Bei der Gründung der EntsorgungsBetriebe Solingen (1995) war eine der ersten Arbeitsaufträge das Ziel, innerhalb von 20 Jahren das Kanalisationsnetz der Stadt Solingen (ca. 600 km Mischwasserkanal, 165.000 Einwohner) gegen Ex- und Infiltration zu schützen. Seit diesem Zeitraum wurden mehr als 5,0 Mio. Euro in die Abdichtung des öffentlichen Entwässerungssystems investiert. Bis Mitte 2003 konnte der Zulauf von nicht gewünschtem und gewolltem Fremdwasser merklich reduziert werden. Ab 2004 ist jedoch in den renovierten Einzugsgebieten der Fremdwasseranteil wieder angestiegen. Dieser Sachverhalt führte zu der Entscheidung, für den Bereich der privaten Abwasseranlagen eine vergleichbare Konzeption zu erarbeiten, wie sie schon für die öffentliche Kanalisation in Solingen vorhanden war.
In NRW ist ein Kanalnetzbetreiber per Gesetz verpflichtet, sein Entwässerungsnetz regelmäßig zu untersuchen. Bei der Feststellung von Schäden müssen diese in einem festgelegten Zeitraum saniert werden. Parallel hierzu ist der private Grundstückseigentümer lediglich aufgefordert, bis zum Jahr 2015 auf Nachfrage die Dichtheit seiner privaten Entwässerungsanlagen nachzuweisen. Diese Situation würde für die EntsorgungsBetriebe Solingen bedeuten, bis zu diesem Zeitpunkt ca. 10 Mio. Euro investiert zu haben, um dann feststellen zu müssen, dass das Fremdwasser über undichte private Leitungen durch eine dichte öffentliche Kanalisation zur Kläranlage abgeleitet würde. Ein solches Ergebnis macht volkswirtschaftlich keinen Sinn.
Vor diesem Hintergrund bestand die Vorgabe darin, eine Strategie zu entwickeln, bei der die gesetzlichen Vorgaben eingehalten, die wasserwirtschaftliche Notwendigkeit berücksichtigt und die monetären Zwänge und Probleme der Grundstückseigentümer mit einfließen.
Als erstes war zu klären, wie man jemanden bewegen kann, etwas zu veranlassen, was sein Geld kostet, formal erst im Jahr 2015 notwendig ist und unter Umständen gar nicht abgefragt wird. Hierzu wurde von den EntsorgungsBetrieben Solingen entschieden, den gleichen Weg einzuschlagen, wie er 1995 bei der Sanierungsstrategie für den Hauptkanal gewählt wurde. Im Mittelpunkt sollten sowohl die Produktqualität, die Qualifikation als auch die Kompetenz der handelnden Personen sowie eine hohe Kundenorientierung stehen, um letztlich ein technisch und wirtschaftlich optimales Ergebnis zu erreichen.
Durch eine optimierte und effiziente Organisation konnte im Bereich der Zustandsbefahrung im Hauptkanal ein Zeitfenster geschaffen werden, durch das im Rahmen der Untersuchungen im Hauptkanal auch die privaten Grundstücksanschlusskanäle im öffentlichen Straßenraum kostenfrei für den Gebührenzahler untersucht werden können.
Auf Grund der Vorhaltung aller notwendigen Gerätschaften bei der Untersuchung des Hauptkanals und der Grundstücksanschlussleitung ist es gelungen, die noch durchzuführende Untersuchung der Hausanschlussleitung so zu organisieren, dass diese Zustandsuntersuchung dem Grundstückseigentümer für eine geringe Aufwandsentschädigung angeboten werden kann, um einen Zustandsüberblick für den gesamten Hausanschluss zu erhalten.
