CFD-Modellierung als Tool zur Ertüchtigung von Regenbecken

18.06.2007

Die Bemessung und Auslegung der verschiedenen Becken zur Regenwasserbewirtschaftung (Abscheider, Regenbecken, Regenklärbecken, …) erfolgt im Allgemeinen auf Basis der unterschiedlichen Regelwerke, die von der FGSV oder der DWA herausgegeben werden. Die Bemessungsansätze basieren auf empirischen Ansätzen und dienen der Festlegung der notwendigen Volumina und der zulässigen hydraulischen Belastung; konstruktive Empfehlungen basieren auf langjährigen Erfahrungen.

1 Einführung
Eine Berücksichtigung der hydraulischen Verhältnisse und ihrem Einfluss auf das Prozessgeschehen im Becken erfolgt in der Regel nicht bzw. nur durch Berücksichtigung der hydraulischen Beaufschlagung.
Ziel des vorliegenden Beitrages ist es, den Einfluss der Strömungsverhältnisse im Becken auf die Systemverhältnisse und dabei insbesondere den Einfluss auf den Transport und den Rückhalt mitbewegter Sedimente aufzuzeigen.

Am Beispiel eines Absetzbeckens sowie eines Regenklärbeckens werden die Möglichkeiten aufgezeigt, die der Einsatz der CFD-Modellierung im Rahmen einer Beckenanalyse im Hinblick auf Beckenprüfung, -sanierung oder -optimierung, aber natürlich auch im Hinblick auf eine Neuplanung bietet.
Im Vordergrund steht dabei, die Absetzleistung der Becken und damit auch den Rückhalt an Feststoffen im Becken zu verbessern.
2 CFD-Modellierung
Ein Werkzeug zur Schaffung eines detaillierten Einblicks in die Systemverhältnisse eines Absetzbeckens stellt die CFD-Modellierung dar. CFD steht für Computational Fluid Dynamics und bezeichnet die räumlich hochauflösende, Computer gestützte Berechnung von Strömungsprozessen.

Auf der Basis von Massen- und Impulsbilanzen (Kontinuitäts- und Navier-Stokes-Gleichung), die in alle drei Raumrichtungen gelöst werden, lassen sich die Geschwindigkeits- und Druckverteilungen berechnen. Da es sich bei den meisten technischen Strömungen um turbulente Strömungen handelt, gilt es die Turbulenz und ihre Auswirkung auf das Prozessgeschehen, so z. B. die Intensivierung der Durchmischung, durch geeignete Ansätze zu berücksichtigen. Ein häufig eingesetztes Modell stellt in diesem Zusammenhang das Standard-k-ε-Modell (Launder und Spalding, 1974) dar, das eine realitätsnahe Beschreibung der heterogenen Turbulenzintensitätsverteilung in einem Becken erlaubt.

Soll neben dem Strömungsfeld auch der Transport und die Verteilung einzelner Inhaltsstoffe oder, wie in diesem Beitrag, der Transport der Sandpartikel untersucht werden, so ist für jede interessierende Größe eine Transportgleichung zu lösen.

CFD-Modelle zeichnen sich dadurch aus, dass das zu untersuchende Gebiet (hier: das interessierende Absetzbecken) in seiner vollständigen räumlichen Komplexität abgebildet wird. Aufbauend auf der Geometrie wird das gesamte Gebiet mit einem Gitter diskreter Knotenpunkte überzogen, auf denen die numerische Lösung des entstehenden Gleichungssystems erfolgt. Die Knotendichte muss dabei ausreichend groß sein, um einerseits den Diskretisierungsfehler der Lösung gering zu halten und andererseits das Untersuchungsgebiet angemessen aufzulösen. Nach Erstellung des so genannten Berechnungsmodells erfolgt die Simulation der Prozesse, die statisch oder dynamisch (also zeitveränderlich) erfolgen kann bzw. muss. Hieran schließt sich die Analyse der Ergebnisse und die mögliche Erarbeitung von Varianten an.

