Dezentrale Regenwasserbewirtschaftung

02.04.2007

Die Bewirtschaftung von Regenwasserabflüssen in Siedlungsgebieten ist ohne Zweifel ein sehr wichtiger Aspekt im Zusammenhang mit dem Wasser- und Stoffstrommanagement in urbanen Einzugsgebieten.

Die folgenden Zahlen verdeutlichen die Relevanz des Themas „Regenwasserbewirtschaftung“ in der Bundesrepublik Deutschland:
  • Die Länge aller öffentlichen Kanalisationen zur Ableitung von Niederschlagswasser (Misch- und Trennsystem) beträgt ca. 300.000 km [ATV, 1997]. Zuzüglich privater Entwässerungsleitungen und offener Gräben kann die Gesamtlänge der Entwässerungssysteme in Deutschland auf über 1 Millionen km geschätzt werden [SIEKER, 2001].
  • Der Anteil der Siedlungs- und Verkehrsfläche beträgt in Deutschland ca. 12.3% der Gesamtfläche. Davon sind knapp 50% oder ~2.2 Mill. ha versiegelt [BBR, 2001]. Die über Entwässerungssysteme erschlossene Fläche wird mit 5% der Gesamtfläche angenommen.
  • Der tägliche Flächenverbrauch in Deutschland beträgt lt. Umweltbundesamt derzeit ca. 130 ha. Es kann davon ausgegangen werden [BBR, 2001], dass ungefähr die Hälfte dieser Fläche versiegelt wird und somit auch entwässert werden muss. Dies hat natürlich auch Auswirkungen auf den Wasserhaushalt im Allgemeinen (langfristig und hinsichtlich seiner Dynamik) und die Grundwasserressourcen im Besonderen.
  • Mit mittleren Kosten von 25 € pro m2 [SIEKER, 2001] liegen allein die Kosten für die Entwässerung dieser neuversiegelten Flächen bei jährlich ca. 6 Milliarden €. Die nötigen Investitionen für die nächsten Jahrzehnte nur zur Sanierung der öffentlichen Kanalsysteme werden von der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (ATV-DVWK) mit rund 100 Milliarden DM angegeben (Kanalstatistik der ATV von 1997). Ein Großteil dieser Kosten ist der Niederschlagswasserableitung zuzurechnen.
  • Über Trennsysteme und Mischwasserentlastungen werden mittlerweile (zumindest für einige Stoffparameter) deutlich mehr Frachten in die Gewässer eingetragen als über die Abläufe von kommunalen Kläranlagen. Eine überschlägige Berechnung verdeutlicht dies:
Gesamtniederschlagsmenge in Deutschland 500mm/a
Versiegelte und kanalisierte Fläche 17.500 km2
Niederschalgswassereinleitungen 8.75 109 m3
Schmutzwasseranfall (80 Mill. EW, 130 l/ (E d) 3.80 109 m3
Anteile an Einleitungen Einleitungsmenge
[m3]
mittl. Konz.
[mgCSB/l]
Fracht
[tCSB/a]
Trennsysteme (Anteil 40 %) 3.5 109 801 280.000
Mischsystem (Anteil 60%), davon) 5.3 109   495.000
Mischwasserentlastungen (e0= 30%) 1.6 109 1401 220.000
Regenwasserentlastungen KA (1-e0= 70%) 3.7 109 752 275.000
Summe Niederschlagsbedingte Einleitungen 8.75 109   775.000
Häuslicher Schmutzwasseranteil KA 3.80 109 752 285.000
1Quelle: Brombach/ Fuchs [2002], 2zulässiger wert gemäß AbwV
Bezogen auf den Parameter CSB werden damit gemäß der o.a. überschlägigen Berechnung ca. die 2.7-fachen Frachten niederschlagsbedingt im Vergleich zum Anteil häuslicher Abwässer am Kläranlagenablauf eingetragen. Bezogen auf Nährstoffe (N,P) fällt dieser Vergleich zwar geringer aus [BEHRENDT et.al., 1999], dafür dürfte er aber bezüglich Schwermetalle noch deutlicher sein.
Die genannten Größenordnungen zeigen, dass sowohl die wasserwirtschaftlichen Auswirkungen als auch finanzielle Gründe dafür sprechen, sich eingehend mit der Bewirtschaftung von Regenwasserabflüssen in Siedlungsgebieten zu befassen.
2 Regenwasserbewirtschaftung
Maßnahmen der naturnahen Regenwasserbewirtschaftung, insbesondere Versickerungsanlagen und Mulden-Rigolen-Systeme, haben sich in den letzten Jahren in der bundesdeutschen Siedlungswasserwirtschaft etabliert.
Die Erfahrungen aus zahlreichen Modellprojekten haben zu einem erheblichen Wissenszuwachs hinsichtlich Bau und Betrieb sowie der wasserwirtschaftlichen Wirkungen geführt (SIEKER et. al. 2002). Für einen Teil der Maßnahmen existieren bereits allgemein anerkannte Regeln der Technik (ATV A138, 2001). Die positive Wirkung dieser Maßnahmen auf Wasserhaushalt und Stoffeinträge in die Gewässer ist allgemein akzeptiert. Auch die ökonomischen Vorteile sind vielfach untersucht und belegt worden (SIEKER et. al., 1999).

