Glasfaser-Schlauchliner gibt deformiertem Abwasserkanal Halt

26.09.2006

Das Kanalnetz im Ortskern der 11.000-Einwohner- Stadt Schlitz im Vogelsbergkreis unterliegt den Anforderungen der Hessischen Eigenkontroll-Verordnung für Abwasserkanäle. Diese verpflichtet Kanalnetzbetreiber nicht nur zur Zustandskontrolle ihrer Anlagen, sondern auch zur systematischen Behebung von Schäden nach der Prioritätenliste. Bei der Sanierung nach einem vom Ingenieurbüro Ohlsen, Grünberg, erarbeiteten Konzept, das bis August 2006 realisiert wurde, kamen mehrheitlich grabenlose Techniken zum Einsatz. Besonders interessant war die Auskleidung eines baufälligen Sammlers DN 700 im Ortskern durch einen 75 Meter langen Liner des lichthärtenden Berolina Liner Systems.

Bei der TV-Inspektion des Schlitzer Kanalnetzes waren im Bereich des Ortskerns 329 sanierungsbedürftige Defekte der Schadenklassen 0 und 1 nach DWA-Merkblatt M 143 identifiziert worden. Das Sanierungskonzept des Ingenieurbüros Ohlsen, Grünberg, sah neben der Reparatur von 115 schadhaften Stutzen, der Installation von 145 bis zu 2,50 Meter langen Kurzlinern in Nennweiten bis zu DN 600 sowie 21 offenen Erneuerungsmaßnahmen auch vier Inliner-Installationen vor - davon eine in der Bahnhofstrasse, der Hauptverkehrsstraße von Schlitz. Hier traf ein stark geschädigter Betonkanal DN 700 auf die extreme Verkehrsdichte von fast 10.000 KFZ in 24 Stunden: dies schloss eine offene Erneuerung aus, da dann die Haupt-Ortsdurchfahrt längerfristig hätte gesperrt werden müssen.
Außerdem lag der Startschacht der defekten Leitung mitten auf der Kreuzung zweier Hauptverkehrsstraßen. Hinzu kam eine Tieflage des Kanals von 4,00 Metern, was eine herkömmliche offene Baumaßnahme zusätzlich erschwert, verlängert und verteuert hätte. Weitere Argumente, die hier für eine grabenlose Lösung sprachen, waren die absehbare Beeinträchtigung des umliegenden Einzelhandels und eine Vielzahl kreuzender Versorgungsleitungen. Im übrigen hätte nicht nur für das Abwasser des Hauptsammlers von Schlitz eine Wasserhaltung installiert werden müssen, sondern auch für das in diesem Bereich dauerhaft anstehende Grundwasser. Solche Randbedingungen, insbesondere die intensive Verkehrsbelastung, waren letztlich auch für die Wahl des Schlauchlining-Verfahrens maßgeblich mit ausschlaggebend: Hier galt es, mit minimalem technischen Equipment in einem Zeitfenster zu agieren, das so klein wie irgend möglich gehalten werden musste - eine Vorgabe, die letztlich nach Ansicht der Planer des Ingenieurbüro Ohlsen vor allem durch lichthärtende, Glasfaser-basierte Verfahren konsequent zu erfüllen war.
Und so kam im Zuge einer öffentlichen Ausschreibung schließlich die Swietelsky-Faber GmbH, Landsberg, mit dem Berolina Liner-System zum Zuschlag. Das Berolina Liner System basiert auf einem nahtlosen Glasfaserschlauch, der aus drei überlappenden Bahnen von Glaslaminaten gebildet wird und unter Vakuum mit einem UV-Licht-reaktiven UP-Harz getränkt wird. Der Schlauch ist seinerseits beidseitig in lichtdurchlässige Kunststoffolien gehüllt. Diese Schlauchkonstruktion bietet größte Flexibilität bei der formschlüssigen Anpassung des Liners an die Rohrinnenwand im Zuge der Installation. Bei dieser wird der Liner, den man in einer lichtdichten Transportverpackung an der Baustelle angeliefert hat, per Winde in den Kanal eingezogen und durch Luftdruck aufgestellt.
