Einbau von Rohren im Spülbohrverfahren
16.10.2006
Beim Einsatz des Horizontalspülbohrverfahrens zeigt sich immer mehr, dass duktile Gussrohre eine sichere und wirtschaftliche Alternative mit logistischen Vorteilen auf der Baustelle darstellen.
Beim Spülbohrverfahren wird zunächst ein Pilotrohrstrang bodenentnehmend bzw. bodenverdrängend gesteuert vorgetrieben. Der Abbau des Bodens erfolgt hydromechanisch durch einen Düsenkopf (Bild 1) oder mechanisch durch einen Bohrlochmotor mit Bohrmeißel. Der Bohrkopf wird nach dem Sender-Empfänger-Prinzip geortet. Richtungsänderungen werden durch die Steuerfläche des Düsenkopfes oder das dem Bohrlochmotor nachgeschaltete Winkelstück vorgenommen. Die Pilotbohrung kann durch Räumer (Bild 2) in einem oder mehreren Arbeitsgängen aufgeweitet werden.
DN | vertikal | horizontal |
---|---|---|
< 600 | ± 20 | ± 25 |
≥ 600 bis ≥ 1000 | ± 25 | ± 40 |
> 1000 bis < 1400 | ± 30 | ± 100 |
≥ 1400 | ± 50 | ± 200 |
Die Anwendung ist in Locker- und Festgestein möglich. Einschränkungen ergeben sich in rolligen Kiesen ohne bindige Anteile. Zusatzmaßnahmen in wasserführenden Böden sind nicht erforderlich.
Für Freigefälleleitungen darf das Verfahren nur eingesetzt werden, sofern die folgenden, im Entwurf des DWA Arbeitsblattes A 125 festgelegten maximalen Abweichungen in mm von der Solllage für Abwasserleitungen und -kanäle (Tabelle 1) eingehalten werden können:
Steuerbare horizontale Spülbohrverfahren können mit Rohren aus Kunststoff, Stahl und duktilem Gusseisen angewendet werden. Ursprünglich war das Verfahren entwickelt worden, um einen vorher montierten Rohrstrang einzuziehen. Kunststoffrohre und Stahlrohre wurden vor dem Einbau verschweißt (Bild 3), Rohre aus duktilem Gusseisen als Strang zusammengebaut (Bild 4). Der Charme "kleiner" Baustellen verschwand hinter dem Platzbedarf für dem Rohrstrang. Dies führte zur Entwicklung des "Einzelrohreinzuges". Dabei werden Rohre einzeln - manchmal auch zwei oder drei - in der Startbaugrube montiert und im Takt des Gestängewechsels in den Bohrkanal eingezogen.
Die einzubauenden Rohrstränge müssen flexibel (Kunststoffe / Stahl) sein oder abwinkelbare Rohrverbindungen (duktiles Gusseisen) haben (Bild 5). Im DVGW Arbeitsblatt GW 321 sind die jeweiligen Mindestradien angegeben. Hierbei ist die Temperaturabhängigkeit der zulässigen Biegeradien bei Kunststoffrohren zu beachten.
Die maximal zulässigen Einzugkräfte sind ebenfalls dem o.a. DVGW-Arbeitsblatt (Anhang A, Tabelle 6a) zu entnehmen. Die höchsten Werte der für Wasserleitungen üblichen Rohrwerkstoffe sind den zugfesten Verbindungen duktiler Gussrohre zugeordnet (Bild 6). Diese Verbindungen sind so weit abwinkelbar, dass sich damit extrem kleine Kurvenradien ausführen lassen. In der Kombination von kürzester Montagezeit der Verbindungen, höchster Zugkräfte und kleinster Inanspruchnahme von Baustellenfläche liegt der größte Vorteil dieses Werkstoffes: die Baugruben sind extrem klein und können mit größtmöglichen Abständen angeordnet werden. Unmittelbar nach der Montage können die vollen Zugkräfte unabhängig von der herrschenden Außentemperatur ohne weitere Wartezeit aufgebracht werden.
In den Niederlanden mit ihren schwierigen Baugrundverhältnissen und ihrem dichten Infrastrukturnetz hat der Einbau duktiler Gussrohre mit dem Horizontalspülbohrverfahren eine rasante Entwicklung durchlaufen: eine Reihe von rekordverdächtigen Projekten fand im Jahr 2002 ihren Höhepunkt mit der in [2] beschriebenen Maßnahme 210 m DN 700. Eine speziell holländische Variante der Bauversicherung besteht in der Forderung der Versicherer, das Leitungsstück vor dem Einzug in den Bohrkanal zusammenzubauen und mit Wasserdruck vorzuprüfen. Bei großen Nennweiten und langen Teilstücken führt diese Forderung zu Mehrkosten wegen erhöhtem Platzbedarf und zusätzlicher Bauzeit.
