Das Recht des VOB-Vertrages - Teil 6/18: Mehrkosten aus Behinderung
28.07.2005
Der Paragraph 6 VOB/B regelt die Tatbestände der Behinderung und Unterbrechung der Bauausführung und deren wesentlichen Folgen. Sehr glücklich ist die Regelung nicht gelungen und bietet daher erhebliches Streitpotenzial. Keine Regelungen der VOB/B sind allein hinsichtlich ihrer rechtlichen Bewertung schon zwischen den Juristen so im Streit, wie die Regelungen den gestörten Bauablauf betreffend (vgl. jüngst den Überblick des Autors Thode, "Nachträge wegen gestörten Bauablaufes im VOB/B-Vertrag" - eine kritische Bestandsaufnahme -, ZfBR 2004, 214 ff. Hier wird selbst das von der Rechtsprechung und Literatur Sichergeglaubte wieder in Frage gestellt.).
I. Behinderungsanzeige
1. Anzeigepflicht
Behinderungen und Unterbrechungen der Ausführung müssen vom Auftragnehmer grundsätzlich angezeigt werden. An diesen Grundsatz sollte sich ein Auftragnehmer ausnahmslos schon zur eigenen Baudokumentation halten. Nur in Ausnahmen, nämlich dann, wenn die hindernde Wirkung offenkundig auch dem Auftraggeber bekannt ist, kann auf die Anzeige verzichtet werden. Über den Begriff der "Offenkundigkeit" später zu streiten, und später noch ableiten zu wollen, von wann bis wann im Einzelnen eine Behinderung oder Unterbrechung andauerte, ist jedoch nicht sinnvoll.
Jeder Auftragnehmer sollte sich also merken, dass eine Behinderung oder Unterbrechung nur dann die Ausführungsfrist nach § 6 Nr. 2 VOB/B verlängert und möglicherweise Schadensersatzansprüche nach § 6 Nr. 6 VOB/B begründen kann, wenn tatsächlich eine Behinderung und Unterbrechung vorliegt und diese ordnungsgemäß angezeigt ist.
Es ist nicht erforderlich, dass die Behinderung oder Unterbrechung bereits eingetreten ist. Die Anzeige kann bereits erfolgen, wenn der Auftragnehmer Besorgnis hat, er könnte aufgrund bestimmter Umstände in absehbarer Zeit behindert werden. Weil jedoch eine bloße Verdachtsanzeige nicht genügt, ist zu empfehlen, beim tatsächlichen Eintritt der Behinderung die Anzeige ordnungsgemäß zu wiederholen (vgl. hierzu vor allem OLG Köln, BauR 1981, 472, OLG Düsseldorf, BauR 2002, 1551).
a) Ansprüche des Auftragnehmers
Die Anzeige ist Tatbestandsvoraussetzung für den Anspruch des Auftragnehmers auf
- Verlängerung der Ausführungsfrist i. S. v. § 6 Nr. 2 VOB/B sowie eines etwaigen
- Schadensersatzanspruches des Auftragnehmers gegen den Auftraggeber nach § 6 Nr. 6 VOB/B.
Statt Schadensersatz können die Mehrkosten aber auch wegen der Änderung des zeitlichen Bauentwurfes nach § 2 Nr. 5 VOB/B als Preisanpassungsanspruch oder aber nach § 642 BGB als Quasi-Vergütungsanspruch i. S. einer angemessenen Entschädigung geltend gemacht werden. In jedem Fall kommt es darauf an, dass sich die unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen der konkurrierenden Anspruchsgrundlagen aufzeigen lassen (hierzu insbesondere Diehr, BauR 2001, Seite 1507, vgl. aber auch Thode, ZfBR 2004, 214 ff., der im Rahmen seiner kritischen Bestandsaufnahme der bisherigen rechtswissenschaftlichen Literatur und Rechtsprechung zu diesem Thema zu entsprechenden Ergebnissen gelangt).
aa) Es wird vertreten, dass die Anzeige auch eine vertragliche Nebenpflicht zugunsten des Auftraggebers ist. Nimmt man die von der VOB gewollte gegenseitige Kooperationspflicht der Vertragsparteien ernst, muss man dem zustimmen. Denn die rechtzeitige Anzeige von Behinderungen ermöglicht es dem Auftragnehmer, frühzeitig zu disponieren.
