Beton ist ein flexibles Rohrmaterial. Schwer: ja ? schwerfällig: nein!

02.01.2007

Der Wettbewerb der Rohrwerkstoffe wird teilweise mit harten Bandagen geführt. Der Chefredakteur der Fachzeitschrift bi UmweltBau, Artur Graf zu Eulenburg, sprach mit Willhelm Niederehe, Geschäftsführer der Fachvereinigung Betonrohre und Stahlbetonrohre e.V., FBS, über Markt, Produkte und Perspektiven.

bi UmweltBau: Herr Niederehe, wenn man die Stimmung am Markt richtig deutet, dann kann man den Eindruck gewinnen, das die Kommunen wieder mehr in ihre Kanalnetze investieren. Ist diese Entwicklung auch für die Mitgliedsunternehmen der FBS spürbar?

Niederehe: Zur Zeit ist das so. Wobei wir bei dieser Einschätzung zunächst vorsichtig sind, weil wir noch nicht wissen, ob es sich dabei nur um Nachholeffekte nach dem langen Winter oder um einen nachhaltigen Trend handelt. Erfreuliche Tatsache ist jedenfalls, dass unsere Mitgliedsunternehmen gut ausgelastet sind und teilweise an den Kapazitätsgrenzen arbeiten.
bi UmweltBau: Haben Sie Erkenntnisse darüber, wie sich der Marktanteil des Werkstoffes Beton bei der Neuverlegung von Abwasserkanälen in der jüngeren Vergangenheit entwickelt hat?

Niederehe:
Wir stehen bekanntermaßen in einem harten Wettbewerb, insbesondere mit den unterschiedlichen Kunststoffen. Dennoch können wir feststellen, dass unsere Marktanteile relativ stabil sind und sich der Werkstoff Beton gegenüber den Substituten gut behauptet - auch wenn durch die intensive Öffentlichkeitsarbeit der Kunststoffrohrbranche vielleicht hin und wieder ein anderer Eindruck entstehen mag.
bi UmweltBau: In der Diskussion um die unterschiedlichen Rohrwerkstoffe werden die Kunststoffe häufig mit Attributen wie "modern" und "innovativ" geschmückt, während Beton und Steinzeug als antikvierte Materialien dargestellt werden, die für die Schäden am Kanalnetz verantwortlich sind.

Niederehe:
Diese Argumentation hat natürlich bestenfalls Stammtischniveau. Unsere Industrie hat mit dem Rohrwerkstoff Beton 150 Jahre Erfahrung. Kunststoffe kommen in Form von Abwasserrohren erst seit knapp 40 Jahren zum Einsatz. Und wer behauptet, in diesen vierzig Jahren habe es keine Schäden an Kunststoffrohren gegeben, der sagt einfach nicht die Wahrheit! Die Kunststoffe wurden in diesen Jahren wieder und wieder verändert - sicher nicht, weil die ersten Rohre eine so untadelige Qualität hatten. Den jüngst entwickelten Materialien werden experimentell und rechnerisch ermittelte Langzeiteigenschaften zugesprochen, die sie noch nie in eingebautem Zustand haben nachweisen können. Und hier kommen wir zu dem unfairen und verzerrenden Charakter dieser Argumente: Es werden Schadensbilder an alten Betonrohren, deren Existenz wir ja nicht bestreiten und deren Ursachen wir ja heute genau kennen, verglichen mit den theoretisch ermittelten Langzeiteigenschaften von Kunststoffen der neusten Generation. Das ist irreführend und falsch!
bi UmweltBau: Ist denn der Rohrwerkstoff Beton heute noch der gleiche wie vor 150 Jahren?

Niederehe: Nein, natürlich nicht. Aber auch dies wird in der Argumentation ja oft unterschlagen. Zum einen hat sich die Betontechnologie auf der Basis intensiver Forschung kontinuierlich in Richtung verbesserter Werkstoffeigenschaften weiterentwickelt. Darüber hinaus hat sich bei den Herstellungsverfahren in den Betonwerken viel verändert. Beides hat zur Folge, dass ein Betonrohr von heute mit einem von vor 150, aber auch mit einem von vor 40 Jahren überhaupt nicht vergleichbar ist. Hinzu kommt, dass ein großer Teil der heute festgestellten Schäden an Betonrohren auf den nicht fachgerechten Einbau der Rohre und nicht auf den Werkstoff zurückzuführen sind. Diese Fakten müssen in einer fairen Diskussion um die Rohrmaterialien Berücksichtigung finden und das ist leider nicht immer der Fall.
bi UmweltBau: In einem Gespräch über Betonrohre kommt man an dem Thema Korrosion nicht vorbei. Die Bilder von korrodierten Betonkanälen haben dem Image des Werkstoffes sicher geschadet.