Im Rahmen der Vorbereitung zur Sanierungsstrategie für private Abwasserleitungen wurde festgestellt, dass Untersuchungen und Analysen von Forschungsvorhaben zur Dichtheit von Kanalrohrverbindungen eindeutig zeigen, dass ab einem bestimmten Alter von Abwasserkanälen von einer Undichtigkeit ausgegangen werden muss. Alle Kanalrohre, die vor 1965 verlegt wurden, haben meistens Dichtungen aus einem teergetränkten Hanfstrick erhalten. Die Auswertung der Forschungsergebnisse sowie eigene Untersuchungen bei Grundstücksleitungen aus dem Zeitraum 1950 - 60 haben diese These bestätigt. Hierzu wurden in einer Siedlung im Stadtteil Solingen Wald die Hausanschluss- und Gebäudegrundleitungen auf ihre Dichtheit überprüft.
Die Wohnhäuser in der Rubensstraße im Stadtbezirk Solingen-Wald wurden 1939 errichtet. Es handelt sich um einen typischen Siedlungsbau für diese Zeit. Die einzelnen Häuser wurden entwässerungstechnisch mit einander verbunden und das Abwasser wurde an einer zentralen Stelle zum Hauptkanal abgeleitet.
Zur Überprüfung der Rohrdichtheit wurde das vorhandene Grundleitungssystem unter der Kellersohle und zwischen den Gebäuden freigelegt. Ein Teilstrang der Grundleitung wurde dann durch die Anordnung von Abdichtungsblasen trocken gelegt und auf ihre Dichtheit überprüft. Die Anordnung der Probestrecke wurde so gewählt, dass der Abwasserrückstau in der Verbindungsleitung zwischen dem Gebäude Nr. 8 und Nr. 6 stattfinden würde. Zum Setzen der Abdichtungsblase wurde in einer Baugrube vor dem Gebäude Rubensstraße 8 (Bild 4) und unter der Kellersohle (Bild 5) das Abwasserrohr aufgeschnitten.
Innerhalb des Kellergeschosses wurde das Rohr so freigelegt, dass eine Rohrverbindung aufgenommen und ihre Abdichtung betrachtet werden konnte. Außerhalb des Gebäudes wurde eine Rohrverbindung freigelegt, um ihre Dichtheit bei aufstauendem Wasser im Rohr überprüfen zu können.
Das Ergebnis dieser Dichtheitsüberprüfung deckte sich mit den Auswertungen von Veröffentlichungen aus dem gesamten Bundesgebiet. Die Überprüfung der Rohrdichtheit wurde mit Luftdruck gemäß der DIN EN 1610 LD durchgeführt. Der Prüfdruck betrug 200 mbar, das geprüfte Abwasserrohr hatte einen Durchmesser von 200 mm und eine Länge von 10,5 m und bestand aus gebranntem Ton (Steinzeug). Der Druck im Rohr überschritt zu keinem Zeitpunkt 50 mbar.
Dies bedeutet, dass nicht einmal 25 % des geforderten Mindestdruckes erreicht wurde.
Nach der Druckprobe wurde das geprüfte Abwasserrohr im Bereich einer Rohrverbindung aufgeschnitten und auseinander gebaut.
Die Überprüfung der Rohrverbindung zeigte, dass es keine Rohrdichtung mehr gab.
Vereinzelt wurden Fragmente von einem damals verwendeten, in Teer getränktem Hanfband gefunden.
Nach Abschluss der Dichtheitsuntersuchungen (ca. 60 min.) hatte sich die Baugrube zwischen den Gebäuden 8 und 6 mit Abwasser gefüllt. Somit war auch hier der Beweis geführt, dass bei einem schon geringen Wasserdruck einer Ex- bzw. Infiltration kein Widerstand entgegen stand. Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse halten die EntsorgungsBetriebe Solingen es für nicht verantwortbar, eine obligate Dichtheitsprüfung im Bereich privater Abwasserleitungen zu verlangen, ohne dass das Herstellungsjahr der Abwasserleitung berücksichtigt wird. Die heute geforderte hohe Verlegequalität und -sicherheit mit Dichtungssystemen auf der Basis von Elastomeren (vulkanisierter Gummi) gibt es erst seit ca. 30 Jahren. Es ist aus diesem Grund nicht richtig, für Entwässerungsleitungen, die vor diesem Zeitpunkt erstellt wurden, das gleiche Dichtheitsprozedere wie für die neuzeitliche Verlegetechniken zu verlangen.