Soweit dies in seinem Verantwortungsbereich liegt, kann er frühzeitig Maßnahmen ergreifen, die die Behinderung oder Unterbrechung erst gar nicht zum Tragen kommen, zumindest die Zeiträume jedoch so kurz als möglich halten lässt. Er kann z. B. auf rechtzeitige Anzeige schnellstmöglich Finanzierungsunterlagen oder die von ihm geschuldete Koordinierung der verschiedenen Bauunternehmerleistungen entsprechend § 4 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOB/B (vgl. hierzu Teil 4) erbringen (vgl. auch BGH, BauR 1983, 73 und OLG Koblenz, NJW-RR 1988, 851). Eine unterlassene Anzeige der Behinderung kann zu Lasten des Auftraggebers zur Folge haben, dass er nicht nur seinen Ausführungsfristverlängerungsanspruch und etwaigen Schadensersatzanspruch verwirkt, sondern dass er sich zusätzlich schadensersatzpflichtig macht, kann ein Auftraggeber darlegen und beweisen, dass er bei einer rechtzeitigen Behinderungsanzeige Abhilfemaßnahmen hätte einleiten können, die Schaden beim Auftraggeber vermieden hätten.
Nimmt man aber die von der VOB gewollte gegenseitige Kooperation ernst, wird man auch vom Auftraggeber gleichsam als Nebenpflicht verlangen dürfen, dass er den Auftragnehmer unverzüglich darauf hinweist und warnt, dass dieser auch mit Blick etwa auf andere Unternehmen den Bauablauf durch eine bestimmte Handlung stört und sich hieraus Schäden ergeben können. Gerade bei Großvorhaben kann nur durch diesen Warnhinweis sichergestellt werden, dass ein Auftragnehmer rechtzeitig die notwendigen Maßnahmen ergreift, um Schäden vom Auftraggeber abzuwenden. Je komplexer das Vorhaben, desto ernster wird ein Auftraggeber diese aus seiner Koordinierungspflicht nach § 4 VOB/B (vgl. Teil 4) folgende vertragliche Pflicht auch mit Blick auf das Gebot der Schadensminimierung i. S. v. § 254 Abs. 2 BGB nehmen müssen.
a) § 6 Nr. 1 Satz 1 VOB/B formuliert eindeutig das schriftliche Formerfordernis (zum Schriftformerfordernis der VOB vgl. bereits Teil 3 mit Blick auf die hier maßgebliche gewillkürte Schriftform, wobei Faxschreiben genügt in Abgrenzung zur gesetzlichen Schriftform, §§ 126/127 BGB). Eine mündliche Anzeige genügt daher nicht (andere Auffassung Döring, Ingenstau/Korbion, 15. Aufl., Kommentar VOB 2002, § 6 Nr. 1 Rdn. 4 und 5, der die VOB gegen den eindeutigen Wortlaut auslegt).
b) Nur im Einzelfall wird man unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben von der Schriftform Abstand nehmen können, nämlich immer dann, wenn die Schriftform reine Förmelei wäre. Dies ist der Fall, ist eine Behinderung eindeutig belegbar mündlich angezeigt und durch diesen Akt oder sonst i. S. v. § 6 Nr. 1 Satz 2 VOB/B dem Auftraggeber offenkundig geworden.
c) Es muss jedoch ausdrücklich davon abgeraten werden, Anzeigen lediglich mündlich zu tätigen. Der Auftragnehmer sollte einen gesteigerten Wert darauf legen, dass die Anzeige schriftlich niedergelegt wird. Zu empfehlen ist, sich die Anzeige schriftlich quittieren zu lassen, z. B. im Bautagebuch oder durch die Aufnahme des vom Auftraggeber geführten Besprechungsprotokolls.