1996 wurde mit dem Einführung des §51a in das Landeswassergesetz Nordrhein-Westfalen die Regenwasserversickerung für neu versiegelte Flächen auch rechtlich implementiert. Andere Bundesländer (z.B. Baden-Württemberg, Berlin) haben in den darauf folgenden Jahren nachgezogen. Die Regenwasserversickerung wurde dabei nicht nur für gleichwertig, sondern zur Vorzugslösung erklärt.
Dieser Trend ist im übrigen nicht auf Deutschland begrenzt. Auch in anderen Ländern (z.B. USA, Niederlände) werden unter dem Stichwort "Stormwater Management" zunehmend alternative Strategien im Umgang mit dem Regenwasser verfolgt (MARASALEK et. al. 2001).
Für Neubauplanungen wird die naturnahe Regenwasserbewirtschaftung zukünftig das Standardverfahren sein. Aber auch die Umsetzung im Siedlungsbestand wird zunehmend diskutiert (LEINWEBER, SCHMITT, 2001). Insbesondere in Mischsystemen bringt die Abkopplung von bisher an die Kanalisation angeschlossener Flächen, technisch umgesetzt durch Regenwasserbewirtschaftungsmaßnahmen auf Grundstücken oder im Straßenbereich, gleich mehrere Vorteile:
  • Mischwasserentlastungen werden in Menge und Häufigkeit reduziert. Der Effekt ist dabei deutlich überproportional, d.h. die Abkopplung von z.B. 10% der Fläche kann die entlastete CSB-Jahresfracht durchaus um z.B. 30% verringern (SIEKER H., 2000).
  • Die Mischwasserkanäle werden hydraulisch entlastet, so dass u.U. Sanierungen überflüssig oder alternative Sanierungsverfahren (Inliner) erst möglich werden. In Sammlern mit hydraulisch ausreichende Kapazität können Stauraumpotentiale geschaffen werden.
  • Die Kläranlage wird hydraulisch entlastet. Nachteilige Effekte durch zu "dünnes" oder auch zu "kaltes" Mischwasser werden vermindert.
Dass eine Umsetzung im Siedlungsbestand in gewissem Umfang möglich ist, zeigen zahlreiche Modellprojekte z.B. bei der Emschergenossenschaft. Selbstverständlich müssen dafür einige Voraussetzungen erfüllt sein. So muss z.B. für Versickerungsanlagen eine entsprechende Fläche verfügbar sein, für nachträgliche Dachbegrünungen muss die Statik geprüft werden, etc.
Neben den bautechnischen Voraussetzungen stellen auch rechtliche und ökonomische Faktoren ein wichtiges Kriterium dar, ob Maßnahmen im Bestand umsetzbar sind oder nicht. Dass z.B. die gesplittete Abwassergebühr ein wichtiger Anreiz ist, verdeutlich die nachfolgende Pressemitteilung des bayerischen Landesamtes für Wasserwirtschaft vom 10.10.2000:

