Das Recht des VOB-Vertrages. Teil 18/18: Streitigkeiten
10.04.2006
§ 18 VOB/B regelt gerichtliche und außergerichtliche Streitigkeiten aus VOB/B-Bauverträgen.
Nach § 18 Nr. 1 S. 1 VOB/B richtet sich die örtliche Zuständigkeit des Gerichts (Gerichtsstand) für Streitigkeiten aus dem Bauvertrag nach dem Sitz der für die Prozessvertretung des Auftraggebers zuständigen Stelle, wenn die Voraussetzungen für eine Gerichtsstandsvereinbarung nach § 38 ZPO vorliegen (Prorogationsbefugnis) und wenn nichts anderes vereinbart ist. Das gilt für Verträge mit öffentlichen und privaten Auftraggebern gleichermaßen [LG Rostock, BauR 1997, 696; OLG Stuttgart, BauR 1999, 683; OLG Frankfurt, BauR 1999, 789].
Ferner sind Privatpersonen unter den Voraussetzungen des § 38 Abs. 3 ZPO prorogationsbefugt, nämlich wenn eine Gerichtsstandsvereinbarung ausdrücklich und schriftlich nach Entstehen der Streitigkeit geschlossen wurde (§ 38 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) oder wenn entweder die im Klagewege in Anspruch zu nehmende Partei nach Vertragsschluss ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort außerhalb der Bundesrepublik verlegt oder dieser im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt ist (§ 38 Abs. 3 Nr. 2 ZPO).
§ 18 Nr. 2 VOB/B regelt ein Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung bei Meinungsverschiedenheiten aus Bauverträgen, bei denen eine Behörde Auftraggeber ist.
1. Schlichtungsverfahren (§ 18 Nr. 2 Abs. 1 VOB/B)
a) Anrufung der der auftraggebenden Stelle vorgesetzten Behörde (§ 18 Nr. 2 Abs. 1 S. 1 VOB/B)
Entstehen bei Bauverträgen mit Behörden Meinungsverschiedenheiten soll der Auftragnehmer die der auftraggebenden Stelle unmittelbar vorgesetzte Stelle anrufen, das heißt die Meinungsverschiedenheit und seine eigene Auffassung vortragen.
Die Anrufung ist formlos. Sie sollte aber zur besseren Information der übergeordneten Stelle der auftraggebenden Behörde und zur Hemmung der Verjährungsfrist des im Antrag geltend gemachten Anspruchs (vgl. § 18 Nr. 2 Abs. 2 S. 1 VOB/B) schriftlich formuliert werden. Eine Frist hierfür besteht nicht. Die Anrufung kann jederzeit nach Vertragsschluss bis zum Ende des Gewährleistungszeitraums erfolgen.
Die Anrufung der übergeordneten Stelle ist freiwillig. Ein rechtlicher Zwang hierfür besteht nicht, so dass der Auftragnehmer auch ohne Anrufung gleich ein gerichtliches Verfahren, beispielsweise durch Erhebung einer Zahlungsklage in Gang setzen kann.
Ruft der Auftragnehmer die vorgesetzte Stelle zur Klärung von Meinungsverschiedenheiten an, soll ihm gemäß § 18 Nr. 2 Abs. 1 S. 2 VOB/B von dort Gelegenheit zur mündlichen Aussprache gegeben werden. Die angerufene Stelle soll den Auftragnehmer möglichst innerhalb von zwei Monaten nach Anrufung schriftlich bescheiden. Der Bescheid muss dem Auftragnehmer nach § 130 ff. BGB zugehen.
Neben einer Antwort auf die zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber aufgetretenen Meinungsverschiedenheiten soll der schriftliche Bescheid auf die Rechtsfolge gemäß § 18 Nr. 2 Abs. 1 S. 3 VOB/B, nämlich auf die Anerkenntniswirkung des Unterlassens eines rechtzeitigen schriftlichen Einspruchs gegen den Bescheid hinweisen.
Will der Auftragnehmer die Entscheidung der dem Auftraggeber unmittelbar vorgesetzten Stelle nicht akzeptieren und gegen sich gelten lassen, muss er innerhalb von drei Monaten nach Eingang des Bescheides schriftlich Einspruch beim Auftraggeber erheben. Der Versuch zur Beilegung der Meinungsverschiedenheit ist dann folgenlos gescheitert.
Legt der Auftragnehmer keinen, keinen rechtzeitigen oder keinen schriftlichen Einspruch ein, obwohl er auf die Rechtsfolgen hingewiesen wurde, gilt die Entscheidung der vorgesetzten Stelle als vom Auftragnehmer anerkannt (§ 18 Nr. 2 Abs. 1 Satz 3 VOB/B). Die Entscheidung der vorgesetzten Stelle ist dann inhaltlich von den Parteien des Bauvertrages zu befolgen.