Niederehe: Auch dieses Thema muss man differenziert betrachten. Die Korrosion in der Rohrsohle ist heute kein Problem mehr. Mit der Indirekteinleiterverordnung bewegen sich die Eigenschaften von kommunalem Abwasser auf einem Niveau, dem Betonrohre dauerhaft standhalten. Das Problem der biogenen Schwefelsäurekorrosion im Gasraum der Kanäle muss sicher bei der Planung von Abwasseranlagen berücksichtigt werden. Ausreichende Fließgeschwindigkeiten und Belüftung nenne ich in diesem Zusammenhang nur als Stichworte. Wenn es hier zu ungünstigen Randbedingungen kommt, dann haben wir jedoch - unabhängig vom Rohrwerkstoff - das Problem von Geruchsbelästigungen, von vermehrten Ablagerungen und von Verschlechterungen der Verhältnisse auf der Kläranlage. Wir haben also in erster Linie ein Problem des Kanalbetriebes, das es zu lösen beziehungsweise zu verhindern gilt. Als drittes möchte ich aber auch in diesem Zusammenhang die in den letzten Jahren verbesserten Werkstoffeigenschaften betonen, die zu einer erhöhten Korrosionsbeständigkeit unserer "normalen" Rohre geführt haben. Darüber hinaus sind wir heute in der Lage, durch den Einsatz von sogenannten Hochleistungsbetonen, Rohre auch für extreme Anforderungen zu liefern. Prof. Hillemeier von der Technischen Universität Berlin spricht in diesem Zusammenhang von korrosionsresistentem Beton, der einen pH-Wert von dauerhaft 4,5 und kurzzeitig auch darunter vertragen kann.
bi UmweltBau: Dies sind meines Wissens nach sehr junge und noch wenig bekannte Entwicklungen. Wo liegt denn das Innovationspotential des Werkstoffes und der Branche?

Niederehe:
Das Innovationspotential liegt zum einen in der Betontechnologie. Forschung und Entwicklung ermöglichen es uns, den Werkstoff Beton in Richtung der Korrosionsbeständigkeit und in Richtung der mechanischen Eigenschaften immer weiter zu verbessern. Die angesprochenen Hochleistungsbetone sind dafür das jüngste Beispiel. Zum anderen liegt Innovationspotential in der Weiterentwicklung der Bauteile. So hat beispielsweise ein Mitgliedsunternehmen das sogenannte Robustrohr auf den Markt gebracht, bei dem die Rohrverbindung in die Rohrwand integriert ist und die glatte Außenwand des Rohres Verlegevorteile bringen soll. In Dortmund kam kürzlich im Rahmen eines Pilotprojektes ein Rohr zum Einsatz, das speziell für eine mechanisierte Verlegung im offenen Graben konzipiert worden ist. Ein weiteres Beispiel ist die Entwicklung eines monolithischen Schachtunterteils, in das einschließlich Gerinne und in hoher Betonqualität hergestellt wird. Diese wenigen Beispiele zeigen, dass bei unseren Mitgliedsfirmen und in deren Umfeld intensiv an der Weiterentwicklung der Produkte gearbeitet wird. Dabei haben wir auch sehr genau die Entwicklung der Verlegeverfahren im Blick. Interessant ist hier beispielsweise der vermehrte Einsatz von Flüssigböden zur Rohrgrabenverfüllung oder der unterirdische Rohrvortrieb für den Beton ab einer gewissen Nennweite ein nahezu konkurrenzloser Rohrwerkstoff ist.
bi UmweltBau: Wo sehen sie für die Zukunft auf Grund der spezifischen Werkstoffeigenschaften besonders gute Marktchancen?

Niederehe:
Neben den bereits angesprochenen Vortriebsrohren sehe ich überall dort besonders gute Chancen, wo die Anpassungsfähigkeit des Werkstoffes gefragt ist. Ob Ei- oder Maulprofil, ob Kastenprofile hoch und schmal oder breit und flach, wir sind in der Lage, unsere Produkte von der Form, vom Querschnitt und von den Werkstoffeigenschaften her flexibel auf die projektspezifischen Anforderungen und auf die Wünsche des Auftraggebers einzustellen. Nimmt man dann noch die verfügbaren Dichtungssysteme bis hin zur nachträglich aktivierbaren Dichtung für Großprofile hinzu, so kann man den Kritikern entgegenhalten: Die Produkte aus Beton sind zwar schwer aber alles andere als schwerfällig und flexibler als manches biegeweiche Rohrsystem.

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