Über die Vergabe öffentlicher Aufträge

25.09.2012

Das Vergaberecht ist für öffentliche Auftraggeber, aber auch für alle an diesen Aufträgen interessierten Unternehmen von großer Bedeutung. Nicht nur die Bekanntmachung und Ausschreibung von Aufträgen durch die Vergabestellen sind an genaue gesetzliche Vorgaben gebunden, auch die Abgabe von Angeboten unterliegt bestimmten Regelungen.

I. Einleitung

Die öffentliche Hand als Auftraggeber ist bei der Wahl des Vergabeverfahrens nicht frei. Vielmehr richtet sich die Ausschreibung nach den rechtlichen Vorgaben. Vom Vergabeverfahren wiederum hängen die Bedingungen ab, welche die Unternehmen bei der Bewerbung um einen Auftrag zu berücksichtigen haben. So können Angebote schon aus formellen Gründen scheitern, obwohl sie möglicherweise den wirtschaftlichsten Vorschlag darstellen.
 
Im Folgenden sollen zunächst die wesentlichen Grundlagen des Vergaberechts dargestellt werden. Anschließend werden die verschiedenen Vergabeverfahren auf nationaler sowie auf europäischer Ebene erläutert und die Unterschiede aufgezeigt.
 
Das System des Vergaberechts (Quelle: Knowledge Factory GmbH)

II. Rechtsgrundlagen

Die Vergabe öffentlicher Aufträge ist gesetzlich umfassend geregelt. Dabei ist nicht nur das deutsche Recht zu berücksichtigen, sondern auch eine Vielzahl an europäischen Vorgaben: Ab einem bestimmten Auftragsvolumen ist die EU-weite Ausschreibung verpflichtend. Die jeweils im Einzelfall anzuwendenden Vorschriften richten sich daher nach dem Wert des zu vergebenden Auftrags. Die so genannten Schwellenwerte sind in § 2 der Vergabeverordnung (VgV) festgelegt:
  • Liefer- und Dienstleistungsaufträge der Bundesstellen: 130.000 €
  • Liefer- und Dienstleistungsaufträger aller anderen öffentlichen Auftragsgeber: 200.000 €
  • Bauaufträge: 5.000.000 €
 
Liegt der Wert über diesen Beträgen, ist der Auftrag nach den Vorgaben aus dem Europarecht zu vergeben. Darunter erfolgt die Vergabe nach rein nationalen Vorschriften.
 
Bei Nichterreichen der Schwellenwerte aus § 2 VgV erfolgt die Vergabe nach folgenden, rein nationalen Vorschriften:
  • Vergabeordnungen (VOB/A für Bauleistungen, VOL/A für sonstige Leistungen, VOF für freiberufliche Leistungen)
  • die Haushaltsordnungen von Bund (insbesondere § 55 BHO) und Ländern
  • landes-/kommunalrechtliche Vergaberegelungen
 
Ist ein Auftrag nach europäischem Wettbewerbsrecht zu vergeben, so sind dagegen folgende Rechtsgrundlagen zu beachten:
  • §§ 97 - 129 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
  • Vergabeverordung (VgV)
  • Vergabeordnungen (VOL/A, VOB/A, VOF)
  • die Haushaltsordnungen von Bund (insbesondere § 55 BHO) und Ländern
  • allgemeine europäische Grundsätze und EU-Richtlinien
 
Die Vorschriften aus dem deutschen Recht setzen dabei weitgehend die europäischen Vorgaben um.
 

III. Die Grundsätze des Vergaberechts

Die allgemeinen Grundsätze des Vergaberechts finden sich in § 97 GWB wieder (Quelle: Knowledge Factory GmbH)
Während das Vergaberecht früher vor allem die Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der öffentlichen Hand bezweckte, stehen mittlerweile auch die Wettbewerbsfreiheit und die Korruptionsbekämpfung auf gleicher Ebene. Vor allem die europäische Integration ist für den Wandel des Vergaberechts von einem reinen Haushaltsrecht hin zu einem Wettbewerbsrecht verantwortlich: Im Fokus des Europarechts stehen der diskriminierungsfreie Marktzugang für europäische Unternehmen und der Schutz des Wettbewerbs.
 