„...Die Landeshauptstadt München unterstützt diese wasserwirtschaftlichen Ziele bereits seit langem durch die Aufteilung der Entwässerungsgebühr in Schmutzwasser- und Niederschlagswassergebühren. Die MünchnerInnen können durch die Entsiegelung von Flächen sowie durch die Versickerung von unverschmutztem Regenwasser vor Ort sparen. Und sie tun es auch! So gehen die versiegelten, an das Kanalnetz angeschlossenen Flächen jährlich um mehr als 1 %, das sind ca. 300.000 Quadratmeter, zurück. ...”
3 Ausgewählte Technische Lösungen
3.1 Versickerungsanlagen

Ein Beispiel für die Realisierung von Maßnahmen zur dezentralen Bewirtschaftung auch in Innenstadtbereichen ist die Rummelsburger Bucht in Berlin. In diesem Neubaugebieten von 130 ha wird ein großer Teil der Niederschlagsabflüsse von den versiegelten Flächen mit:
  • Versickerungsmulden
  • unvernetzten Mulden-Rigolen-Elementen
  • vernetzten Mulden-Rigolen-Systemen
  • gedichteten Mulden-Rigolen-Systemen
     
weitgehend gereinigt und anschließend versickert. Die gedichteten Mulden-Rigolen-Systeme kommen in Straßen mit höherer Verkehrs- und damit Schmutzbelastung zum Einsatz.
3.2 Mulden-Rigolen-Systeme

Abbildung 5 zeigt ein straßenbegleitendes Mulden-Rigolen-System aus dem Gewerbegebiet Dahlwitz-Hoppegarten bei Berlin (linkes Bild) sowie den Auslauf in den Vorfluter, an den ca. 80 ha (!) versiegelte Fläche angeschlossen sind.

Interessant bei diesem Projekt ist, dass die Unterhaltung der Anlagen ausgeschrieben und an ein privates Unternehmen vergeben wurde. Es liegen deshalb umfangreiche und detaillierte Erfahrungen über die Unterhaltungskosten vor. [PANNING & SIEKER, 2002].
3.3    Innodrain®
In städtischen Gebieten ist die für Versickerungsanlagen zur Verfügung stehende Flächen oft begrenzt. Beim Innodrain-System werden deshalb die Versickerungsmulden durch Beton-Rahmen-Elemente, sogenannte Tiefbeete, eingefasst (Abbildung 6). Die sonst üblichen Kiesrigolen werden durch Kunststofffüllkörper ersetzt. Hierdurch kann der Flächenbedarf bei gleicher Überstauhäufigkeit halbiert werden. Die wechselseitige Anordnung im Straßenraum ermöglich außerdem einen verkehrsberuhigenden Effekt (Abbildung 7).
4 Ausgeglichene Wasserbilanzen als Planungsziel
4.1 Wasserbilanzen für Regenwasserbewirtschaftungsmaßnahmen

Jede Form der Entwässerung hat zwangsläufig einen Einfluss auf den Wasserhaushalt eines Gebietes. Um einen groben Überblick über die Wirkung zu bekommen, werden in Abbildung 8 verschiedene Regenwasserbewirtschaftungsmaßnahmen vergleichend gegenüber gestellt.
Für den in Abbildung 8 dargestellten Vergleich wurden Maßnahmen unter typischen Bedingungen für eine voll versiegelte Einheitsfläche bemessen und Langzeitsimulationen durchgeführt. Die Bilanz zeigt die Aufteilung der jeweiligen Zuflüsse zu der Maßnahme.

