Einbau von Rohren im Spülbohrverfahren

16.10.2006

Beim Einsatz des Horizontalspülbohrverfahrens zeigt sich immer mehr, dass duktile Gussrohre eine sichere und wirtschaftliche Alternative mit logistischen Vorteilen auf der Baustelle darstellen.

Grabenlose Einbautechniken haben sich in den letzten 15 Jahren zum Stand der Technik entwickelt. Insbesondere mit dem Spülbohrverfahren (HDD-Verfahren = Horizontal Directional Drilling) wurden eine Fülle von Projekten ausgeführt, so dass es inzwischen zu den bewährten Standardverfahren mehrerer Versorgungsunternehmen gehört. Altleitungen werden nicht mehr mit einer vor Ort eingebrachten Zementmörtelauskleidung renoviert; es werden vielmehr preiswert neue Leitungen in neuer Trasse mit dem Horizontalspülbohrverfahren gebaut. Dies dokumentiert sich in den Veröffentlichungen der DVGW-Regelwerksreihe GW 320 ff.. An dieser Stelle sei auf das DVGW Arbeitsblatt GW 321 "Steuerbare horizontale Spülbohrverfahren für Gas- und Wasserrohrleitungen - Anforderungen, Gütesicherung und Prüfung" verwiesen [1].
Verfahrensbeschreibung
Beim Spülbohrverfahren wird zunächst ein Pilotrohrstrang bodenentnehmend bzw. bodenverdrängend gesteuert vorgetrieben. Der Abbau des Bodens erfolgt hydromechanisch durch einen Düsenkopf (Bild 1) oder mechanisch durch einen Bohrlochmotor mit Bohrmeißel. Der Bohrkopf wird nach dem Sender-Empfänger-Prinzip geortet. Richtungsänderungen werden durch die Steuerfläche des Düsenkopfes oder das dem Bohrlochmotor nachgeschaltete Winkelstück vorgenommen. Die Pilotbohrung kann durch Räumer (Bild 2) in einem oder mehreren Arbeitsgängen aufgeweitet werden.
DN vertikal horizontal
< 600 ± 20 ± 25
≥ 600 bis ≥ 1000 ± 25 ± 40
> 1000 bis < 1400 ± 30 ± 100
≥ 1400 ± 50 ± 200
Table 1: Zulässige Abweichungen von Freigefälleleitungen von der Solllage in mm. Quelle: Brune
Abschließend wird der Rohrstrang in die Bohrung eingezogen, ggfs. auch im Zuge der letzten Aufweitung. Der abgebaute Boden wird mit der Bohrspülung ausgetragen; sie dient gleichzeitig der Stützung des Bohrloches bei allen Arbeitsvorgängen.

Die Anwendung ist in Locker- und Festgestein möglich. Einschränkungen ergeben sich in rolligen Kiesen ohne bindige Anteile. Zusatzmaßnahmen in wasserführenden Böden sind nicht erforderlich.