Diese Grundsätze finden sich in europäischen Richtlinien1 sowie im deutschen Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (§ 97 GWB) wieder, das weitgehend die Umsetzung dieser Richtlinien darstellt. Demnach soll das Vergaberecht den Wettbewerb fördern und für Transparenz bei der Auftragsvergabe sorgen, die Gleichbehandlung der europäischen Unternehmen sichern sowie mittelständische Interessen berücksichtigen. Gleichzeitig sollen Aufträge nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten und nur an geeignete Bieter vergeben werden.
 

IV. Die verschiedenen Arten des Vergabeverfahrens

Die Vergabe öffentlicher Aufträge kann in unterschiedlichen Verfahren erfolgen. Dabei sind auf nationaler und europäischer Ebene drei bzw. vier verschiedene Vergabeverfahren vorgesehen:
 
Deutsches Recht
(unterhalb der Schwellenwerte)
Europarecht
(oberhalb der Schwellenwerte)
Öffentliche Ausschreibung Offenes Verfahren
Beschränkte Ausschreibung Nicht offenes Verfahren
Freihändige Vergabe Verhandlungsverfahren
  Wettbewerblicher Dialog
 
Die Verfahren auf deutscher und europäischer Ebene unterscheiden sich zwar in der Bezeichnung, sind inhaltlich aber weitgehend identisch. Im Folgenden werden daher zunächst die Verfahren nach dem deutschen Recht erläutert, anschließend werden die wesentlichen Unterschiede im Vergaberecht auf europäischer Ebene dargestellt.
 

1. Vergabeverfahren auf nationaler Ebene

Der öffentliche Auftragsgeber ist bei der Wahl des Vergabeverfahrens nicht frei. Der Auftragswert bestimmt neben dem anwendbaren Recht auch das zu wählende Vergabeverfahren. Die Öffentliche Ausschreibung ist als Regelverfahren vorgesehen (vgl. § 3 Abs. 2 VOB/A, § 3 Abs. 2 VOL/A). Nur unter bestimmten Umständen ist eine Vergabe durch Beschränkte Ausschreibung oder im Freihändigen Verfahren zulässig – insbesondere dann, wenn ein Missverhältnis zwischen Auftragswert und Ausschreibungsaufwand besteht.
 
Während jedoch § 2 VgV präzise zwischen nationaler und europaweiter Ausschreibung abgrenzt, existieren auf nationaler Ebene nur für die Vergabe von Bauleistungen (bundes-)gesetzlich einheitlich definierte Schwellenwerte. Für die Vergabe sonstiger Leistungen sind keine einheitlichen Grenzen festgelegt, vielmehr können die Wertgrenzen durch die Landesregierungen festgelegt werden. So ist die Freihändige Vergabe je nach Bundesland bis zu einem Auftragswert zwischen 10.000.- € und 100.000,- € und die Beschränkte Ausschreibung bei Bauleistungen bis zu 1.000.000,- €, bei sonstigen Leistungen bis 100.000,- € zulässig.2
 
Weitere Abweichungen von der Öffentlichen Ausschreibung sind in § 3 Abs. 2 bis 5 VOB/A bzw. § 3 Abs. 2 bis 4 VOL/A geregelt. So etwa, wenn feststeht, dass nur eine begrenzte Zahl an Bietern in Betracht kommt.
 
Der Ablauf einer Öffentlichen Ausschreibung (Quelle: Knowledge Factory GmbH)
a) Die Öffentliche Ausschreibung
Bei der Öffentlichen Ausschreibung wird eine unbeschränkte Anzahl an Unternehmen aufgefordert, sich um einen Auftrag zu bewerben. Alle interessierten Bieter sollen also die Möglichkeit erhalten, ein Angebot abzugeben. Eine vorherige Begrenzung des Bieterkreises ist demnach nicht zulässig. Die Prüfung und Wertung der innerhalb der Frist eingehenden Angebote erfolgt in vier Schritten.
 
Zunächst werden die Angebote vom weiteren Verfahren ausgeschlossen, die den formellen Anforderungen nicht entsprechen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein Angebot nicht alle geforderten Nachweise enthält, nicht innerhalb der vorgegeben Frist abgegeben wird oder wenn sich ein Unternehmen von vornherein als ungeeignet erweist, etwa weil das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.
 