Die Anzeige muss hinreichende Klarheit über die Gründe der Behinderung oder Unterbrechung schaffen. Es muss definiert werden, ab wann die Behinderung greift, wie lange sie dauern wird. Lässt sich die Dauer der Behinderung/Unterbrechung zum Zeitpunkt des Eintrittes der Behinderung oder Unterbrechung nicht definieren, ist zu empfehlen, zumindest einen ungefähren Zeitraum anzugeben.
Auf jeden Fall ist sodann auch schriftlich anzuzeigen, wann die Behinderung oder Unterbrechung beendet ist, damit die Zeitfenster für die Verlängerung der Ausführungsfrist und zur Berechnung etwaiger Schadensersatzansprüche definiert und am besten zwischen den Parteien unstreitig gestellt sind (zum Umfang der Inhalte einer Behinderungsanzeige vgl. BGH, BauR 2000, 722 und BGH, BauR 2002, 1249).
Dabei hat der Auftragnehmer alles zu tun, was ihm billigerweise zugemutet werden kann, um die Weiterführung der Arbeiten zu ermöglichen und die Arbeiten unverzüglich wieder aufzunehmen, sobald die hindernden Umstände entfallen sind und den Auftraggeber davon zu unterrichten, § 6 Nr. 3 VOB/B. Auch diese Benachrichtigung sollte schon im Interesse des Auftragnehmers schriftlich erfolgen. Durch die Behinderungsanzeige einerseits und die Benachrichtigung über die Fortsetzung der Arbeiten andererseits ist dann auch der Zeitraum der Unterbrechung substantiiert beweisgesichert.
1. Tatbestandsvoraussetzungen
Ein Anspruch auf Verlängerung der Ausführungsfrist nach § 6 Nr. 2 VOB/B ist gegeben, wenn einerseits
- die Voraussetzungen des § 6 Nr. 1 VOB/B (schriftliche Behinderungsanzeige) vorliegen.
- ist eine tatsächliche Behinderung und Unterbrechung zu verlangen.
- Behinderung oder Unterbrechung im Risikobereich des Auftraggebers liegen.
Streik und Aussperrung werden dann durch § 6 Nr. 2 Abs. 1 b) VOB/B wie höhere Gewalt und andere unabwendbare Umstände, § 6 Nr. 2 Abs. 1 c) VOB/B dem Risikobereich des Auftraggebers zugeordnet. Weiter gehören zum Risikobereich des Auftraggebers Witterungseinflüsse während der Ausführungszeit, mit denen der Auftragnehmer bei der Abgabe des Angebotes normalerweise nicht rechnen musste, § 6 Nr. 2 Abs. 2 VOB/B.
Für den Anspruch auf Ausführungsfristverlängerung zugunsten des Auftragnehmers ist dann aber nicht erforderlich, dass der Auftraggeber die Behinderung oder Unterbrechung verschuldet hat.
Die Fristverlängerung wird berechnet nach der Dauer der Behinderung mit einem Zuschlag für die Wiederaufnahme der Arbeit und die etwaige Verschiebung in eine ungünstige Jahreszeit, § 6 Nr. 4 VOB/B. Für die Wiederaufnahme der Arbeit wird man die 12 Werktage des § 5 Nr. 2 VOB/B als Faustregel entsprechend anwenden können, wobei im Einzelfall Verkürzungen oder Verlängerungen dieser Frist unter dem Gesichtspunkt denkbar sind, was einem Auftragnehmer mit Blick auf den konkreten Einzelfall billigerweise zugemutet werden kann. Regelmäßig wird man davon ausgehen dürfen, dass der Auftragnehmer selbst ein Interesse daran hat, unverzüglich die Arbeiten wieder aufzunehmen, so dass sich die Interessen von Auftragnehmer und Auftraggeber decken dürften.