Durch die Gegenüberstellung der Ergebnisse aller Varianten lässt sich in der abschließenden Bewertung eine verfahrenstechnisch geeignete Lösung ableiten und eine Aussage zu den notwendigen Umsetzungsmaßnahmen und -schritten treffen.
3 Absetzbecken
3.1 Allgemeines
Absetzbecken zur Behandlung von Straßenabflüssen existieren in unterschiedlichen Bau- und Betriebsvarianten. In dem vorliegenden Beitrag wird ein Absetzbecken mit Absetzfunktion nach RiStWag (FGSV, 2002) vorgestellt, das u. a. im Rahmen eines Forschungsvorhabens der BAST (2005) untersucht worden ist. Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse wurden Empfehlungen für Sanierungen aber auch Neuplanungen erarbeitet.
3.2 Das Abscheidebecken nach RiStWag
3.2.1 Systembeschreibung
Die Grundlage der folgenden Darstellungen bildet ein Referenzbecken, das auf der Basis eines realen Abscheidebeckens entwickelt worden ist. Für dieses reale Becken wurden Studien zur Modellkalibrierung durchgeführt, wobei die Kalibrierung an Hand vorliegender Messdaten (BAST, 2001) erfolgte. Da der Zulauf des Beckens oberhalb des Dauerstaus angeordnet ist, verändern sich die Wasserspiegellage und damit auch die Strömungsverhältnisse im Becken bei einem Regenereignis. Dieser Tatsache muss in der Simulation Rechnung getragen werden, was bedeutet, dass in den Simulationsstudien mit einer freien beweglichen Oberfläche zu rechnen ist.

Da dieses Vorgehen zeit- und rechenintensiv ist, wurde aufbauend auf einer solchen komplexen Studie ein Vorgehen entwickelt, das es ermöglicht, die wesentlichen Einflüsse dieses Beckenbetriebes auch bei einer fest definierten Wasserspiegellage berücksichtigen zu können. Das Vorgehen wurde an Hand von Messdaten und Plausibilitätstests geprüft.
Abbildung 1 zeigt eine schematische Draufsicht auf das Referenzbecken sowie einen Vertikalschnitt. Ausgehend von einem ruhenden Wasserkörper und einem definierten Sediment wird eine Zulaufganglinie in der instationären Berechnung eingesteuert, die von ihrer hydraulischen Belastung dem Bemessungsereignis entspricht. Mit dem Zulauf gelangen Feststoffe, unterteilt in vier Kornklassen mit den Durchmessern 0,5 mm, 0,06 mm, 0,01 mm und 0,003 mm, in das Becken. Weiterhin wird ein Tracer kontinuierlich mit eingetragen, der keine stofflichen Eigenschaften hat und nur mit dem Wasser transportiert wird und so eine Aussage über das verdrängte Wasservolumen im betrachteten Zeitraum ermöglicht.
3.2.2 Ergebnisdarstellung und Analyse
Die folgenden Abbildungen zeigen die Geschwindigkeitsverteilung in ausgewählten Schnitten sowie exemplarisch die Verteilung des Sediments (Ø 0,06 mm) und die des Tracers.
Es ist zu erkennen, dass durch den oberhalb des Dauerstaus angeordneten Zulauf der Zufluss mit einem signifikanten Vertikalanteil in das Becken strömt (Abbildung 2). Der Zulaufstrahl trifft auf das Sedimentbett und remobilisiert bereits abgelagertes Material (Abbildung 4, links). Durch den mittig angeordneten Zulauf bildet sich im Absetzraum hinter der Prallwand eine Hauptströmung in Mitte des Beckens aus, an deren beiden Seiten sich zwei Walzensysteme mit Rückströmungen entlang der Beckenwände einstellen. Eine gleichförmige Verteilung der Geschwindigkeiten über die Beckenbreite ist erst ab der Beckenmitte zu beobachten (Abbildung 3). Abbildung 4 (rechts) zeigt die Einmischung des zufließenden Tracers in das Becken.
Es wird deutlich, dass durch die Anordnung des Zulaufs oberhalb des Dauerstaus eine Vertikalkomponente im Zulaufstrom entsteht, die zu einer signifikanten Aufwirbelung bereits abgelagerten Materials führt. Zwar verringert sich dieser vertikale Anteil mit steigendem Wasserstand bei einem Regenereignis, jedoch ist dann die Remobilisierung des Materials bereits erfolgt.