Im konkreten Einzelfall können die Bilanzen hiervon erheblich abweichen. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass natürlich auch in Siedlungsgebieten durchlässige Flächen vorhanden sind und auch auf versiegelten Flächen der Niederschlag nicht voll zum Abfluss kommt. Die beiden nachfolgenden Abbildungen zeigen deshalb reale Wasserbilanzen für zwei typische Entwässerungsgebiete. Dargestellt sind jeweils der unbebaute Zustand, eine konventionelle Entwässerung und eine Variante der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung.

Abbildung 9 zeigt die langjährige Wasserbilanz für ein Gewerbegebiet in der Nähe von Berlin. Das Gebiet hat eine Größe von 100 ha und ist zu 80% versiegelt. Der Boden ist durch stark lehmigen Geschiebemergel mit kf-Werten um 10-7 m/s charakterisiert. Die Säule "dez. RWBewirtschaftung" stellt die realisierte Variante dar: ein Mulden-Rigolen-System sowohl für private Grundstücke als auch für Straßenabflüsse. Die Anlagen sind seit ca. 1995 in Betrieb. Das für die Modellierung der Wasserbilanzen verwendete N-A-Modell wurde an Messungen kalibriert [PANNING, 2002].
Als zweites Beispiel zeigt Abbildung 10 die langjährige Wasserbilanz für das Gelände eines Krankenhauses in Berlin. Das Gebiet wurde früher konventionell im Mischsystem entwässert und 1999 im Zuge einer Sanierung mittels Mulden-Rigolen-Systemen vom Kanal abgekoppelt. Auch hier steht stark lehmiger Geschiebemergel an.
Beide Abbildungen verdeutlichen, wie sich durch Maßnahmen der dezentralen Regenwasser­bewirtschaftung die Wasserbilanzen dem unbebauten Zustand annähern lassen.

4.2 Die langjährige Wasserbilanz als Zielgröße für Planungen
Traditionellerweise werden Entwässerungsmaßnahmen in erster Linie auf die Zielgröße Entwässerungssicherheit (Überstauhäufigkeit, Verkraften eines Bemessungsregens) hin bemessen. Im Mischsystem stellt weiterhin die Zielgröße "stoffliche Belastung des Gewässers" eine maßgebende Bemessungsgröße dar, im Trennsystem ist dies dagegen immer noch die Ausnahme. Weiterhin spielt die Zielgröße hydraulischer Stress (Beschränkung der zulässigen Abflussspitze) in jüngster Zeit eine zunehmende Rolle in Genehmigungsverfahren.

Der Wasserhaushalt eines Gebietes hat dagegen in der Planungspraxis so gut wie keine Bedeutung. Im Wasserhaushaltsgesetz spielt der Wasserhaushalt dagegen eine wichtige Rolle:

WHG §1a, (2): Jedermann ist verpflichtet, bei Maßnahmen, mit denen Einwirkungen auf ein Gewässer verbunden sein können, die nach den Umständen erforderliche Sorgfalt anzuwenden, um eine Verunreinigung des Wassers oder eine sonstige nachteilige Veränderung seiner Eigenschaften zu verhüten, um eine mit Rücksicht auf den Wasserhaushalt gebotene sparsame Verwendung des Wassers zu erzielen, um die Leistungsfähigkeit des Wasserhaushalts zu erhalten und um eine Vergrößerung und Beschleunigung des Wasserabflusses zu vermeiden. Die unterstrichenen Passagen wurden 1996 neu eingefügt.
Eine Aufrechterhaltung des natürlichen Wasserhaushaltes wird also von Politik und Gesellschaft als erstrebenswert angesehen. Maßgebende Zielgrößen für die Planung von Entwässerungsanlagen müssten sich eigentlich an diesem vorgegeben Leitbild orientieren.