Bei der Prüfung der Bietereignung wird festgestellt, ob die Unternehmen die gesetzlichen Anforderungen erfüllen. Dabei müssen die Bieter sich als fachkundig, leistungsfähig und zuverlässig erweisen (vgl. § 16 Abs. 2 Nr. 1 VOB/A, § 5 VOL/A).
 
Die verbleibenden Angebote werden auf ihre rechnerische, technische und wirtschaftliche Richtigkeit geprüft. Dabei wird festgestellt, ob die im Angebot genannten Preise, Zwischensummen und Gesamtsummen rechnerisch nachvollziehbar sind. Außerdem werden die Angebote in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht geprüft.
 
Im Rahmen der wirtschaftlichen Wertung wird geprüft, ob ein Angebot angemessen ist oder ob es in einem auffälligen Missverhältnis zur Leistung steht – unangemessen hohe oder niedrige Angebote dürfen den Zuschlag nicht erhalten (vgl. § 16 Abs. 6 Nr. 1 VOB/A, § 16 Abs. 6 VOL/A). Erscheint ein Angebot als außergewöhnlich niedrig, hat sich die Vergabestelle mit dem Bieter (schriftlich) in Verbindung zu setzen, um Aufklärung zu verlangen.
 
Abschließend trifft der Aufraggeber die Vergabeentscheidung und erteilt den Zuschlag an das wirtschaftlichste Angebot. Dabei soll der niedrigste Angebotspreis nicht entscheidend sein, vielmehr sind auch Kriterien wie die Qualität, die Ästhetik, die Umwelteigenschaften oder Betriebs- und Folgekosten zu berücksichtigen (vgl. § 16 Abs. 6 Nr. 3 VOB/A, § 16 Abs. 8 VOL/A). Allerdings kann auch die Aufhebung der Ausschreibung erfolgen, wenn kein geeignetes oder wirtschaftliches Angebot eingegangen ist, die Vergabeunterlagen grundlegend geändert werden müssen oder sonstige schwerwiegende Gründe vorliegen (vgl. § 17 VOB/A, § 17 VOL/A). In diesem Fall ist jeder Bieter unverzüglich über die Aufhebung zu informieren und ggf. auf ein neues Vergabeverfahren hinzuweisen.
 
Die Grafik zeigt den Ablauf einer Beschränkten Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb (Quelle: Knowledge Factory GmbH)
b) Die Beschränkte Ausschreibung
Bei einer Beschränkten Ausschreibung fordert der Auftraggeber nur einen bestimmten Bieterkreis zur Abgabe von Angeboten auf. Dabei kann die Vergabe mit oder ohne vorherigen Teilnahmewettbewerb erfolgen.
 
Beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb
Voraussetzung für die Beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb ist, dass für den Auftrag nur eine begrenzte Zahl an Unternehmen in Betracht kommt, etwa weil besondere Fachkunde oder Leistungsfähigkeit gefordert sind. Außerdem ist der im jeweiligen Bundesland geltende Grenzwert zu beachten (s. o.).
 
Beispiel: Ein öffentlicher Auftraggeber plant ein bestimmtes Bauvorhaben. Nach hinreichender Recherche kommt die Vergabestelle zu dem Ergebnis, dass bundesweit nur 13 Unternehmen über die technischen und fachlichen Voraussetzungen verfügen, den Auftrag auszuführen. Somit ist eine Beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb zulässig.
 
In diesem Verfahren können sich zunächst alle interessierten Unternehmen beim Auftraggeber bewerben. Dieser ermittelt dann anhand der Unterlagen die geeigneten Bieter (die Auswahlkriterien richten sich nach § 6 Abs. 3 VOB/A, § 6 Abs. 3 VOL/A). Anschließend werden die Vergabeunterlagen an die ausgewählten Unternehmen übermittelt.
 
Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb
Darstellung der einzelnen Schritte der Beschränkten Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb (Quelle: Knowledge Factory GmbH)
Ein Teilnahmewettbewerb findet nicht statt, wenn ein Missverhältnis zwischen Auftragswert und Ausschreibungsaufwand besteht (vgl. oben genannte Schwellenwerte in den Bundesländern) und wenn die Vergabestelle über ausreichende Markterfahrung verfügt.
 
