipl.-Ing. Uwe Neuschäfer klar, dass sowohl die gesetzten Anforderungen als auch die anschließende Überwachung einen entscheidenden Einfluss auf die Qualität einer Baumaßnahme ausüben und häufig eben unpräzise Anforderungen des Auftraggebers zu einer mangelnden Qualität beitragen. Dipl.-Ing. Silke Roder wies in ihren Ausführungen ergänzend auf den von Vielen bereits befürchteten Umstand hin, dass praktisch keine Überprüfung von Sanierungsmaßnahmen stattfindet. Der Grundstein zur Werterhaltung der Kanalisationen wird nach Meinung von Dipl.-Ing. Bruno Schmuck bereits beim Neubau und damit durch ein fundiertes Fachwissen des Planers gelegt. Die geeignete Auswahl der eingesetzten Materialen habe beispielsweise einen entscheidenden Einfluss auf die Lebensdauer und somit auf die Kosten für den Bauherrn.
 
Schwerpunkt des diesjährigen Seminars war das Thema „Praktischer Kanalisationstechnik – Zukunftsfäge Entwässerungssysteme“ (Foto: JT-elektronik GmbH)
Das Interesse an der Vorgehensweise bei den Grundstücksentwässerungsanlagen ist nach wie vor sehr hoch und wurde daher im vierten Seminarblock diskutiert. Dipl.-Ing. Bernd Wille informierte in diesem Zusammenhang über die Bildungsarbeit der DWA in Nordrhein-Westfalen und hob die von der DWA initiierten Erfahrungsaustausche und Nachbarschaften zum Thema Grundstücksentwässerung hervor. Um die Einführung des RAL-Gütezeichens Grundstücksentwässerung für Güte gesicherte Leistungen im Bereich der Grundstücksentwässerung ging es im Vortrag von Herrn Dipl.-Ing. Dirk Bellinghausen. Das Gütezeichen trage zur Gewährleistung für einen bundesweit einheitlichen sowie hohen und neutralen Qualitätsnachweis für Arbeiten an Grundstücksentwässerungsanlagen bei. Neben dem Grundwasser-, Gewässer- und Bodenschutz diene das Gütezeichen vor allem der Information des Grundstückseigentümers über qualifizierte ausführende Firmen. Ebenso klar wurde im Vortrag des 1. Bürgermeisters Georg Riedl der Stadt Pfarrkirchen, dass die Verantwortung für die Umsetzung des Wasserhaushaltsgesetzes bei den Kommunen liegt und daher kein Weg an der Überprüfung der Grundstücksentwässerungsanlagen vorbeiführen könne.
 
Wer es am ersten Veranstaltungstag nicht geschafft hatte, sich bei den 58 ausstellenden Firmen in der Begleitausstellung des Lindauer Seminars über Technologien, Verfahren, Datenverwaltung und Neuentwicklungen im Bereich der Kanalinstandhaltung zu informieren, dem wurde die Möglichkeit hierzu in den (Praxis-) Vorträgen am Morgen des zweiten Seminartages gegeben.
 
Die Verteilung der Teilnehmer (Foto: JT-elektronik GmbH)
Anschließend ging es im fünften Seminarblock um die Frage der Zukunft der Kanalsanierung. Dr. Emanuel Grün betonte, dass bei der Planung von Sanierungsvorhaben auch deren wasserwirtschaftliche Auswirkungen berücksichtigt werden müssen. So könne beispielsweise der Fokus nicht allein auf der Dichtheit der Kanäle liegen, wenn die Erhöhung des Grundwasserstandes die Mobilisierung von Altlasten zur Folge hätte. Anhand seiner detaillierten Recherche konnte Prof. Dr.-Ing. Volker Wagner die große Bandbreite (DN 50 – 4000) für den Einsatz des Linerverfahrens und damit die Zukunftsfähigkeit dieses Sanierungsverfahrens aufzeigen. Privatdozent Dr.-Ing. Bert Bosseler stellte klar, dass eine sorgfältig durchgeführte Qualitätssicherung von Produkten und Verfahren der Kanalsanierung mit den wichtigen Bewertungsmaßstäben Funktionsfähigkeit, Dichtheit und Standsicherheit zu einer werterhaltenen Kanalsanierung beiträgt.
 
Zusammenfassend konnte der Veranstalter JT-elektronik am Ende der Jubiläumsveranstaltung auf ein gelungenes Seminar zurückschauen, welches beim Tag der offenen Tür auf dem Betriebsgelände seinen Abschluss fand. Der Termin des 26. Lindauer Seminars am 07. und 08. März 2013 können sich bereits heute Interessierte wieder vormerken.
 

Autoren

 
Dipl.-Ing. Susanne Gronau,
Dipl.-Ing. Marcel Hagen,
Dipl.-Ing., Dipl.-Umweltwissenschaftler Andreas Obermayer

Kontakt

JT-elektronik GmbH

Sonja Jöckel

Robert-Bosch-Strasse 26

88131 Lindau, Bodensee

Deutschland

Telefon:

+49 (0) 8382 / 96736-0

Fax:

+49 (0) 8382 / 96736-66

E-Mail:

sonja.joeckel@jt-elektronik.de

Internet:

Zur Webseite