Die EntsorgungsBetriebe Solingen gehen sogar noch weiter, es ist dem Bürger nicht vermittelbar, eine Abwasserleitungen erst zu reinigen, dann optisch zu inspizieren, um danach bei einer Dichtheitsprobe die Undichtigkeit festzustellen. Jedem Fachunternehmer müsste bei der Überprüfung des Baujahres der Rohrleitungen die Unsinnigkeit dieses Ablaufes klar sein. Aus diesem Grund plädieren die EntsorgungsBetriebe Solingen dafür, bei der Überführung des § 45 BauO NRW in das Landeswassergesetz NRW hier eine dringend notwendige Veränderung vorzunehmen. Eine solche Anpassung würde zugleich auch einen weiteren Vorteil mit sich bringen. Ein Grundstückseigentümer mit einem Gebäude, das vor 1970 errichtet wurde, muss dann keine 1.000 € ausgeben, um etwas festzustellen, was ihm bei einer seriösen, qualifizierten Beratung vorher hätte mitgeteilt werden können. Eine solche Vorgehensweise verschafft dem Betroffenen einen monetären Vorteil, den er mit Sicherheit bei einer erforderlichen Renovation seiner undichten Abwasserleitung sehr gerne in Anspruch nehmen würde. Von den 25.000 abwassergebührenpflichtigen Grundstücken in Solingen haben ca. 50 % Abwasserleitungen, die vor 1970 verlegt wurden. Dies bedeutet ein freiwerdendes Investitionspotential zur Abdichtung von undichten Kanalhaltungen von 12,5 Mio. €, nur für Solingen. Dieser Sachverhalt verdeutlicht, warum hier der öffentliche Kanalnetzbetreiber als Dienstleister für seine Zwangskunden, den Abwassergebührenzahler, gefordert ist.
Qualitätskontrolle bei den Sanierungsfirmen Als nächster Schritt musste nun sicher gestellt werden, dass der Grundstückseigentümer bei der Entscheidung für eine Renovation seiner Abwasserleitungen nicht nur ein hochwertiges Produkt sondern auch eine sehr gute Arbeitsqualität erhält. Im Rahmen eines öffentlichen Teilnahmewettbewerbes konnten Fachfirmen aus dem Bereich Hausanschlusssanierung die Gelegenheit gegeben, ihre Kompetenz unter Beweis zu stellen. Es wurden zur Sicherstellung der anerkannten Regeln der Technik Qualitätskriterien festgelegt, die von dem Sanierungsfachbetrieb zu erfüllen waren, um für den ausgelobten Teilnahmewettbewerb zugelassen zu werden. Die Auswertung dieser Vorprüfung zeigt, dass viele Firmen weder zertifiziert oder nach den Vorgaben des WHG § 19 oder dem Güteschutz Kanalbau geschult bzw. organisiert waren. Alle Firmen verwendeten jedoch Materialien bzw. Systeme, die durch DIBt für den Einbau auf privatem Grund zugelassen sind. Auf dem Betriebsgelände der EntsorgungsBetriebe Solingen wurden zwei Testbereiche erstellt. Zum einen sollte eine defekte und undichte Hausanschlussleitung saniert werden. Zum anderen wurde ein Grundleitungssystem simuliert, in dem alte z. T. gebrochene Rohre ohne Dichtungen verlegt wurden.
Allen Firmen, die an der Testbaustelle teilnahmen wurde vorher mitgeteilt, dass die Qualität ihrer Arbeit in einem Materialprüfungslabor geprüft und bewertet würde. Die Prüfungen deckten die Bereiche Biegefestigkeit (sB), Elastizitätsmodul (E), Wanddicke (Wd), Kriechneigung (KN) und Ringsteifigkeit (SR) ab, die prozentual gewertet wurden. Zur Vergleichbarkeit mit den DIBt-Zulassungen wurden die Probeergebnisse zu den hinterlegten Anforderungen in ein Verhältnis gesetzt.