Beispiel: Ein öffentlicher Auftraggeber in NRW plant, eine Spezialsoftware entwickeln zu lassen. Der Auftragswert beträgt 11.000 €. Die Vergabestelle stellt bei der Marktrecherche fest, dass bundesweit nur 10 Unternehmen in der Lage sind, die Software zu entwickeln. Da das Auftragsvolumen unter dem in NRW geltenden Grenzwert liegt, ist eine Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb ist zulässig.
 
Beim Verfahren ohne Teilnahmewettbewerb trifft die Vergabestelle intern eine Auswahl der zur Angebotsabgabe aufzufordernden Unternehmen. Eine vorherige Bewerbungsphase für interessierte Unternehmen findet also nicht statt. Die Vergabeunterlagen werden direkt an die möglichen Bieter versandt.
 
In beiden Fällen erfolgt nach dem Ende der Angebotsfrist der Eröffnungstermin. Dann werden die eingegangenen Angebote (wie bei der Öffentlichen Ausschreibung) geprüft und gewertet. Anschließend erfolgt die Zuschlagserteilung - bzw. unter Umständen die Aufhebung der Ausschreibung.
 
c) Die Freihändige Vergabe
Bei der Freihändigen Vergabe fordert die Vergabestelle unmittelbar Unternehmen zur Abgabe von Angeboten auf (vgl. § 3 Abs. 1 VOB/A, § 3 Abs. 1 VOL/A). Dabei bestehen zwar geringere formelle Vorgaben, aber das bedeutet nicht, dass der Auftraggeber bei diesem Verfahren völlig frei ist und Verträge willkürlich abschließen kann. Denn die Grundsätze des Vergaberechts gelten auch im Freihändigen Verfahren: So soll die Vergabestelle auch hier mehrere Angebote einholen, um den Wettbewerb unter den Bietern zu gewährleisten. Ebenso dürfen Aufträge nur an geeignete und zuverlässige Unternehmen vergeben werden.
 
Anders als bei der Öffentlichen Ausschreibung oder im Beschränkten Verfahren darf die Vergabestelle hier aber sehr wohl mit den Unternehmen Verhandlungen über Inhalt und Preis der Angebote durchführen.
 
Wie beim Beschränkten Verfahren ist auch bei der Freihändigen Vergabe ein Teilnahmewettbewerb möglich, wenn die Vergabestelle nicht über eine ausreichende Marktübersicht verfügt. Das Verfahren vollzieht sich dann ebenfalls in zwei Schritten: Zunächst werden interessierte Unternehmen aufgerufen, sich für das Vergabeverfahren zu bewerben. Anschließend wählt der Auftraggeber geeignete Bieter aus und übermittelt diesen die Vergabeunterlagen.
 
Die Vergabeverfahren auf deutscher und auf europäischer Ebene im Überblick (Quelle: Knowledge Factory GmbH)

2. Vergabeverfahren auf europäischer Ebene

Ein EU-weites Vergabeverfahren muss durchgeführt werden, sobald die Schwellenwerte aus § 2 VgV erreicht sind. Auch das europäische Vergaberecht kennt grundsätzlich drei Vergabearten, die aber mit den deutschen Verfahren weitgehend übereinstimmen. Dazu kommt ein Verfahren, das auf nationaler Ebene nicht existiert: Der Wettbewerbliche Dialog.
 
a) Allgemeine Unterschiede
Bei europaweiten Verfahren sind genau festgelegte Angebotsfristen vorgesehen (vgl. § 10 EG VOB/A, § 12 EG VOL/A), während bei der nationalen Öffentlichen Ausschreibung lediglich eine „ausreichende“ Frist gewährt werden muss (vgl. § 10 Abs. 1 VOB/A, § 10 Abs. 1 VOL/A).
 
Auch hinsichtlich der Form bestehen für das europaweite genaue Vorgaben. Während bei nationalen Verfahren die in § 12 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A, § 12 Abs. 2 VOL/A genannten Informationen in der Bekanntmachung angegeben werden müssen, müssen für europaweite Ausschreibungen z. T. Standardformulare verwendet werden (§ 15 EG VOL/A).
 
