Erfahrungen mit dem grabenlosen Auswechseln von Erdkabeln
17.04.2007
Grabenlose Leitungsaustauschverfahren gibt es seit vielen Jahren, vorwiegend für Hausanschlüsse und Netzleitungen. Bis auf das Berstverfahren und das Stahlrohraustreiben mit Erdraketen sind diese Verfahren allerdings mit einem hohen Zeit- und Kostenaufwand verbunden. Inzwischen wurden mit den von Tracto-Technik entwickelten Überbohrverfahren zum grabenlosen Austausch von Erdkabeln viele gute Erfahrungen gesammelt, die eine weitere Verbreitung dieser Technologie empfehlen lassen.
Durch das Überbohrverfahren können in langen, wirtschaftlichen Bauabschnitten Altkabel freigebohrt, gezogen und im Bohrungshohlraum des ehemaligen Altkabels ein Neukabel eingezogen werden. Die Technik des Überbohrens im Verbund mit dem Freilösen des anhaftenden Erdreiches und dem Abweisen von möglichen Näherungs-- elementen (z. B. Kabelabdecksteine) ist durch die spezielle Geometrie des Bohrkopfes, seine Material- und Bewegungstechnik und die dezidierte Düsenanordnung technisch gelöst, ebenso die Kabelbettung des Neukabels im Überbohrloch. Das Bentonit der Bohrspülung wird als Bettungsmedium für das Neukabel in der Alttrasse genutzt. Bentonit, ein quellfähiger Ton, hat viele Vorteile für die Kabeleinbettung:
- gutes Wärmeableitverhalten
- sehr weiche und sanfte Einbettung durch feinste und plane Partikelstruktur des Tons
- deutliche Reibungsreduktion (Sand ist geradezu rau gegenüber Bentonit)
- kraftschlüssige Bettung durch Nachquellen des Bentonits und damit Aufbau einer sanften Verbundwirkung zur gesamten Einbettungsumgebung
Der Einsatz des Überbohrverfahrens dient nicht nur dem Austausch von Erdkabeln. In gleicher Verfahrensweise und Ausführungstechnik können auch überalterte Stahlleitungen (z. B. für Gas und Wasser), weitgehend geradlinige Leitungen aus Blei, alte Telefonleitungen in Strangform, lineare Metallelemente (Seilanker), aber auch festsitzende Bohrgestänge für Bergungszwecke überbohrt und damit vom Erdreichverbund gelöst werden.
Defekte, freigeschaltete Altkabel werden an zwei Stellen in Baugruben getrennt und jeweils ein Stück herausgeschnitten. Auf der HDD-Maschinenseite wird der am Bohrgestänge angeschraubte Überbohrkopf sehr flach und auf Überfahrhöhe zum Altkabel lageparallel über das Kabel gefahren. Danach wird das ca. 30 cm überfahrene Altkabel mittels Kabelschuh oder Ziehstrumpf und einer Seilverbindung zugfest mit der Halterung verbunden. Der Überbohrkopf wird danach unter links-rechts-schwenkenden Bewegungen über das Altkabel gefahren. Aufgrund dieser Schwenkbewegungen wird das besonders fest verbundene Bohrgestänge in einer Geschwindigkeit von ein bis zwei Meter pro Minute über das Altkabel gefahren. Der TT-Überbohrkopf ist so konstruiert, dass er auch einen schlängelnden Lageverlauf des Altkabels nachfahren kann. Das Altkabel bildet die Zwangsführung für den Überbohrkopf, der in gleichmäßigem Abstand um das Altkabel die anhaftende Sandbettung bzw. das anhaftende Erdreich in einem sehr schmalen Ringkranz freischneidet. Nach Überfahrung der abgetrennten Altkabelstrecke wird der Überbohrkopf vom Bohrgestänge abgeschraubt und ein Ziehstrumpf oder Kabelschuh für den Einzug des Neukabels vorbereitet. In der Zwischenzeit kann das freigebohrte Altkabel von der Startseite her mit einer Seilwinde oder einem Bagger gezogen werden. Exakt in den freigewordenen Altkabelverlauf kann mit dem im Bohrloch befindlichen Bohrgestänge nun das neue Kabel lagegleich eingezogen werden. Keinerlei Bestandspläne müssen hierfür neu eingemessen werden, lediglich das neue Kabel wird im Kartenwerk vermerkt. Sowohl die hohe Austauschgeschwindigkeit (ca. 120 m Kabelüberbohrung in ein bis zwei Stunden) als auch die Einsparung von Vermessungskosten machen das Verfahren besonders wirtschaftlich.