Im Rahmen des Forschungsvorhabens der BAST (2005) wurden ausgehend von diesen Erkenntnissen Maßnahmen zur Ertüchtigung bereits bestehender Becken, aber auch Empfehlungen für den Bau neuer Becken erarbeitet.

Das wesentliche Ziel war es, den Zulauf so zu gestalten, dass möglichst ein großer Teil der eingetragenen Feststoffe abgelagert wird und bereits abgelagertes Sediment nicht wieder remobilisiert wird.
Die entscheidende Forderung bei Neuplanungen stellt daher die Ausführung eines getauchten Zulaufs dar. Durch die Verlagerung des Zulaufs unterhalb des Dauerstaus entfällt die starke vertikale Strömungskomponente im Zulaufstrahl und damit auch die Remobilisierung des Materials im Zulaufbereich.

Abbildung 6 zeigt eine schematische Draufsicht wie auch den Längsschnitt für eine Beckenneuplanung.

Neben der getauchten Zulaufführung wurde der Zufluss auch auf zwei Zuleitungen verteilt, um die Verteilung über den Querschnitt zu fördern. Des Weiteren wurde die vordere Tauchwand wie auch der Sammelraum entfernt. So würde die Tauchwand die Zulaufausbreitung behindern und eine Ablenkung in Richtung des Sedimentbetts bewirken.
Die Frachtganglinie für die Kornklasse Ø 0,06 mm (Abbildung 7) zeigt deutlich, dass die Gefahr von Resuspension signifikant verringert wird. Wurde beim Referenzbecken noch mehr Material ausgetragen als während des betrachteten Zeitraumes hineintransportiert wurde, so kann nun wesentlich mehr Material zurückgehalten werden als in den Abscheider gelangt. Die Leistungsfähigkeit wurde deutlich gesteigert.
3.3 Regenklärbecken
Regenklärbecken stellen ebenfalls Absetzbecken dar und dienen der Behandlung von Regenwasser im Trennsystem. Im Rahmen eines BMBF-Forschungsvorhabens wurden in einer ersten Studie die Systemverhältnisse im Regenklärbecken Loddenbachsee (Stadt Münster) ermittelt.
3.3.1 Das Regenklärbecken Loddenbachsee
Die Simulationsstudie erfolgte für einen Regenwetterbelastungsfall, wobei als Startbedingung von einem ruhenden und feststofffreien Wasserkörper ausgegangen wurde. Die Wasserspiegellage wurde in Höhe der Ablaufrinne gewählt.
Abbildung 8 zeigt eine schematische Draufsicht und einen Längsschnitt durch das Becken.