Die Vergabestelle hat bei EU-weiten Ausschreibungen außerdem bestimmte Informationspflichten einzuhalten. Neben der so genannten Vorinformation über geplante Aufträge (§ 12 EG Abs. 1 VOB/B, § 12 Abs. 6 VOL/A), ist besonders die Informationspflicht über die vorgesehen Auftragsvergabe zu erwähnen: Um den Unternehmen die Möglichkeit zu gewährleisten, Rechtsmittel gegen die geplante Auftragsvergabe einzulegen, sind die unterlegenen Bieter über den geplanten Vertragsabschluss vorzeitig zu informieren (§ 101 a GWB).
 
Außerdem unterscheidet sich der Rechtsschutz auf europäischer Ebene zum Teil erheblich vom nationalen Vergaberecht: Im Vergabeverfahren oberhalb der Schwellenwerte aus § 2 VgV ist ein besonderes Rechtsweg über die Vergabekammern der Länder vorgesehen. Der Bieter kann dabei unter bestimmten Voraussetzungen ein Nachprüfungsverfahren einleiten (vgl. §§ 107 ff. GWB). Im Rahmen dieses Verfahrens kann die geplante Auftragsvergabe verhindert bzw. ein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren durchgesetzt werden, sofern Verstöße gegen das Vergaberecht vorliegen (§ 114 Abs. 1 GWB). Die Aufhebung eines wirksam erteilten Zuschlages ist dagegen nicht möglich (§ 114 Abs. 2 GWB). Im Extremfall ist daher nur noch die Feststellung einer Rechtsverletzung des Antragsstellers möglich, die für ein mögliches Verfahren auf Schadensersatz wichtig sein kann. Auf nationaler Ebene existiert ein solches Nachprüfungsverfahren dagegen nicht: Unterlegene Bieter, die Verstöße gegen das Vergaberecht rügen, können das ordnungsgemäße Verfahren nicht zwangsweise durchsetzen. Ihnen bleibt nur der Ersatz von Aufwendungen für die Angebotskalkulation sowie ggf. Schadensersatz für entgangenen Gewinn.
 
b) Das offene Verfahren
Inhaltlich entsprich das (EU-weite) offene Verfahren der (nationalen) Öffentlichen Ausschreibung. Zu beachten sind hier die allgemeinen Unterschiede von nationaler und europaweiter Vergabe, also insbesondere hinsichtlich der Form, der Fristen sowie der Informationspflichten des Auftraggebers.
 
c) Das nicht offene Verfahren
Das nicht offene Verfahren entspricht im Wesentlichen der Beschränkten Ausschreibung bei der nationalen Vergabe. Allerdings ist für das nicht offene Verfahren der Teilnahmewettbewerb zwingend vorgeschrieben (vgl. § 101 Abs. 3 GWB). Das bedeutet, im nicht offenen Verfahren kann jeder interessierte Bieter einen Antrag auf Teilnahme am Vergabeverfahren stellen und der Auftraggeber fordert anschließend jene Unternehmen zur Angebotsabgabe auf, die er für geeignet hält.
 
Vom offenen Verfahren als Regelverfahren darf – ähnlich wie auf nationaler Ebene – nur unter bestimmten Voraussetzungen abgewichen werden. So ist das nicht offenen Verfahren nur zulässig in „begründeten Ausnahmefällen“ (vgl. § 3 EG Abs. 1 VOL/A) bzw. dann, wenn für die Ausführung der Leistung nur ein beschränkter Bieterkreis in Frage kommt (vgl. § 3 EG Abs. 3 Nr. 2 VOB/A, § 3 EG Abs. 2 lit. a VOL/A).
 
d) Das Verhandlungsverfahren
Das Verhandlungsverfahren gleicht der Freihändigen Vergabe und kann ebenfalls mit oder ohne Teilnahmewettbewerb erfolgen (vgl. § 101 Abs. 5 GWB). In diesem Fall wendet sich der Auftraggeber also direkt an Unternehmen und fordert diese zur Angebotsabgabe auf. Anschließend kann er mit den Bietern Verhandlungen über Inhalt und Bedingungen der unterbreiteten Angebote führen.
 