Das größte Streitpotenzial liegt in der Definition, welche Umstände dem Risikobereich des Auftraggebers zuzuordnen sind. Hier hilft die Kasuistik der Rechtsprechung.
a) Pflichtverletzungen des Auftraggebers
Unabhängig von einem Verschulden liegen im Risikobereich des Auftraggebers jedenfalls alle seine Pflichtverletzungen. Beispielhaft zu nennen sind hier Verletzungen von Mitwirkungspflichten i. S. v. § 642 BGB, etwa die nicht rechtzeitige Übergabe von Planungsunterlagen, die nicht ordnungsgemäße Absteckung von Hauptachsen, soweit sie nicht dem Auftragnehmer übertragen wurden (OLG Düssel-dorf, BauR 1998, 340), die nicht rechtzeitige Zur-Verfügung-Stellung von Statiken (OLG Saarbrücken, BauR 1998, 1010), die fehlende oder fehlerhafte Auftraggeberkoordinierung nach § 4 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 VOB/B und § 4 Nr. 4 VOB/B (vgl. Teil 4), die fehlerhafte oder verspätete Übergabe von Ausführungsunterlagen nach § 3 Nr. 1 VOB/B (vgl. Teil 3).
Im Auftraggeberrisiko liegen auch die bei Beachtung normaler Prüfungsanforderungen unvorhersehbaren Wasser- und Baugrundverhältnisse (zum Baugrundrisiko des Auftraggebers vgl. BGH, ZfBR 1997, 300 (Schürmann-Bau I) und BGH, BauR 1997, 1021 (Schürmann-Bau II)). Gleiches gilt für die rechtzeitige Erlangung der Baugenehmigung, weil auch dies im Risikobereich des Auftraggebers nach § 4 Nr. 1 Abs. 1 VOB/B liegt
aa) Im Risikobereich des Auftraggebers stehen auch die bauzeitbedingten Auswirkungen infolge der Anordnung von geänderten oder zusätzlichen Leistungen. So hat der Auftraggeber einen Anspruch darauf, jederzeit den Bauentwurf zu ändern, § 1 Nr. 3 VOB/B und jederzeit zusätzliche Leistungen anzuordnen, § 1 Nr. 4 VOB/B (zu Inhalt und Umfang der Anordnungskompetenz vgl. Teil 1 und 2). Haben diese Änderungen oder zusätzlichen Leistungen Auswirkungen auf die Bauzeit, die sich auch entsprechend schlüssig darlegen lassen, begründet dies nach § 6 Nr. 2 VOB/B zugunsten des Auftragnehmers einen Anspruch auf entsprechende Verlängerung der Ausführungsfrist (ständige Rechtsprechung seit BGH, ZfBR 1990, 138). Dies gilt für alle Anordnungsrechte des Auftraggebers namentlich auch nach § 4 Nr. 1 Abs. 1, 3 und 4 VOB/B, § 3 Nr. 1 VOB/B, § 5 Nr. 2 VOB/B.
bb) Im Verlangen geänderter oder zusätzlicher Leistungen ist also eine sogar offenkundige Behinderung i. S. v. § 6 Nr. 1 VOB/B zu sehen. Obwohl der Auftraggeber geänderte oder zusätzliche Leistungen verlangt und daher erkennen muss, dass dies Auswirkungen auf die Ausführungszeit hat, ist gleichwohl zu empfehlen, dass die zeitlichen Folgen entsprechend angezeigt werden und möglichst klar von Anfang an definiert wird, welche Auswirkungen dies auf den bisherigen zeitlichen Bauablauf hat.
Dies ist Voraussetzung, um Streit hinsichtlich der entsprechend notwendigen Verlängerung der Ausführungszeit zu vermeiden, um dem Auftraggeber die Möglichkeit zu eröffnen, auch unter dem zeitlichen Aspekt über seine Entscheidung noch einmal zu disponieren.
dd) Die Veränderung des ursprünglich im Rahmen des Angebotes angenommenen und insofern vertragsgegenständlich gewordenen Bauablaufes stellt eine Änderung des Bauentwurfes i. S. v. § 2 Nr. 5 VOB/B dar. Denn der Bauentwurf ist regelmäßig nicht nur das, was gebaut werden soll, sondern auch wie dies an welcher Stelle und in welcher Zeit vertraglich geplant war. Diese Kriterien sind Voraussetzung, um sicher einen Preis i. S. v. § 9 VOB/A und i. S. v. § 2 Nr. 5 sowie § 2 Nr. 6 VOB/B für die vertraglichen Leistungen kalkulieren zu können. Ändert sich dann der zeitliche Bauentwurf, kann dies - etwa durch Verschiebung in eine ungünstige Jahreszeit oder wegen der Erbringung eines höheren Leistungsvolumens - Mehr- oder Minderkosten verursachen.