Der Räumerbetrieb wurde in der Berechnung nicht berücksichtigt. Mit dem Zulauf erfolgte der Eintrag von Sediment, das in vier Kornfraktionen unterteilt wurde.
Ein mit transportierter Tracer erlaubte Aussagen über das verdrängte Wasservolumen.
Aufbauend auf dem in Abbildung 9 dargestellten Computermodell erfolgte die vollständig instationäre Berechnung. Der Berechnungszeitraum betrug 1200 s.
Das Wasser läuft in diesem Betriebszustand über zwei Schnecken dem Becken zu. Im Einlaufbereich fließt es über die Schräge bis zur Sohle, wodurch oberflächennah eine in Richtung Zulauf orientierte Strömung entsteht (Abbildung 10). Vom Einlaufbereich kommend trifft das Wasser vor dem Eintritt in das eigentliche Becken auf eine Prallwand, die das Wasser in alle Raumrichtungen lenkt.
Durch die asymmetrische Abströmung aus dem Einlaufbereich kommt es im Becken zu einer Rotationsströmung, wobei der Hauptstrahl der Strömung relativ nah an der Beckenmitte zur Auslaufseite gerichtet ist (Abbildung 11). Dies führt – wie auch die Tracerverteilung zeigt (Abbildung 12) – zu einem relativ direkten Transport des Wassers vom Zulauf zum Ablauf. Bei einer maximalen Geschwindigkeit von ca. 0,1 m/s erreicht der Tracer nach 400 s den Auslauf.
Für die betrachteten Kornklassen pendeln sich die Rückhaltewerte auf 98,5 % für die gröbste Kornfraktion (Ø 0,1 mm), 90 % für die folgende Kornfraktion (Ø 0,075 mm), 70 % für Kornfraktion mit einem Ø von 0,06 mm und um die 50 % für die feinste Kornfraktion (Ø 0,04 mm) ein (Abbildung 13).

Es wird deutlich, dass je feiner die Kornfraktion ist, umso stärker wird sie mit der Strömung bewegt und kann auf Grund ihrer geringen Sinkgeschwindigkeit in der vorliegenden Aufenthaltszeit nicht sedimentieren.
Der Wirkungsgrad des Beckens im Hinblick auf die Abtrennung des miteingetragenen Sedimentes ist unter den gegebenen hydraulischen Belastungen besonders für die feineren Kornklassen noch nicht zufriedenstellend. Auch stellt sich die Frage, ob bereits abgelagertes Material unter den hydraulischen Bedingungen wieder aufgewirbelt und dann mit ausgetragen würde.

In weiteren Arbeitsschritten gilt es, diesen Fragen nachzugehen und Maßnahmen zu erarbeiten, die zu einer Effizienzsteigerung beitragen.
4 Zusammenfassung
Der vorliegende Beitrag zeigt Möglichkeiten auf, die sich durch den Einsatz der CFD-Modellierung im Rahmen der Analyse, Sanierung und Neuplanung von Absetzbecken zur Regenwasserbewirtschaftung ergeben.
Durch die realitätsnahe Approximation der relevanten Prozesse kann ein detaillierter Einblick in die Systemverhältnisse gegeben werden.

So konnte im Rahmen eines Forschungsvorhabens der BAST Empfehlungen für Neuplanungen und Sanierungen erarbeitet werden, die zu einer signifikanten Effizienzsteigerung der Abscheider nach RiStWag führen.

Erste Ergebnisse einer Untersuchung eines Regenklärbeckens im Rahmen eines BMBF-Forschungsvorhabens bieten einen Einblick in die Systemverhältnisse des Beckens und stellen die Basis für die weiteren Arbeitsschritte im Hinblick auf eine Effizienzsteigerung des Beckens dar.
Literatur
  • BAST (2001): Forschungsvorhaben FE 05.108/1996/GRB, Wirksamkeit von Entwässerungsbecken im Bereich von Bundesfernstraßen. Ingenieur-Dienst-Nord, Oyten, unter Mitwirkung der ifs Ingenieurgesellschaft für Stadthydrologie mbH, Hannover, und der Phillips-Universität Marburg, FB Biologie.
  • BAST (2005): Forschungsvorhaben FE 05.0134/2003/GGB, Optimierung von Absetzbecken. Ifs Ingenieurgesellschaft für Stadthydrologie mbH, unter Mitwirkung der FlowConcept GmbH, Hannover.
  • FGSV (2002): Richtlinien für bautechnische Maßnahmen an Straßen in Wasserschutzgebieten RiStWag, Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen.
  • Launder, B.E. und Spalding, D.B. (1974): The Numerical Computation of Turbulent Flows, Computation Methods in Applied Mechanics and Engineering, Nummer 3.

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