Für die Neuformulierung der Abwasserverordnung wird deshalb die Aufnahme folgender Anforderung vorgeschlagen [SIEKER et. al., 2002]:
Der Wasserhaushalt des Einzugsgebietes soll durch die siedlungswasserwirtschaftlichen Maßnahmen, für die eine Erlaubnis beantragt wird, möglichst wenig gegenüber dem natürlichen Wasserhaushalt verändert werden. Eine tolerierbare Veränderung des Wasserhaushaltes ist dann als gegeben anzunehmen, wenn die Einzelkomponenten Abfluss und Versickerung der langjährigen mittleren Wasserbilanz des Einzugsgebietes um nicht mehr als 10 Prozentpunkte vom natürlichen Zustand abweichen. Der Anteil der Verdunstung darf dementsprechend um nicht mehr als 20 Prozentpunkte vom natürlichen Zustand abweichen.
Die Wasserbilanz als Kriterium einzuführen, hat deutliche Vorteile gegenüber dem Versickerungsgebot, wie es z.B. in NRW (LWG § 51a) oder auch in Baden-Württemberg besteht. Diese Paragraphen schreiben bestimmte Techniken (nämlich Versickerungsanlagen) vor und lassen dabei örtlichen Bedingungen, insbesondere die Bodenverhältnisse, außer Acht. Wie bereits erwähnt, bezieht sich dieser Vorschlag nur auf Neubaugebiete.

Die Berechnung der Wasserbilanzen für ein Einzugsgebiet im natürlichen bzw. im bebauten Zustand kann relativ einfach erfolgen. Im "Hydrologischen Atlas" von Deutschland, herausgegeben vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, finden sich flächendetaillierte Angaben sowohl über die mittlere jährliche Niederschlagshöhe als auch über die potentielle Verdunstung. Erforderliche Daten über die Bodenbeschaffenheit liegen flächendeckend bei den Landesämtern vor, so dass eine Berechnung der natürlichen Wasserbilanz mit einfachen Methoden (Handrechenverfahren, Tabellenkalkulation) möglich ist.
Die Wasserbilanz für bebaute Gebiete kann ebenfalls in Abhängigkeit des Versiegelungsgrades, der Versiegelungsart und der Art der Siedlungsentwässerung einfach ermittelt werden. Alternativ können natürlich auch Wasserhaushaltsmodelle angewendet werden. Deren Anwendung ist heute gängige Praxis und entspricht dem Stand der Technik.
4.3 Qualitative Beeinflussung des Grundwasserkörpers
Selbstverständlich darf bei einer Bewertung einer Regenwasserbewirtschaftungsmaßnahme nicht nur die quantitative Wirkung auf den Wasserhaushalt gesehen werden. Auch stoffliche Aspekte insbesondere der Schutz der Trinkwasserressourcen aber auch der Gewässerschutz müssen berücksichtigt werden.
Durch die Wahl einer Maßnahme können Stoffströme gelenkt werden. In der konventionellen Entwässerung über Misch- oder Trennsysteme werden die im Regenwasserabfluss befindlichen Schadstoffe zu einem großen Teil in die Gewässer eingetragen (s. Einleitung).
Das Grundwasser wird dagegen zumindest am Ort der Abflussentstehung geschützt. Allerdings kann es an den Stellen, wo Gewässer und Grundwasser wieder in Berührung kommen, durchaus auch zu einem Eintrag niederschlagsbedingter Schadstoffe in das Grundwasser kommen. In Berlin ist dieser Stoffpfad aufgrund der Lage im eiszeitlichen Urstromtal durchaus zu vermuten, allerdings nach Kenntnis des Autors bislang noch nicht quantifiziert worden.

Bei der Regenwasserversickerung findet dagegen kein direkter Eintrag in Oberflächengewässer statt, darauf werden die Anlagen bemessen. Die im Zufluss vorhandenen Schadstoffe müssen somit in der Anlage entweder akkumuliert, abgebaut oder über das Sickerwasser in das Grundwasser eingetragen werden. Diese Prozesse sind in der Vergangenheit in zahlreichen Forschungsprojekten eingehend untersucht worden.