Auch Behinderungen, die durch Vorunternehmer des Auftraggebers verursacht sind, fallen in den Risikobereich des Auftraggebers und führen also zur Verlängerung der Ausführungsfrist nach § 6 Nr. 2 VOB/B, obwohl der Auftraggeber nicht für den Vorunternehmer haftet, ihm das Verschulden des Vorunternehmers auch nicht zugerechnet wird, weswegen insofern keine Schadensersatzansprüche nach § 6 Nr. 6 VOB/B hinsichtlich der Mehrkosten auferlegt werden können.
Der BGH eröffnet dem Auftragnehmer insofern aber den quasi-vergütungsrechtlichen Anspruch des § 642 BGB (BGH, BauR 2000, S. 722 = NJW 2000, 1336).
Nach richtiger Literaturauffassung steht dem Auftragnehmer wegen etwaiger Mehrkosten infolge der Bauablaufstörung durch Vorunternehmer nach § 2 Nr. 5 VOB/B auch der verschuldensunabhängige Vergütungsanpassungsanspruch zu, weil die Störung eine zeitliche Änderung des Bauentwurfes darstellt, wobei der Zeitfaktor regelmäßig Grundlage der Preisermittlung der vertraglichen Leistungen ist.
a) Steht dem Auftraggeber der Anspruch gegen den Auftragnehmer zu, jederzeit die Änderung des Bauentwurfes anzuordnen und gehört zum Bauentwurf das, was errichtet werden soll, wie es errichtet werden soll, wo und in welcher Zeit, ergibt sich bereits unmittelbar aus § 1 Nr. 3 VOB/B eine Kompetenz des Auftraggebers, Änderungen des zeitlichen Bauentwurfes anzuordnen.
Es ist in diesem Sinne also nicht rechtswidrig und kompetenzlos, verlangt ein Auftraggeber vom Auftragnehmer sachlich begründet einen Baustopp, die Verschiebung der Leistungszeit und später eine dem Auftragnehmer billigerweise zumutbare beschleunigte Weiterführung der Arbeiten. Sachlich gerechtfertigt sind solche Anordnungen immer dann, gibt es Störungen im Risikobereich des Auftraggebers, die er aber nicht zu vertreten hat. Dies lässt sich beispielhaft annehmen für die Fälle der Vorunternehmerbehinderung, für unvorhersehbare Eigenschaften des Baugrundes, und für Fragen des Streikes, der Aussperrung oder anderer Umstände höherer Gewalt durch ungewöhnliche Witterungseinflüsse oder unabwendbare Schadensereignisse.
Allgemein lässt sich formulieren, dass eine solche Anordnung immer dann sachlich gerechtfertigt und von der Kooperationsverpflichtung der Parteien i. S. v. § 1 Nr. 3 VOB/B und § 2 Nr. 5 VOB/B abgedeckt ist, wenn den Bauablauf störende Umstände von keiner Partei zu vertreten sind und der entsprechende Umstand in den Risikobereich des Auftraggebers fällt.
Einer solchen Anordnung (der Autor Döring, a. a. O., § 6 Nr. 3 Rdn. 4 formuliert missverständlich "Wunsch") des Auftraggebers auf Beschleunigung der Baumaßnahme zur Einhaltung der Termine kann sich der Auftragnehmer dann wegen der ihn bindenden Kooperationsverpflichtung bei zumutbaren Anstrengungen nicht widersetzen.