Für Freigefälleleitungen darf das Verfahren nur eingesetzt werden, sofern die folgenden, im Entwurf des DWA Arbeitsblattes A 125 festgelegten maximalen Abweichungen in mm von der Solllage für Abwasserleitungen und -kanäle (Tabelle 1) eingehalten werden können:
Rohrwerkstoffe
Steuerbare horizontale Spülbohrverfahren können mit Rohren aus Kunststoff, Stahl und duktilem Gusseisen angewendet werden. Ursprünglich war das Verfahren entwickelt worden, um einen vorher montierten Rohrstrang einzuziehen. Kunststoffrohre und Stahlrohre wurden vor dem Einbau verschweißt (Bild 3), Rohre aus duktilem Gusseisen als Strang zusammengebaut (Bild 4). Der Charme "kleiner" Baustellen verschwand hinter dem Platzbedarf für dem Rohrstrang. Dies führte zur Entwicklung des "Einzelrohreinzuges". Dabei werden Rohre einzeln - manchmal auch zwei oder drei - in der Startbaugrube montiert und im Takt des Gestängewechsels in den Bohrkanal eingezogen.
An diesen Verfahrensentwicklungen haben Rohre aus duktilem Gusseisen einen maßgeblichen Beitrag geleistet. Dieses System, vor allem seine schnell montierbaren und hoch belastbaren zugfesten Verbindungen und die mechanisch extrem widerstandsfähigen Umhüllungen der Rohre, konnte an die Anforderungen der grabenlosen Einbautechnik angepasst werden.
Kurvenradien
Die einzubauenden Rohrstränge müssen flexibel (Kunststoffe / Stahl) sein oder abwinkelbare Rohrverbindungen (duktiles Gusseisen) haben (Bild 5). Im DVGW Arbeitsblatt GW 321 sind die jeweiligen Mindestradien angegeben. Hierbei ist die Temperaturabhängigkeit der zulässigen Biegeradien bei Kunststoffrohren zu beachten.
Einzugkräfte
Die maximal zulässigen Einzugkräfte sind ebenfalls dem o.a. DVGW-Arbeitsblatt (Anhang A, Tabelle 6a) zu entnehmen. Die höchsten Werte der für Wasserleitungen üblichen Rohrwerkstoffe sind den zugfesten Verbindungen duktiler Gussrohre zugeordnet (Bild 6). Diese Verbindungen sind so weit abwinkelbar, dass sich damit extrem kleine Kurvenradien ausführen lassen. In der Kombination von kürzester Montagezeit der Verbindungen, höchster Zugkräfte und kleinster Inanspruchnahme von Baustellenfläche liegt der größte Vorteil dieses Werkstoffes: die Baugruben sind extrem klein und können mit größtmöglichen Abständen angeordnet werden. Unmittelbar nach der Montage können die vollen Zugkräfte unabhängig von der herrschenden Außentemperatur ohne weitere Wartezeit aufgebracht werden.
Die Verbindungsmontage einschließlich der Applikation des Außenschutzes aus Gummimanschette und Blechkonus dauert nur wenige Minuten, so dass die Rohre synchron mit dem Bohrgestängewechsel auf der Zugmaschinenseite montiert werden können. Die zusätzliche Zeit für das Vorfertigen des Rohrstranges bei geschweißten Verbindungen sowie der Platzbedarf zum Auslegen des Rohrstrangs entfallen bei dieser Technik. Ebenso entfallen reibungsmindernde Maßnahmen zum Einziehen vorgefertigter Rohrstränge, was den Einsatz kleinerer Maschinen zur Folge haben kann.
Erfahrungen
In den Niederlanden mit ihren schwierigen Baugrundverhältnissen und ihrem dichten Infrastrukturnetz hat der Einbau duktiler Gussrohre mit dem Horizontalspülbohrverfahren eine rasante Entwicklung durchlaufen: eine Reihe von rekordverdächtigen Projekten fand im Jahr 2002 ihren Höhepunkt mit der in [2] beschriebenen Maßnahme 210 m DN 700. Eine speziell holländische Variante der Bauversicherung besteht in der Forderung der Versicherer, das Leitungsstück vor dem Einzug in den Bohrkanal zusammenzubauen und mit Wasserdruck vorzuprüfen. Bei großen Nennweiten und langen Teilstücken führt diese Forderung zu Mehrkosten wegen erhöhtem Platzbedarf und zusätzlicher Bauzeit.

Insofern war das im Folgenden beschriebene Projekt in den Niederlanden eine Premiere: die Vorteile der in Deutschland schon seit längerem praktizierten und bewährten Einzelrohrmontage wurden 2005 auch in den Niederlanden mit Erfolg realisiert.
Pilotprojekt Hindersteinlaan
Die Firma Visser & Smit Hanab bekam kurz vor der Durchführung des Projekts "Harmelen" den Auftrag, zwei Autostraßen (Hindersteinlaan) im Spülbohrverfahren zu unterqueren. Mit einer Nennweite DN 400 und einer Länge von 162 m und 270 m eigneten sich diese Strecken ideal für ein Pilotprojekt zur Erprobung des in den Niederlanden bis dato noch nicht praktizierten Einzelrohreinzugs. Der Rohrstrang wird Rohr für Rohr montiert und im gleichen Takt eingezogen. Bei Vormontage von drei Rohren ('Drillingen') lässt sich die Montagezeit während des Einzugs weiter verkürzen. Beim Einzelrohreinzug hat sich für eine einfache und problemlose Montage der Rohre eine Montagerampe mit Rollenböcken bewährt (Bild 7). Durch diese werden die zu verbindenden Rohre ohne Abwinkelung achsgleich ausgerichtet. Der Verbindungsvorgang findet also quasi unter Werkstattbedingungen statt.
Bei der ersten Spülbohrstrecke von 162 m Länge ergaben sich Montagezeiten von durchschnittlich 15 Minuten (Einzelrohrmontage), die maximale Zugkraft betrug 140 kN. Bei der zweiten Spülbohrstrecke von 270 m Länge hatte die Baufirma 15 "Drillinge" (Bild 8) vormontiert. Für die Verbindung zweier "Drillinge" während des Einzugs wurden ebenfalls circa 15 Minuten benötigt. Die höchste gemessene Zugkraft betrug hier 180 kN.
Die Erfahrungen mit der Einzelrohrmontage waren nach diesen beiden Pilotstrecken insgesamt positiv. Der Einzug funktionierte planmäßig, die Zugkräfte waren geringer als bei der Planung angenommen.
Projekt Harmelen
Südlich von Utrecht, im Zentrum der Niederlande, wurde für Hydron Midden Nederland ebenfalls durch die Firma Visser & Smit Hanab eine neue DN 400 Trinkwassertransportleitung gebaut. Diese Leitung hat zwei Aufgaben: zum einen wird durch diese Leitung die Stadt Harmelen mit Trinkwasser versorgt, zum anderen wird die Versorgungssicherheit im Gebiet um Linschoten erhöht.