Der Eintrag von Schadstoffen in das Grundwasser muss möglichst weitgehend vermieden werden. Wie in jedem wasserwirtschaftlichen Prozess gibt es aber auch keine 100%-ige Lösung. Bislang war es in der Praxis oft schwierig, hier einen Kompromiss zwischen Grundwasser- und Oberflächengewässerschutz zu erzielen. Insbesondere unter Berücksichtigung des Stoffpfades Kanal_Oberflächengewässer_Exfiltration_Grundwasser führte der absolute Stellenwert des Grundwasserschutzes teilweise zu skurrilen Ergebnissen.

Mit der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung von 1999 existieren erstmals rechtlich verbindliche Prüfwerte für die Zulässigkeit von Inhaltsstoffen des Regenwassers bei Einleitung in das Grundwasser [BBodSchV, 1999]. Zu betonen ist dabei, das die Richtwerte für den Boden in einer Versickerungsanlage selbst nicht zur Anwendung kommen sollten, da es sich hierbei um eine technische Anlage handelt. Auch für den Boden in einer Pflanzenkläranlage oder in einem Retentionsbodenfilter würde man die Bodenschutzverordnung nicht heranziehen.

Die Werte der BBodSchV werden in aller Regel eine Behandlung der Regenabflüsse erfordern. Als Reinigungsmaßnahme kommt insbesondere die Versickerung durch eine belebte und begrünte Oberbodenschicht von mindestens 20 cm Mächtigkeit in Betracht. Bezüglich der Korngrößenverteilung und der mittleren Durchlässigkeit dieser Schicht ist der Stand der Technik zu beachten. Prinzipiell sind aber auch andere Verfahren wie z.B. spezielle Filter möglich. Die Regenabflüsse hoch belasteter Herkunftsflächen sind in der Regel von der Einleitung in das Grundwasser auszuschließen und einer gesonderten Behandlung zuzuführen. Dazu zählen z.B. Dachflächen mit hohem Metallanteil oder Straßen mit besonders hohem Verkehrsaufkommen.
5 Integrierte Planung der Regenwasserbewirtschaftung
In Kapitel 3 wurden drei ausgewählte technische Lösungen zur Regenwasserbewirtschaftung vorgestellt. Ein Blick in die Literatur zeigt, dass die prinzipiell möglichen Maßnahmen zur Regenwasser­bewirtschaftung jedoch noch deutlich vielseitiger sind. Und selbst wenn nach wie vor auf diesem Gebiet viel geforscht und neu entwickelt wird, so können viele dieser Maßnahmen heute als technisch ausgereift angesehen werden.
Ein weiterer Blick in die Literatur zeigt auch, dass für die meisten Maßnahmen bereits Bemessungsregeln existieren (ATV-Regeln, DIN-Normen, etc.).
Die Herausforderung für den Planer stellt also weniger die ingenieurtechnische Planung der einzelnen Maßnahme dar, als vielmehr die Auswahl einer adäquaten Lösung für ein (lokal )spezifisches Problem.
Diese Planungsaufgabe ist anspruchsvoll, da die Wirkungen verschiedener Alternativen (oft Maßnahmenkombinationen) im Hinblick auf verschiedene Zielgrößen ermittelt und bewertet werden müssen. Dies erfordert nicht nur den Einsatz von Modellen sondern auch von Bewertungsverfahren, ein Werkzeug, dass bisher in der Siedlungswasserwirtschaft eher ungebräuchlich ist. Dass die einzelnen Maßnahmen sehr unterschiedlich auf die Zielgrößen wirken ist offensichtlich (Beispiele s. Abschnitt 3). Gerade deshalb sollten sich Planungen nicht nur an einer Zielgröße orientieren.
Gerade im Rahmen übergeordneter Planungen (Generalentwässerungsplan, Abwasserbeseitigungspläne, etc.) wird dieser "integrale" Planungsansatz sicherlich zukünftig der Stand der Technik sein. Das neue Merkblatt M153 der ATV geht bereits diesen Weg. Auch wenn dass dort aufgeführte Punktesystem relativ einfach ist, so unterscheidet sich der dort gewählte Ansatz doch gravierenden von bisherigen Arbeitsblättern.
Auch auf der gesetzgeberischen Seite laufen entsprechende Entwicklungen. Im Umweltbundesamt wird derzeit untersucht, ob die Abwasserverordnung, die den Stand der Technik für Anforderungen an die Einleitung in Gewässer gemäß §7a WHG festlegt, um einen Abschnitt "Regenwasser" erweitert werden sollte. Ganz im Sinne anderer Umweltvorschriften (Luftreinhaltung, Grenzwerte für Kläranlagenabläufe) soll hier nicht mehr ein Verfahren vorzugeschrieben werden, sondern vielmehr sollen "nur" die Anforderungen (für Neuplanungen) definiert werden. Prinzipiell ist dann jede Maßnahme, mit der die entsprechenden Anforderungen eingehalten werden, auch genehmigungsfähig.
Im Rahmen eines FuE-Vorhabens wurden Vorschläge erarbeitet, wie derartige Anforderungen aussehen könnten [SIEKER et. al., 2002]. Enthalten ist, neben Vorschlägen für mögliche Anforderungen an die Retention und die Behandlung von Niederschlagswasser, auch ein Ansatz, der den Wasserhaushalt und damit auch die Grundwasserbewirtschaftung einbezieht.
6 Fazit
Die genannten Beispiele zeigen, dass durch Maßnahmen der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung eine weitgehende Annäherung an den natürlichen Wasserhaushalt möglich ist. Die dafür benötigen Systeme sind technisch ausgereift und einsatzbereit. Um einen positiven Effekt für die Grundwasserbewirtschaftung zu erzielen, ist eine großflächige Anwendung erforderlich. Dafür müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Ein möglicher Ansatz ist die Berücksichtigung der Wasserbilanz als Zielgröße bei Entwässerungsplanungen.
7 Literatur
ATV [1997]: Kanalstatistik der ATV, Veröffentlichung der Abwassertechnischen Vereinigung ATV im Internet, www.atv.de.