In der Folge können dem Auftragnehmer insofern Vergütungsansprüche nach § 2 Nr. 5 VOB/B zustehen, liegen die dort geregelten übrigen Voraussetzungen vor. Weil die Anordnung/der Wunsch des Auftraggebers mit Blick auf die gegenseitige Kooperation nicht als widerrechtlich angesehen werden kann, ist daneben ein Schadensersatzanspruch etwa nach § 6 Nr. 6 VOB/B nicht gegeben (so auch Döring, a. a. O., § 6 Nr. 3 Abs. 4; andere Auffassung noch bei Diehr, BauR 2001, S. 1507 ff., die aufgegeben wurde und etwa bei Leinemann-Leinemann, a. a. O., § 6 Rdn. 41 sowie Kapellmann/Schiffers, Band 1, Rdn. 1460, die ein Nebeneinander von Vergütungs- und Schadensersatzanspruch annehmen).
a) Ist einem Auftragnehmer ein Baustopp, eine Verschiebung der Leistungszeit, eine Beschleunigungsmaßnahme etc. nicht billigerweise vor dem Hintergrund der Tatsachen des Einzelfalles zumutbar, darf der Auftragnehmer die Befolgung der Anordnung ohne Konsequenzen verweigern. Unter Umständen wird man ihm ein außerordentliches Vertragskündigungsrecht zugestehen müssen (so auch Döring, a. a. O., § 6 Nr. 3 Rdn. 4).
b) Dabei ist jedenfalls durch § 6 Nr. 7 VOB/B klargestellt, dass bei einer Unterbrechung von länger als 3 Monaten jeder Teil, also sowohl Auftragnehmer als auch Auftraggeber, den Vertrag schriftlich (vgl. zur gewillkürten Schriftform des § 127 BGB Teil 3) kündigen kann.
c) Der Auftragnehmer kann nach einer solchen Kündigung oder bei voraussichtlich längerer Unterbrechung jeweils gem. § 6 Nr. 5 VOB/B die ausgeführten Leistungen nach den Vertragspreisen abrechnen. Daneben kann er die Kosten in die Abrechnung einstellen, die ihm bereits mit Blick auf den nicht ausgeführten Teil der Leistungen entstanden, wie etwa durch Bereitstellung von Baumaterialien.
Eine andere Auffassung findet sich bei Döring, a. a. O., § 6 Nr. 5 Rdn. 16. Dieser meint, die Kosten der Leistungsunterbrechung seien hiervon nicht umfasst, weil im Zeitpunkt der Abrechnung gem. Nr. 5 solche Kosten noch nicht bekannt sein könnten und übersieht, dass § 6 Nr. 7 VOB/B die entsprechende Abrechnung nach einem 3-monatigen Stillstand und sogar bereits erfolgter Kündigung des Vertrages vorsieht, also zu einem Zeitpunkt, da die Kosten der Unterbrechung für diese 3 Monate feststehen und Schlussrechnung zu legen ist.
Nur wenn ein Auftragnehmer bereits die Abrechnung nach § 6 Nr. 5 VOB/B vor der Kündigung gleich nach der Unterbrechung vornimmt, weil er vermutet, dass die Unterbrechung voraussichtlich längere Dauer haben wird, werden sich in dieser Abrechnung noch nicht sogleich die Kosten infolge der Leistungsunterbrechung finden können. Dem Auftragnehmer ist für einen solchen Fall zu empfehlen, einen entsprechenden Vorbehalt in die Abrechnung aufzunehmen. Rechtlich dürfte dies eigentlich entbehrlich sein, weil ein Vorbehalt weder von der VOB noch vom Gesetz gefordert wird und weil es sich nach zutreffender Rechtsauffassung dann ohnehin nur um eine Abschlagsrechnung handelt, die eben unter dem Vorbehalt der prüffähigen Schlussrechnung steht (ganz entsprechend Leinemann-Leinemann, VOB-Kommentar, § 6 Rdn. 61 und dem folgend Döring, a. a. O., § 6 Nr. 5 Rdn. 16).
Mehr Informationen unter www.tis-online.info
Autor:
Dr. Uwe Diehr
Rechtsanwalt
Leinen & Derichs Anwaltsozietät
Kurfürstenstr. 31
14467 Potsdam
Tel.: 0331/28999-0
Fax: 0331/28999-14
Mail: uwe.diehr@leinen-derichs.de
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