Insofern war das im Folgenden beschriebene Projekt in den Niederlanden eine Premiere: die Vorteile der in Deutschland schon seit längerem praktizierten und bewährten Einzelrohrmontage wurden 2005 auch in den Niederlanden mit Erfolg realisiert.
Die Firma Visser & Smit Hanab bekam kurz vor der Durchführung des Projekts "Harmelen" den Auftrag, zwei Autostraßen (Hindersteinlaan) im Spülbohrverfahren zu unterqueren. Mit einer Nennweite DN 400 und einer Länge von 162 m und 270 m eigneten sich diese Strecken ideal für ein Pilotprojekt zur Erprobung des in den Niederlanden bis dato noch nicht praktizierten Einzelrohreinzugs. Der Rohrstrang wird Rohr für Rohr montiert und im gleichen Takt eingezogen. Bei Vormontage von drei Rohren ('Drillingen') lässt sich die Montagezeit während des Einzugs weiter verkürzen. Beim Einzelrohreinzug hat sich für eine einfache und problemlose Montage der Rohre eine Montagerampe mit Rollenböcken bewährt (Bild 7). Durch diese werden die zu verbindenden Rohre ohne Abwinkelung achsgleich ausgerichtet. Der Verbindungsvorgang findet also quasi unter Werkstattbedingungen statt.
Die Erfahrungen mit der Einzelrohrmontage waren nach diesen beiden Pilotstrecken insgesamt positiv. Der Einzug funktionierte planmäßig, die Zugkräfte waren geringer als bei der Planung angenommen.
Südlich von Utrecht, im Zentrum der Niederlande, wurde für Hydron Midden Nederland ebenfalls durch die Firma Visser & Smit Hanab eine neue DN 400 Trinkwassertransportleitung gebaut. Diese Leitung hat zwei Aufgaben: zum einen wird durch diese Leitung die Stadt Harmelen mit Trinkwasser versorgt, zum anderen wird die Versorgungssicherheit im Gebiet um Linschoten erhöht.
Die Leitung hat eine Gesamtlänge von circa 5,5 km und liegt nördlich der Autobahn A12 zwischen den Städten De Meern und Harmelen. Der Boden in dieser Gegend besteht aus Moor mit einer sehr niedrigen Tragfähigkeit. In offener Bauweise wäre der Einbau teuer geworden, weil dann eine temporäre Baustraße hätte gebaut werden müssen. Wegen des hohen Grundwasserstands entstünden zusätzlich hohe Kosten für die Grundwasserabsenkung.
Projekt | Länge [m] | Auftrieb [kN] | Zugkraft [kN] | Reibbeiwert µ | |
---|---|---|---|---|---|
1 | Hindersteinlaan (Pilot) | 162 | 107 | 140 | 1,30 |
2 | Hindersteinlaan (Pilot) | 270 | 178 | 180 | 1,01 |
3 | Harmelen | 425 | 280 | 270 | 0,96 |
4 | Harmelen | 648 | 427 | 240 | 0,56 |
5 | Harmelen | 576 | 380 | 220 | 0,58 |
6 | Harmelen | 882 | 582 | 360 | 0,62 |
7 | Harmelen | 828 | 546 | 440 | 0,81 |
8 | Harmelen | 828 | 546 | 340 | 0,62 |
9 | Harmelen | 828 | 546 | 300 | 0,55 |
Mittlerer Reibbeiwert µer = 0,78 |
Das Projekt Harmelen hat gezeigt, dass duktile Gussrohre eine sichere und wirtschaftliche Alternative beim Einsatz des Horizontalspülbohrverfahrens darstellen. Bei Betrachtung des Bildes 7 muss man sich die Frage stellen, wie lange es noch dauert, bis diese Rampe auf einem LKW montiert direkt an das Bohrloch gefahren wird. Mit dem Fahrzeug könnten dann auch gleich die Rohre transportiert werden..........
[1] DVGW-Arbeitsblatt GW 321 "Steuerbare horizontale Spülbohrverfahren für Gas- und Wasserrohrleitungen - Anforderungen, Gütesicherung und Prüfung"
[2] Renz, M. Rekordpremiere mit duktilen Gussrohren DN 700 im Spülbohrverfahren in den Niederlanden GUSSROHRTECHNIK 37 (2003)
[3] DIN 30675-2 Äußerer Korrosionsschutz von erdverlegten Rohrleitungen; Schutzmaßnahmen und Einsatzbereiche bei Rohrleitungen aus duktilem Gusseisen
[4] DIN 30674-2 Umhüllung von Rohren aus duktilem Gusseisen; Zementmörtel-Umhüllung
[5] NEN 3650-1 (2003) Eisen voor buisleidingsystemen - Teil 1 : Allgemeines Heft 5, Beilage E, § E1.2.3.
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