Einmal zahlen, zweimal nutzen - Kluges Konzept im Armaturenwerk

18.07.2008

Die Wasserrechnung ist beim Armaturenwerk Hawle in Fürstenwalde kein Schreckgespenst mehr. Einen Großteil der laut Wasseruhr verbrauchten Kubikmeter verwendet das Unternehmen doppelt. Das gelingt mit einer dreistufigen Aufbereitungsstrecke, die mehrere Abwasserströme zur Zweitnutzung aufbereitet.

Das Scharmützelseengebiet gilt als eine der schönsten Landschaften Brandenburgs. Hier, etwa 50 Kilometer östlich von Berlin, liegt Fürstenwalde. Die Stadt an der Spree hat 33.000 Einwohner. Sie ist Mittelzentrum zwischen Berlin und Frankfurt/Oder. Eines der ansässigen Unternehmen ist mit Gießerei und Formstückfertigung die Hawle Armaturen GmbH.
Gussprodukte werden in Fürstenwalde schon seit 1923 hergestellt und die damalige Betriebsgründung hat ihren Weg durch die Wirrungen deutscher Geschichte gefunden. Nach Krieg, DDR-Ära und Treuhand-Episode wurde die Gießerei 1995 von der Firma Hawle mit Stammsitz im bayerischen Freilassing übernommen. Hawle ließ an der Spree eine neue Gießerei bauen, die 1997 den Betrieb aufnahm, und erweiterte den Standort 1998 um weitere Fertigungszweige. Seither ist in Fürstenwalde eine moderne Armaturenproduktion zuhause. Spezialitäten der Gießerei sind die Fertigung von Sphäroguss und anspruchsvollem Grauguss.
Dem Update der Produktionsanlagen ließ Hawle auch substanzielle Neuerungen im Infrastrukturbereich des Werkes folgen. So ging nach nur drei Monaten Bauzeit zwischen August und November 2006 eine Abwasserrecycling-Anlage an den Start. Seither kann Hawle das teure Nass zwei Mal nutzen.
Gewinn für Unternehmen und Umwelt
Bevor die Bagger kamen, um Baugruben für den unterirdischen Einbau der Reinigungsstrecke auszuheben, folgte die Abwasserentsorgung einem antiquierten Prozedere, das in wirtschaftlicher und ökologischer Hinsicht nicht länger hinnehmbar war: Die Abwässer des Verwaltungsgebäudes und Kantinenbetriebs, der Wäscherei sowie aus dem Sanitärbereich der Produktion wurden abflusslosen Sammelgruben zugeleitet, täglich abgefahren und im zentralen Klärwerk der Stadt gereinigt. Da aber in Folge der Unternehemenserweiterungen mehr Abwasser anfiel, gleichzeitig die Kosten der bisherigen Entsorgungsweise stiegen und schließlich auch das hohe Transportaufkommen nicht mehr ins Bild eines modernen, umweltgerecht agierenden Unternehmens passte, hatte Hawle die Modernisierung dieses Infrastrukturbereichs auf die Tagesordnung gesetzt.
Schnell war dann auch die Idee der Zweifachnutzung geboren, denn in der Gießerei besteht regelmäßig hoher Wasserbedarf zur Kühlung des Formsandes. Hierfür ist jedoch keine Trinkwasserqualität erforderlich. Folglich lag es nahe, ein Aufbereitungskonzept in den Blick zu nehmen, das mit ausreichender Reinigungstiefe diese nochmalige Verwendung des Abwassers im Produktionsprozess ermöglicht. Und weil bei der beabsichtigten Kühlanwendung das Wasser vollständig verdunstet, konnte die Frage eines nachträglichen Kanalanschlusses außer Betracht bleiben.
Drei Stufen auf einer Straße
Den Zuschlag für das Abwasserprojekt hat Hawle einem Unternehmen erteilt, das die anfängliche Rahmenvorstellung planerisch umgesetzt, sämtliche Systemkomponenten geliefert und montiert sowie schließlich die Anlage in Betrieb genommen hat. Sie ist als einstraßiges System auf 300 Einwohnerwerte ausgelegt und umfasst drei Reinigungsstufen.
Den Anfang macht eine mechanische Vorbehandlung. Sie besteht aus zwei Komponenten: ein Pufferbecken plus nachgeschaltete Siebrechenanlage. Der 18-m³-Puffer hat zunächst die Aufgabe, Zulaufschwankungen auszugleichen. Gleichzeitig wird hier das Abwasser homogenisiert, indem ein Tauchmotorrührwerk den Beckeninhalt durchmischt. Grobstoffliche Verunreinigungen holt dann der Siebrechen aus dem Abwasser, der als einziger Teil der Reinigungsstrecke oberirdisch aufgestellt ist. Zwei Tauchmotorpumpen speisen seinen Zulauf aus dem Pufferbecken.
An diese Vorreinigung schließt als biologische Behandlungsstufe ein SBR-Reaktor an. Die chargenweise Abwasserbehandlung der SBR-Technologie (s. Kasten) gilt als die effizienteste unter den biologischen Verfahrensvarianten. Für jedes Reinigungsintervall steht das ganze Biomasse-Potential zur Verfügung, und während der Absetzphase fließt kein neues Abwasser zu, so dass der Schlamm störungsfrei sedimentieren kann. SBR-Systeme lassen sich bedarfsgenau an die Zusammensetzung der Abwasservorlage und das angestrebte Reinigungsziel anpassen.