Die Leitung hat eine Gesamtlänge von circa 5,5 km und liegt nördlich der Autobahn A12 zwischen den Städten De Meern und Harmelen. Der Boden in dieser Gegend besteht aus Moor mit einer sehr niedrigen Tragfähigkeit. In offener Bauweise wäre der Einbau teuer geworden, weil dann eine temporäre Baustraße hätte gebaut werden müssen. Wegen des hohen Grundwasserstands entstünden zusätzlich hohe Kosten für die Grundwasserabsenkung.
 Projekt Länge [m] Auftrieb [kN] Zugkraft [kN] Reibbeiwert µ
1 Hindersteinlaan (Pilot) 162 107 140 1,30
2 Hindersteinlaan (Pilot) 270 178 180 1,01
3 Harmelen 425 280 270 0,96
4 Harmelen 648 427 240 0,56
5 Harmelen 576 380 220 0,58
6 Harmelen 882 582 360 0,62
7 Harmelen 828 546 440 0,81
8 Harmelen 828 546 340 0,62
9 Harmelen 828 546 300 0,55
Mittlerer Reibbeiwert µer = 0,78
Tabelle 2: Teilstreckenlänge, Auftrieb, Zugkräfte und Reibbeiwerte. Quelle: Brune
Das Horizontal-Spülbohrverfahren kommt mit deutlich geringerem Arbeitsraum und ohne Grundwasserabsenkung aus. Daher fiel die Entscheidung für dieses Verfahren zum Bau der Leitung, deren Gesamtlänge von 5,5 km in insgesamt sieben Teilstrecken aufgeteilt wurde. Die Länge der Einzelstrecken liegt zwischen 425 m und 860 m. Derartige Teilstrecken werden in den Niederlanden üblicherweise mit Rohren aus PE-HD ausgeführt. Allerdings müssen Rohre aus PE-HD zuerst zu einem Gesamtstrang vormontiert und ausgelegt werden, wodurch wieder ein entsprechend großes Baufeld erforderlich wird. Aufgrund der Fügetechnik durch Schweißen und der damit verbundenen Wartezeit bis zur vollen mechanischen Belastbarkeit des Rohrstranges beim Einziehvorgang ergibt sich eine Verlängerung der Bauzeit mit den daraus resultierenden Mehrkosten.
Die beim Projekt Harmelen vorliegenden Moorböden (Bild 9) sind stark aggressiv. Nach DIN 30675-2 [3] ist die Zementmörtelumhüllung duktiler Gussrohre nach DIN 30674-2 [4] für diese Böden uneingeschränkt geeignet. Diese Umhüllung wird beim Einsatz duktiler Gussrohre in grabenlosen Einbau- und Erneuerungsverfahren bevorzugt verwendet, weil sie wegen ihrer hohen mechanischen Belastbarkeit Schäden sicher vom Mediumrohr fernhält. Zum Verschließen des Verbindungsbereichs haben sich Gummimanschetten bewährt, die mittels Blechkoni vor den Unwägbarkeiten im Untergrund geschützt werden. Duktile Gussrohre mit formschlüssiger zugfester Muffenverbindung besitzen als einziges Rohrmaterial den Vorteil, dass die Leitung während des Einzugs synchron mit dem Zuggestängewechsel aus Einzelrohren montiert werden kann. Damit kommt man mit extrem kleinen Baufeldern aus und spart sich die zusätzliche Bauzeit. Die Zugkräfte während des Einbaues zeigt Tabelle 2. Die für die Nennweite DN 400 maximal zulässige Zugkraft von 560 kN [1] wurde bei weitem nie erreicht.
Ausblick
Das Projekt Harmelen hat gezeigt, dass duktile Gussrohre eine sichere und wirtschaftliche Alternative beim Einsatz des Horizontalspülbohrverfahrens darstellen. Bei Betrachtung des Bildes 7 muss man sich die Frage stellen, wie lange es noch dauert, bis diese Rampe auf einem LKW montiert direkt an das Bohrloch gefahren wird. Mit dem Fahrzeug könnten dann auch gleich die Rohre transportiert werden..........
Literatur

[1] DVGW-Arbeitsblatt GW 321 "Steuerbare horizontale Spülbohrverfahren für Gas- und Wasserrohrleitungen - Anforderungen, Gütesicherung und Prüfung"

[2] Renz, M. Rekordpremiere mit duktilen Gussrohren DN 700 im Spülbohrverfahren in den Niederlanden GUSSROHRTECHNIK 37 (2003)

[3] DIN 30675-2 Äußerer Korrosionsschutz von erdverlegten Rohrleitungen; Schutzmaßnahmen und Einsatzbereiche bei Rohrleitungen aus duktilem Gusseisen

[4] DIN 30674-2 Umhüllung von Rohren aus duktilem Gusseisen; Zementmörtel-Umhüllung

[5] NEN 3650-1 (2003) Eisen voor buisleidingsystemen - Teil 1 : Allgemeines Heft 5, Beilage E, § E1.2.3.

 

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