Prüfung | min. | i. M. | max. |
δB | 75 % | 131 % | 174 % |
E | 84 % | 96 % | 107 % |
SR | 29 % | 48 % | 397 % )* |
KN 24 h | - 726 % | - 384 % | - 152 % |
Wd | 66 % | 88 % | 141 % |
)* Einzelwert
Bild 14: Ergebnisse der Hausanschlussliner aus der 1. Testserie in Solingen Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse wurden die betroffenen Linerhersteller zu einem Fachgespräch eingeladen, bei dem die Ursachen für die schlechten Ergebnisse diskutiert und analysiert wurden. Im Rahmen dieses Treffens (Dezember 2005) sollte den Herstellern deutlich gemacht werden, dass sich ein gutes Produkt bei falscher Verwendung zu einem schlechten Produkt wandelt. Ein betroffener Grundstückseigentümer würde bei einer mangelhaften Renovation mit Sicherheit keinen Unterschied zwischen Systemhersteller und Einbaufirma machen. Nach eingehender Diskussion mit den Herstellern wurde ein erneuter Test beschlossen. Die Linerhersteller konnten Firmen benennen, die nach ihrer Überzeugung eine hohe Kompetenz und Qualifikation besitzen. In Abstimmung mit den Herstellern wurden auch die Zulassungsbedingungen modifiziert.
- DIBt-Zulassung 60 %
- Schulung d. Hersteller 15 % )*
- Gütezeichen RAL GZ961
- Gruppe S 29. 20 %
- DIN EN ISO 9001 5 %
)* Schulungszertifikat muss vorgelegt werden, die geschulten Personen müssen auf der Baustelle tätig sein und Geräte des Systemherstellers
Unter den vorgenannten Rahmenbedingungen wurden von den Linerherstellern 6 Firmen benannt, die unter gleichen Bedingungen und Voraussetzungen an einer zweiten Testreihe teilnahmen. Die Auswertung der Materialprüfungen zeigten nun deutliche Verbesserungen, waren aber immer noch nicht befriedigend.
Prüfung | min. | i. M. | max. |
δB | 93 % | 130 % | 232 % |
E | 101 % | 128 % | 172 % |
SR | 32 % | 125 % | 225 % |
KN 24 h | - 555 % )* | - 23 % | - 102 % |
Wd | 75 % | 111 % | 146 % |
)* Einzelwert
Bild 15: Ergebnisse der Hauanschlussliner aus der 2. Testserie mit den von den Systemherstellern empfohlenen Sanierungsfirmen Die Ergebnisse beider Testreihen wurden analysiert, um die Gründe zu finden, die zu den unbefriedigenden Ergebnissen führte. Bei der ersten Testserie lag ein wesentlicher Anteil der Fehler in der Bauausführung. Die zum Teil nicht vom Hersteller geschulten Firmen haben durch unzureichende Vermischung der Harze und Härter den Grundstein für alle Folgefehler gelegt. Des Weiteren konnte nachgewiesen werden, dass durch unkalkulierbaren Harzverlust in Risse und undichten Muffen die Mindestwandstärken unterschritten wurden. Diese Probleme sind bei der zweiten Testreihe nicht mehr in dieser Form aufgetreten.
Beim zweiten Teilnahmewettbewerb wurden die Renovationen ausschließlich von geschultem Personal durchgeführt, trotzdem konnten nicht in allen Bereichen gute Ergebnisse erzielt werden. Vor Beginn der zweiten Serie nahmen die Mitarbeiter der EntsorgungsBetriebe Solingen gezielt an Produktschulungen der Hersteller teil, um das Vorgehen und die Arbeitsabläufe der Teilnehmer beurteilen zu können. Auf Grund dieser zusätzlichen Qualifizierung konnte ein wesentlicher Mangel erkannt werden, der nicht im Handwerklichen oder am eingesetzten Material seinen Ursprung hatte.