BBodSchG (1998): "Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (Bundes-Bodenschutzgesetz - BBodSchG)", Deutscher Taschenbuchverlag, S. 208.

BBodSchV (1999): "Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV)", Deutscher Taschenbuchverlag, S. 223.

BBR [2001]: Siedlungs- und Verkehrsflächenzunahme 1997-1999 nach Landesteilen, Veröffentlichung der Bundesanstalt für Bauwesen und Raumordnung im Internet, www.bbr.bund.de.

BEHRENDT, H., HUBER, P., OPITZ, D., SCHMOLL, O., SCHOLZ, G., & UEBE, R., (1999): Nährstoff-bilanzierungen der Flussgebiete Deutschlands, Texte des Umweltbundesamtes, 75/99.

IPS [1999]: Programmbeschreibung STORM Version 2000, Ingenieurgesellschaft Prof. Dr. Sieker mbH, Dahlwitz-Hoppegarten.

LIENHARD [2003]: Erfahrungen beim Einsatz von Versickerungstechnischen Systemen aus Beton, Atv-Regenwassertage

PANNING F., SIEKER H. [2002]: Regenwasserbewirtschaftung Im Gewerbegebiet Dahlwitz-Hoppegarten, Abschlussbericht zu einem FuE Vorhaben des Umweltbundesamtes

PECHER R. [1992]: Abwassergebühr Quo Vadis?, Korrespondenz Abwasser 5/92.

SIEKER H. [2001]: Generelle Planung der Regenwasserbewirtschaftung in Siedlungsgebieten, Mitteilungen Institut für Wasserwirtschaft, Technische Universität Darmstadt, Heft 116

SIEKER F:, GROTTKER M., SIEKER H., SOMMER H., WASSMANN H. [2002]: Regenwasserbehandlung und –bewirtschaftung unter Berücksichtigung der Anforderungen nach §7a WHG und einer möglichst ortsnahen Versickerung, Abschlussbericht zum FuE‑Vorhaben FKZ: 298 26 516, gefördert durch das Umweltbundesamt Berlin, Veröffentlichung in Vorbereitung
 

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