Mit Eingang der schriftlichen Anrufung bei der dem Auftraggeber vorgesetzten Stelle, ist der Lauf der Verjährung des im Antrag auf Durchführung des Schlichtungsverfahrens geltend gemachten Anspruchs (und auch nur dieses Anspruchs) gehemmt (§ 18 Nr. 2 Abs. 2 Satz 1 VOB/B). Die Hemmung endet drei Monate nach Zugang des schriftlichen Bescheides der vorgesetzten Behörde bzw. nach schriftlicher Mitteilung einer der Parteien, das Verfahren nicht weiter betreiben zu wollen (§ 18 Nr. 2 Abs. 2 Satz 2 VOB/B).
Gemäß § 18 Nr. 3 S. 1 1. Hs. VOB/B kann jede Partei des Bauvertrages bei Meinungsverschiedenheiten über die Eigenschaft von Stoffen und Bauteilen, für die allgemein gültige Prüfungsverfahren bestehen, und über die Zulässigkeit oder Zuverlässigkeit der bei der Prüfung verwendeten Maschinen oder angewendeten Prüfungsverfahren nach vorheriger Benachrichtigung der anderen Vertragspartei [BGH, ZfBR 1999, 85] die materialtechnische Untersuchung durch eine staatliche oder staatlich anerkannte Materialprüfungsstelle vornehmen lassen.
Welche Materialprüfungsstelle anzurufen ist, richtet sich nach den streitigen technischen Fragen. Über das Vorhandensein von staatlichen oder staatlich anerkannten Materialprüfungsstellen erteilen z.B. die zuständigen Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern Auskunft.
Die Durchführung der Untersuchung ist grundsätzlich freiwillig. Wird aber eine Klage auf einen von einer Materialprüfungsstelle zu begutachtenden Sachverhalt gestützt und wurde das Verfahren nach § 18 Nr. 3 VOB/B nicht durchgeführt, ist die Klage auf entsprechende Einrede des Prozessgegners [OLG Frankfurt, VersR 1982, 759] hin als zurzeit unbegründet abzuweisen [OLG Zweibrücken, BauR 1980, 482; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1986, 1061].
Gemäß § 18 Nr. 4 VOB/B ist der Auftragnehmer nicht berechtigt, bei Streitfällen die Arbeiten einzustellen. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der in § 18 Nr. 2 und 3 VOB/B geregelten Meinungsverschiedenheiten, sondern für sämtliche Streitigkeiten aus dem Bauvertrag zwischen den Bauvertragsparteien, es sei denn, dem Auftragnehmer steht ein Zurückbehaltungsrecht zu, zum Beispiel wenn der Auftraggeber zu Unrecht die geschuldete Vereinbarung eines neuen Preises gemäß § 2 Nr. 5 VOB/B verweigert [OLG Zweibrücken, BauR 1995, 291; OLG Düsseldorf, BauR 1995, 706; OLG Celle, BauR 1999, 262; OLG Düsseldorf, BauR 2002, 484.], oder der Auftragnehmer zur Arbeitseinstellung z.B. gemäß § 16 Nr. 5 Abs. 5 VOB/B wegen Zahlungsverzugs des Auftraggebers (vgl. Teil 16/18) berechtigt ist .
Die Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Bauvertrages, wonach der Gerichtsstand in keiner Beziehung zu einer Partei des Bauvertrages oder zum Bauvorhaben steht, ist unwirksam [OLG Köln, ZIP 1989, 1068; KG, BauR 2000, 1092]
Unwirksam gemäß § 305 c Abs. 1 BGB ist eine Gerichtsstandsklausel, wonach unabhängig von der Höhe des Streitwerts das örtlich zuständige Amtsgericht anzurufendes Gericht sein soll [Für das Gegenteil: LG Frankenthal, NJW 1997, 203].
Einen genaueren Überblick kann man sich in dem Nachschlagwerk Diehr/Knipper, Wirksame und unwirksame Klauseln im VOB-Vertrag, Vieweg 2003, verschaffen.
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der tis Tiefbau Ingenieurbau Straßenbau.
Mehr Informationen unter http://www.tis-online.info
Autor:
Dr. Uwe Diehr
Rechtsanwalt
Leinen & Derichs Anwaltsozietät
Kurfürstenstr. 31
14467 Potsdam
Tel.:+49 (0) 331 28999 - 0
Fax: +49 (0) 331 28999 - 14
E-Mail:uwe.diehr@leinen-derichs.de
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