Die Untersuchungen ergaben, dass schon bei der Planung zur Probeentnahme eine hohe Sorgfalt und Umsicht notwendig ist. Grundsätzlich muss in jedem Einzelfall geprüft werden, ob in den beengten Verhältnissen auf den privaten Grundstücken die entnommene Probe repräsentativ für die Haltung ist oder Fehler bei der Probeentnahme die Ergebnisse beeinflussen können.
So wurde festgestellt, dass auf Grund der örtlichen Verhältnisse bei der Probeentnahme der Schlauch stark verformt wurde und somit nicht mehr als repräsentativer Probenausschnitt angesehen werden kann. Des Weiteren wurde erkannt, dass das Harz über die Verdichtung aus dem Schlauch/Probestück gequetscht wird und dadurch ein Harzmangel am Probestück entstand, obwohl das Laminat in der Haltung einwandfrei war. Ebenso gab es einen Fall, wo die mechanischen Eigenschaften auf Grund der hohen Verdichtung gut waren, aber die vorausberechneten Wandstärken nicht erreicht wurden. Einige Schläuche waren auch zu kurz konfektioniert. Dies hatte zur Folge, dass der Schlauch im Proberohr (Reststück) nicht mehr hinreichend mit Harz getränkt war und dadurch für die Qualitätsprüfung des Gesamtliners nicht mehr geeignet war. In fast allen Fällen konnte der Prüfer der Probe nicht ansehen, dass sie durch solche vermeidbaren Fehler für die durchzuführenden Prüfungen ungeeignet ist und letztlich durchfallen wird. Ist das Ergebnis negativ, wird eine Zweitprobe notwendig. Dies führt zwangsläufig zu Unverständnis und Ärger bei der betroffenen Sanierungsfirma, zur Verunsicherung beim Hauseigentümer/Auftraggeber und verursacht zusätzliche Kosten. In mehreren Fällen wurde bei der nachträglichen zweiten Probe ein Schlauchteil aus dem renovierten Rohr entnommen, also nicht durch ein Proberohr am Ende der sanierten Leitung. Alle nachträglichen Untersuchungen ergaben befriedigende Ergebnisse, so dass die Vermutung, die Untersuchungsmethodik ist mit einer hohen Fehlerquote behaftet, bestätigt wurde.
Vor diesem Hintergrund wurde eine Arbeitsgruppe (EntsorgungsBetriebe Solingen / Ing.-Büro Siebert + Knipschild) gebildet, die als Zielsetzung die Aufgabe hatte, ein alternatives Prüfverfahren zur Qualitätsbeurteilung von Schlauchlinern im Querschnittbereich kleiner DN 200 zu finden. Dieses alternative Verfahren sollte einen adäquaten Ersatz sowohl für die kostenintensiven mechanischen Prüfverfahren, mit den problematischen Probeentnahmeverfahren, darstellen, als auch der Feststellung Rechnung tragen, dass der Liner erst Wochen nach dem Einbau seine Endfestigkeit und -werte erreicht. Im Rahmen der Problemdiskussion kam ein Verfahren ins Gespräch, das seit langer Zeit in der Kunststofferzeugenden und -verarbeitenden Industrie etabliert ist. Die Dynamische - Differenz – Kalorimetrie (DDK), engl. Differential Scanning Calometry (DSC), ist eine Methode aus dem Bereich der thermischen Analyse. Für die Qualitätssicherung ist über die Bestimmung der Glasübergangstemperatur bereits die aussagekräftige Charakterisierung von Materialien möglich.
Die DSC-Analyse erlaubt es, mit sehr kleinen Probestücken eindeutige Aussagen zur Glasübergangstemperatur (einer Kenngröße für Kunststoffe), die in guter Korrelation zu den mechanischen Eigenschaften steht, zu treffen.