Eine Folienbahn in der Kanalsohle schützt den Schlauch beim Einbau vor mechanischer Beschädigung und Harzaustrag. Durch den pneumatisch aufkalibrierten Schlauch zieht man mit definierter Geschwindigkeit einen Zug von UV-Lampen, deren präzise dosierte Strahlung zur unmittelbaren Reaktion des UP-Harzes führt. Aus dem Schlauch wird dabei innerhalb kürzester Zeit ein selbsttragender Liner, der sich durch höchste Korrosionsfestigkeit und mechanische Belastbarkeit auszeichnet. Im aktuellen Liner-Report des IKT Instituts für Unterirdische Infrastruktur, Gelsenkirchen, wurde dem Berolina Liner-System eine hervorragende Qualität attestiert [ 1 ].
In dem stark geschädigten Kanal DN 700 in der Bahnhofstraße mit Altrohrzustand III und einer geradezu "klassischen" Gelenkringverformung bei punktuell bis zu 15 % Abweichung vom Kreisquerschnitt wählten die Planer eine Liner-Wandstärke von 9 Millimetern, um die geforderten statischen Parameter zu erreichen. Um mit dem statischen Nachweis auf der sicheren Seite zu liegen, wurde eigens ein externes statisches Gutachten vom Sachverständigenbüro ILL GmbH, Detmold, eingeholt.
Der Einbau begann nach "Startschuss" durch Swietelsky-Faber-Bauleiter Dipl.-Ing. Reiner Korn am 31. August 2006 um 8 Uhr mit einigen vorbereitenden Arbeiten. Ab 3.00 Uhr in der folgenden Nacht konnte der bis dahin vollständig ausgehärtet Liner aufgefräst und am folgenden Vormittag mit geöffneten Anschlussstutzen wieder in Betrieb genommen werden. Dabei dauerte die eigentliche Lichthärtung -bei einer vom Liner-Hersteller vorgegebenen Fahrgeschwindigkeit des Lampenzuges von 10 Zentimetern pro Minute rund 13 Stunden. Währenddessen wurden sämtliche technischen Parameter der Installation minutiös gemessen und aufgezeichnet. Die nachvollziehbare Dokumentation des Prozesses ist eine wesentliche Säule der Qualitätssicherung neben der werkseitigen Kontrolle des Schlauches sowie der Fremdüberwachung des Sanierungsergebnisses durch ein externes Prüflabor. Während des gesamten Vorgangs waren die Verkehrsbehinderungen auf das unvermeidliche Minimum begrenzt. Hier konnte das lichthärtende Verfahren seine logistischen und zeitlichen Vorzüge einmal mehr voll ausspielen.
Der Liner in der Bahnhofstrasse war der technologische Höhepunkt des Kanalsanierungsprogramms im Ortskern von Schlitz, das vom Ingenieurbüro Ohlsen nicht nur geplant, ausgeschrieben und vergeben, sondern auch im Zuge der Bauausführung komplett koordiniert und überwacht wurde. Ein großer Erfolg nicht nur für die Stadt Schlitz und die Planer, sondern auch für die bauausführenden Unternehmen. Die Zusammenarbeit der Projektbeteiligten, darüber waren sich alle einig, habe "für ein so anspruchsvolles Projekt hervorragend geklappt".
[1] Die Spanne weitet sich: IKT Liner-Report 2004/2005 in: bi UmweltBau 1/2006 S. 56-59
Ausführendes Unternehmen
Swietelsky-Faber GmbH
Niederlassung Landsberg
Herrn Dipl.-Ing. Reiner Korn
Graf Zeppelin-Straße 12
86899 Landsberg
Tel. 08191 / 98 59 95 0
E-Mail: korn@swietelsky-faber.de

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