Ähnlich wie beim Kabelaustausch können verschweißte Stahlleitungen auch über Verbindungswülste hinweg überbohrt und so vom Bettungsverbund gelöst werden. Sollten die Leitungen durch Korrosion geschwächt sein, so kann ein dünnes Bohrgestänge eingefahren werden. Über dieses Innengestänge kann die Altleitung dann abrissfrei ausgezogen werden.
Abseits vom Kabel- und Rohrleitungsaustausch durch HDD-Überbohren kann bei grabenloser Neuverlegung im HDD-Verfahren ein Bohrgestänge im Untergrund festklemmen. Das Gestänge kann durch das TT-Überbohrverfahren unter Nutzung des Klemmgestänges als Führung einfach wieder freigebohrt werden, so dass die Bohrarbeiten schnell fortgesetzt werden können. Sollte sich beim Rohreinzug die Leitung (z. B. durch Holzeinlagerungen oder Trümmerschutt) einklemmen, so kann sie ebenfalls mit der Überbohrtechnik „befreit“ werden. Ein Herausfahren, Überprüfen und ggf. Austauschen dieser Leitungen gebietet sich danach von selbst.
Viele Leitungen weisen mit den Jahren Bettungsschäden auf, die vor allem durch Einsandung und ungleiche Verdichtung verursacht werden. Sandkörner des Leitungsbettes und Bodenfeinteile aus den Flanken des ehemaligen Leitungsgrabens können migrieren, das heißt sich unterirdisch verlagern und auf diese Weise zu Defiziträumen in der unmittelbaren Leitungsbettung führen.
Die Baustellenfotos auf dieser Doppelseite zeigen Kabelaustauschanwendungen unter einem Fußgängerverbindungsweg in der Wohnsiedlung Buchhalde in Dettingen/ Erms im Landkreis Reutlingen. Hier mussten defekte 10 kV-Erdkabel aus den 1970er Jahren ausgetauscht werden. Dazu wurden Grundodrill 13 X-Bohranlagen eingesetzt, auf denen TT-Überbohrköpfe mit kurzen, gegenläufig gestellten, kantigen TCI-Schneidbits an der austauschbaren Frontscheibe und mit Innenabweisring zum Einsatz kamen. Die Austauschstrecke unter dem Treppenweg bei Dettingen/Erms umfasste 125 m.
Im Überbohrverfahren steckt ein erhebliches Anwendungspotential. Bislang konnten Bohrgeschwindigkeiten von bis zu drei Metern pro Minute erreicht werden. Noch größere Längen und Durchmesser werden angestrebt, ebenso die Überbohrung von Tonrohr-, Guss- und Keramikleitungen und deren Austausch. Überbohrverfahren nutzen die Linienführung der alten Leitung, verbrauchen keinen neuen unterirdischen Raum, sind kostengünstig, bergen die Altleitung vollständig und sorgen dank Bentonit und anderen weichen Füllstoffen für eine optimale Leitungsbettung im alten und gleichzeitig neuen Leitungsverlauf. Der grabenlose Kabelaustausch benötigt zudem nur eine minimale Baustelleneinrichtung, da nur punktuelle Eingriffe in die Altleitung erforderlich sind. Die Vorhaltung von Maschinen und Geräten ist ebenfalls minimal.
Die Neukabel können direkt in die Alttrasse und damit ins Erdreich, aber auch in Schutzrohre oder perforierte Schutzrohre eingezogen werden.
BAYER, H.-J. (2002): Überbohrverfahren zum Austausch von Alt-Kabeln und Alt- Leitungen. Iro-Schriftenreihe Bd. 25, S. 616-618, Vulkan-Verlag, Essen.
BAYER, H.-J. (2004): Grabenloser Kabelaustausch durch Überbohren. ew 4/2004, S. 44-47, VDEW-Energieverlag, Frankfurt/ Main.
BAYER, H.-J. (2005): HDD-Praxis-Handbuch, 196 S., Vulkan-Verlag, Essen.
BAYER, H.-J. (2006): Erdkabelaustausch in geschlossener Bauweise. bi Umweltbau 6/2006, S. 19-21, Kiel.
NAUJOKS, G. (2002): Breite Leistungspalette in der gesteuerten Horizontalbohrtechnik, 3R Int. Heft 1, S. 32-34, Essen.
Tracto-Technik GmbH (Hrsg., 2004): Horizontalspülbohrungen intelligent gelöst. Informationsschrift Fa. Tracto-Technik, 71 S., Lennestadt.
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