Auch für das Verhandlungsverfahren sind bestimmte Voraussetzungen erforderlich (vgl. § 3 EG Abs. 4 u. 5 VOB/A, § 3 EG Abs. 3 u. 4 VOL/A). So ist das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb etwa zulässig, wenn im offenen oder nicht offenen Verfahren keine geeigneten Angebote eingegangen sind. Ohne Teilnahmewettbewerb ist das Verhandlungsverfahren beispielsweise möglich, wenn im offenen oder nicht offenen Verfahren keine oder nur unwirtschaftliche Angebote eingereicht wurden oder wenn aus zwingenden Gründen die Fristen für das offene und nicht offene Verfahren nicht eingehalten werden können.
 
e) Der Wettbewerbliche Dialog
Das Vergabeverfahren des Wettbewerblichen Dialogs existiert nur auf europäischer Ebene (Quelle: Knowledge Factory GmbH)
Der Wettbewerbliche Dialog ist zur Vergabe „besonders komplexer Aufträge“ vorgesehen (§ 101 Abs. 4 GWB). Dieses Vergabeverfahren existiert nur bei der EU-weiten Ausschreibung oberhalb der Schwellenwerte aus § 2 VgV.
 
Der Wettbewerblichen Dialog ist zulässig, wenn der Auftraggeber objektiv nicht in der Lage ist, die technischen Mittel anzugeben, die zur Erfüllung des Auftrages erforderlich sind, oder wenn er den rechtlichen oder finanziellen Rahmen nicht bestimmen kann. Ziel des Wettbewerblichen Dialogs ist, dass der Auftraggeber mit den Bewerbern seinen Bedürfnissen entsprechende Lösungen herausarbeitet (vgl. Art. 1 Abs. 11 lit. c RL 2004/18/EG). In Betracht kommt das Verfahren insbesondere bei umfangreichen Infrastrukturmaßnahmen.
 
Zunächst veröffentlicht der Auftraggeber eine Bekanntmachung, in der er seine Bedürfnisse und die Zuschlagskriterien formuliert. Interessierte Unternehmen können dann eine Teilnahme am weiteren Verfahren beantragen. Anschließend eröffnet der Auftraggeber mit den ausgewählten Bietern einen Dialog, um zu ermitteln, auf welche Weise seine Bedürfnisse am besten erfüllt werden können. Der Auftraggeber ist verpflichtet, bei diesem Dialog alle Bieter gleich zu behandeln.
 
Nach Abschluss des Dialogs, also mit der Feststellung geeigneter Lösungsvorschlage, erfolgt die Zuschlagserteilung. Der Auftraggeber hat dabei die eingereichten Angebote anhand der in der Bekanntmachung festgelegten Kriterien zu beurteilen und das wirtschaftlichste Angebot auszuwählen (vgl. Art. 29 Abs. 1 u. 7 RL 2004/18/EG).
 

V. Zusammenfassung

Die Vergabe öffentlicher Aufträge kann auf unterschiedliche Art und Weise erfolgen. Doch trotz dieser vielfältigen Möglichkeiten ist der Aufraggeber an enge gesetzliche Vorgaben gebunden. So kann die Vergabestelle nicht willkürlich ein Vergabeverfahren wählen, sondern hat bei der Auswahl die Eigenarten des Auftrages sowie insbesondere den Auftragswert zu berücksichtigen.
 
Unternehmen müssen je nach Vergabeverfahren verschiedene formelle Vorgaben einhalten, um nicht bereits an der ersten Hürde – dem Ausschluss unzulässiger Angebote – zu scheiten. Wichtig für die Bieter ist darüber hinaus der Rechtsschutz, der sich je nach Vergabeverfahren unterscheiden kann.
 
Die deutschen Vorschriften zur Vergabe öffentlicher Aufträge stellen überwiegend die Umsetzung des EU-Rechts dar. Aus diesem Grunde kann das nationale Vergaberecht kaum unabhängig vom Europarecht betrachtet werden. Um über die fortlaufende Entwicklung des Vergaberechts informiert zu sein, müssen also auch europaweite Entwicklungen beobachtet werden.
 

Weiterführende Informationen


1 Richtlinie 2004/17/EG und Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, jeweils vom 31. März 2004
2 Quelle: http://www.abst-mv.de/download/WertgrenzenBundeslaender2011-04-08.pdf, letzter Zugriff am 29. August 2012
 

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