Für die Bestimmung des Aushärtungsgrades eines Hausanschlussliners ist die DSC-Methode hervorragend geeignet, in dem die Glasübergangstemperatur einer Probe ermittelt werden kann. Allein über die Glasübergangstemperatur lässt sich eine eindeutige Aussage zum Härtungsgrad des Schlauchliners treffen. Des Weiteren sind die Kennwerte Elastizitätsmodul und Glasübergangstemperatur bei Kunstharzen vom Vernetzungsgrad der Matrix abhängig. Da eine nachweisliche Korrelation zwischen dem E-Modul und dem Aushärtungsgrad besteht, kann dieser als Ersatzkenngröße angewendet werden. Durch diese Vorgehensweise lässt sich das Erreichen der in der DIBt-Zulassung oder der Eignungsprüfung des Herstellers angegebenen Anforderungen ausreichend und angemessen überprüfen. Der Vernetzungsgrad der Matrix steht auch in guter Korrelation zur chemischen Beständigkeit des verwendeten Harzes.
Die geringe erforderliche Probengröße macht es möglich, die Proben direkt aus der Haltung zu entnehmen, d. h. die entnommene Probe ist in jedem Fall repräsentativ für die untersuchte renovierte Haltung. Von den EntsorgungsBetrieben Solingen wurden verschiedene Methoden zur Entnahme von Probestücken aus einer sanierten Haltung untersucht. Als eine für die DSC-Analyse völlig ausreichende Methodik ist die Entnahme mittels einer Akkubohrmaschine mit einer ca. 25 mm großen Hartmetallbohrkrone. Auf diese Weise kann bei sanierten Kanalrohren ab DN 150 gefahrlos von der Revisionsöffnung ein Probestück nach der Aushärtung des Schlauchliners entnommen werden. Die entwickelte Vorgehensweise wird seit Anfang 2006 obligat von den EntsorgungsBetrieben Solingen angewendet.
Auf Grund der bislang festgestellten Ergebnisse der DSC-Messungen haben die EntsorgungsBetriebe Solingen im September 2006 sowohl zwei Schlauchlinerhersteller, das begleitende Materialprüflabor als auch das Fachmagazin bi UmweltBau zu einem Fachgespräch eingeladen. Veranlasst durch die Diskussion im Rahmen des Fachgespräches in Solingen haben die Firmen KOB/Brawoliner und EPROS entschieden, an ihren Produkten die Untersuchungen um die Korrelation der klassischen linearen Bruchmechanik mit dem Verfahren der thermischen Analyse (DSC) zu prüfen.
Gegenstand dieser Untersuchungen ist auch die Änderung der Kriechneigung über einen Zeitraum von mehreren Wochen nach der Renovation. Diese ist von besonderem Interesse, da die Prüfung der Baustellenproben zeigten, dass einige der untersuchten Systeme die Anforderungen in Bezug auf ihre Kurzzeiteigenschaften bereits erfüllt hatten, die Kriechneigung jedoch eine große Diskrepanz zu den Vorgabewerten zeigte. Da eine zeitnahe Probeentnahme ebenso wünschenswert wie notwendig ist, sind nachweisbare Erkenntnisse aus der Beziehung zwischen den Kurzzeitwerten und dem Langzeitverhalten bei Schlauchlinern von großer Bedeutung. Sollten sich die Erwartungen bezüglich des geringen Aufwandes der Probenahme und einer eindeutigen Aussage zur Qualität des Liners bestätigen, haben beide Systemanbieter die Absicht, das Prüfverfahren der thermischen Analyse mittels DSC in ihre DIBt-Zulassung mit aufnehmen zu lassen. Des Weiteren sollen die Ergebnisse der Untersuchungen zeigen, inwieweit die in den jeweiligen Erstzulassungen ermittelten Kennwerte der 24 h Kriechneigung praxisgerecht sind. Auch hier bestehen Überlegungen in Abhängigkeit von den Untersuchungsergebnissen Anpassungen an den bestehenden DIBt-Zulassungen vorzunehmen.