Bei Hawle handelt es sich um eine Anlage mit knapp 90 m³ Nutzvolumen. Zur Sauerstoffversorgung der Biomasse ist sie mit zwei Plattenbelüftern ausgestattet, die zugleich den Beckeninhalt während der Denitrifikationsphase mittels Impulsbelüftung umwälzen. Die Druckluft stellt ein Drehkolbengebläse zur Verfügung. Am Ende jedes Reinigungszyklus zieht ein Dekanter das Klarwasser ab, für das eine Probenahmemöglichkeit im Ablauf vorgesehen ist. Überschussschlamm gelangt per Schlammpumpe in ein Silo.
Im dritten Schritt übernimmt eine Anlage vom Typ NeutraClear (Produktinformationen auf der Hersteller-Website www.mall.info) den Abwasserstrom zur Nachbehandlung. Auch sie ist ein biologisches System, das mit Hilfe abbauaktiver Mikroorganismen arbeitet. Doch während die Biomasse beim SBR-Prozess frei im Abwasser flotiert, siedelt sie hier als Biofilm auf einer Trägerpackung aus Kies und Lavaschlacke. Diese Packung durchsickert das Abwasser von oben nach unten. Gleichzeitig wird im Gegenstrom Luft durch das Trägerbett geleitet. Der Luftstrom bringt den nötigen Sauerstoff ins System und fördert überschüssige Biomasse nach oben, wo sie entnommen wird. Das Wasser, das am Ende die NeutraClear-Anlage verlässt, weist mühelos die bei Hawles Zweitverwendung erforderliche Reinigungstiefe auf. Neben CSB- und BSB-Werten weit unter Grenzwert-Niveau, hat das neu gewonnene Wasser auch deutlich reduzierte Tensidgehalte.
Den Kernkomponenten des Aufbereitungssystems sind ergänzende Anlagenteile vor- und nachgeschaltet. Quasi als Startlinie fungiert ein Zulaufpumpwerk, das die verschiedenen Abwasserteilströme sammelt und an den Pufferspeicher weiter fördert. Am Ende, wenn das Abwasser die Reinigungsstrecke absolviert hat, gelangt es zur Bevorratung in ein Speicherbecken mit 66,5 m³ Fassungsvermögen. Von dort wird dann bedarfsweise der oberirdisch aufgestellte Vorlagebehälter für die Betriebswasserentnahme beschickt.
Schlammabfuhr nur noch alle 70 Tage
Weitere Systembausteine sind das Schlammsilo und ein Betriebsgebäude. Das Schlammsilo speichert den bei der biologischen Abwasserreinigung anfallenden Überschussschlamm aus SBR-Reaktor und NeutraClear-Anlage. Es ist mit rund 18 m³ Fassungsvermögen so dimensioniert, dass sich bei Volllastbetrieb etwa 70-tägige Räumungsintervalle ergeben. Im Betriebsgebäude, einer Stahlbeton-Fertigteilzelle, sind Gebläsestation und Schaltschrank untergebracht.
Mit Ausnahme von Betriebsgebäude, Betriebswasservorlage und Siebrechen sind alle Anlagenkomponenten vollständig im Boden eingebaut. Je nach Größe wurden sie als monolithische oder teilmonolithische Stahlbetonbehälter gefertigt und vor Ort vom Lieferfahrzeug direkt in die Baugruben versetzt. Dort erfolgten so weit nötig die Endmontage sowie die installationstechnische Einbindung in das Gesamtsystem.
Abwasserreinigung im SBR-Verfahren
SBR steht für "sequencing batch reactor" und bezeichnet ein Verfahren, das Abwasser portionsweise reinigt. SBR-Systeme zählen zu den so genannten Belebungsanlagen, deren gemeinsames Charakteristikum darin besteht, dass abbauaktive Mikroorganismen die Schmutzfracht verstoffwechseln. Dieses Prinzip kann in unterschiedliche Verfahrensvarianten umgesetzt werden.
Eine SBR-Anlage wird im Gegensatz zu allen anderen Belebungsanlagen nicht kontinuierlich von Abwasser durchflossen. Vielmehr wird ein technisch entsprechend ausgestatteter Behälter (reactor) mit einer definierten Abwassercharge (batch) befüllt, die dort ein festgelegtes und in sich geschlossenes Reinigungsprogramm absolviert – bis hin zu Schlammsedimentation und abschließendem Klarwasserabzug. Danach beginnt mit der erneuten Befüllung der nächste (sequencing) Reinigungszyklus.
Im Vergleich zu anderen Belebungsverfahren haben SBR-Anlagen einige Vorteile: Sie sind unempfindlich gegenüber Zulaufschwankungen, erzielen eine höhere Reinigungsleistung und lassen sich für die jeweilige Anforderungssituation passgenau konfigurieren. Außerdem benötigen sie weniger Platz und baulichen Aufwand, da kein gesondertes Absetzbecken erforderlich ist. Mehr über Belebungsanlagen und SBR-Technologie unter www.abwasser-dezentral.de/belebungsanlagen.php.

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