Nach diesem Fachgespräch mit der bi UmweltBau und den Firmen KOB und EPROS, haben die EntsorgungsBetriebe Solingen den Kontakt zu den anderen Herstellern und den in der Region tätigen Sanierungsfirmen aufgenommen. Im November 2006 wurde eine Informationsveranstaltung in Solingen durchgeführt, bei der den Anwesenden der Hintergrund und die Vorteile einer DSC-Analyse erläutert wurde. Im Rahmen dieser Veranstaltung wurde den Firmen, die im Stadtgebiet Solingen Renovationsleistungen im privaten Entwässerungsbereich anbieten, erläutert, unter welchen Bedingungen die Firmen eine Zulassung für Solingen erhalten.
In Solingen ist der Hausanschluss ab dem Stutzen am Hauptkanal im Besitz und der Verantwortung des Grundstückseigentümer. Somit hätte der öffentliche Kanalnetzbetreiber keine Zuständigkeit. Aufgrund ihrer Straßenbaulastträgerschaft lässt die Stadt Solingen nur anerkannte Tiefbauunternehmen zur Neuverlegung bzw. Reparatur von Grundstücksanschlussleitungen im öffentlichen Straßenraum zu. Diesen Sachverhalt machen sich die EntsorgungsBetriebe Solingen zu Nutzen. Ab 2006 dürfen Renovationsarbeiten an Grundstücksanschlussleitungen im öffentlichen Straßenraum nur durch von den EntsorgungsBetrieben Solingen anerkannte Fachunternehmen durchgeführt werden. Den Status für ein solches Fachunternehmen erhält man nach positiver Durchführung einer Testbaustelle bei den EntsorgungsBetrieben Solingen. Im Rahmen dieser Testbaustelle muss die Firma ihre fachliche Qualifikation und Kompetenz unter Beweis stellen. Es werden die Arbeitsorganisation und die -qualität überprüft und eine DSC-Analyse des Testliners durchgeführt. Werden alle Tests bestanden, erhält die Sanierungsfirma eine Zulassung für Solingen. Diese Zulassung bedeutet, dass die Firma für Renovationsausschreibungen der EntsorgungsBetriebe Solingen zugelassen ist. Des Weiteren erhält sie die Freigabe, Sanierungsarbeiten im Rahmen des § 45 BauO NRW durchzuführen. Obligat wird die Qualitätskontrolle nach der DSC-Analyse für den Inliner im öffentlichen Straßenraum eingeführt und gefordert. Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass es keine Wettbewerbseinschränkungen gibt und dass nur qualifizierte Fachfirmen tätig sind.
Nach Auffassung der EntsorgungsBetriebe Solingen wird sich mittelfristig die Qualitätsüberprüfung von Inlinern im Hausanschlussbereich durchsetzen. Um eine Vergleichbarkeit der Prüfergebnisse von einem Produkt bei verschiedenen Prüfinstituten sicherstellen zu können, müssen die Untersuchungsparameter und die -methodik abgestimmt werden. Des Weiteren ist es notwendig, dass die Materialhersteller ihre Daten allen Prüfinstituten zur Verfügung stellen. So kann gewährleistet werden, dass auf der Basis einer großen Datengrundlage die Qualität von Renovationsarbeiten konstant gut bleiben. Nur so kann die Akzeptanz bei den privaten Grundstückseigentümern aufgebaut und erhalten bleiben, Geld in die Funktionsfähigkeit und Dichtheit ihrer Entwässerungsanlagen zu investieren. Vor diesem Hintergrund werden die EntsorgungsBetriebe Solingen im Jahr 2007 alle interessierten Prüfinstitute, Linerhersteller und kommunale Netzbetreiber zu einem Erfahrungsaustausch einladen, um über den Weg zu diskutieren, der eingeschlagen werden muss, damit Renovationsqualität vergleichbar wird und bezahlbar bleibt.