Inspektion privater Kanäle in NRW - Aktuelle Situation und Handlungsbedarf
07.01.2005
Der Zustand der privaten Kanäle ist in Deutschland bei einer geschätzten Schadensquote von 50-90% flächendeckend ein Problem. Im nordrhein-westfälischen Landtag fand am 17.11.2004 eine Expertenanhörung zu diesem Thema statt.
- An der Überprüfung der Dichtheit von Hausanschlusskanälen sind insbesondere die fachlich für Abwasserentsorgung Zuständigen interessiert, die damit eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation im Betrieb von Kläranlagen und Kanalisationen durch die Reduzierung des Fremdwassereintrages erreichen wollen.
- Des weiteren ist das umweltpolitische Problem, dass durch die Versickerung von unbehandeltem Abwasser im Erdreich entsteht Handlungsgrundlage für die Verbesserung der Dichtheit von Hausanschlusskanälen.
- Weiterhin sind mit der Durchführung von Inspektion und Sanierung von Hausanschlusskanälen in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle private klein- und mittelständische Dienstleistungsunternehmen beauftragt.
- Grundsätzlich sind die Leistungen für Inspektion und Sanierung von Hausanschlussleitungen jedoch in Abhängigkeit von den jeweils geltenden satzungsrechtlichen Regelungen durch den jeweiligen Grundstückseigentümer oder anders dinglich Berechtigten zu finanzieren, mit Ausnahme entsprechender Vereinbarungen im Rahmen von Gebäudeversicherungsverträgen.
Die Durchführung von Dichtheitsprüfungen und die in der Regel darauf folgende Reparatur oder Sanierung der Leitungen hat auch eine arbeitsmarktpolitische Bedeutung insbesondere für die seit Jahren durch Umsatzrückgang und Kostendruck gebeutelte mittelständische Bauwirtschaft und ihr nahe stehende Dienstleistungsbranchen und Marktpartner, wie Ingenieurbüros. Überlegungen zur arbeitsmarktpolitischen Bedeutung sind getragen vom Bemühen klein- und mittelständische Unternehmen, die Leistungen wie Inspektion und Sanierung von Hausanschlusskanalisationen anbieten, weiterhin zu fördern und damit zu einer Stabilisierung des Mittelstandes beizutragen. Entscheidend ist jedoch dabei, dass diese Firmen ihren Kunden eine handwerklich und fachlich fundierte Leistung zu einem vernünftigen Preis anbieten.
Befasst man sich konkret mit der Umsetzung der Anforderungen des § 45 BauO NRW, so muss man feststellen, dass es noch erheblichen Handlungsbedarf gibt, allein um die Anforderungen in den Trinkwasserschutzgebieten bis zum 31.12.2005 zu erfüllen. Verlässliche Zahlen zur Umsetzung der Anforderungen liegen bisher nicht vor. Damit wird die Frage impliziert, ob die Verantwortung für die Umsetzung der Anforderungen richtig geregelt ist. Nach einmütiger Einschätzung der Fachleute ist dies nicht der Fall. Denn die Behörden mit einem natürlichen fachlichen Interesse an der Dichtheit der Hausanschlussleitung, die Wasserbehörden sind nicht zuständig und die verantwortlichen Behörden, die Baubehörden, haben in zahlreichen Fällen ein sehr eingeschränktes Interesse. Wenn man davon aus gehen darf, dass die politisch Verantwortlichen in NRW ein Interesse an der Umsetzung der Anforderungen zur Dichtheit der Hausanschlusskanäle haben, so sind Veränderungen in der Zuständigkeit der einzelnen Behörden dringend geboten. Die Übernahme der Regelungen der Bauordnung in das Landeswassergesetz wird deshalb ernsthaft erwogen. Mit Blick auf die aktuelle Diskussion zur Novellierung des Landeswassergesetzes NRW besteht gerade jetzt die Möglichkeit zu handeln.
Der Fortschritt bei der Überprüfung der Dichtheit privater Kanäle ist besonders in den Kommunen erkennbar, die sich damit intensiv befassen. Damit wird deutlich, nur bei entsprechendem Engagement der kommunal Verantwortlichen sind die anstehenden Fragen zu lösen. Insbesondere mittlere und kleine Kommunen stoßen hier aber sehr schnell an die Grenzen ihrer personellen und vereinzelt auch fachlichen Ressourcen. Private Anbieter von Dienstleistungen haben hier durchaus eine Chance, können jedoch nur dann erfolgreich sein, wenn zumindest das Wohlwollen oder besser noch die Unterstützung der Kommunen vorliegt. Besonders hilfreich kann hierbei sein, wenn entsprechende Regelungen zur Überprüfung der Dichtheit in die kommunalen Abwassersatzungen aufgenommen und der Vollzug der Satzungsregelungen überprüft wird. Es ist bekannt, dass derartige Regelungen kommunalpolitisch unpopulär sind. Man muss deshalb davon ausgehen, dass ein entsprechender zeitlicher Horizont für die Umsetzung einzukalkulieren ist.
Entscheidend für die Entwicklung des Marktpotentials ist es den "Kunden" einen Handlungsbedarf zur Überprüfung der Dichtheit der Abwasser- Hausanschlüsse zu vermitteln. Nach übereinstimmender Einschätzung der Sachverständigen ist der Kenntnisstand bei den Bürgern stark unterentwickelt. Die Kenntnis von einschlägigen Rechtsvorschriften, wie Bauordnung oder DIN vorauszusetzen läuft ins Leere. Man kann durchaus Verständnis haben, wenn Grundstückseigentümer aus Kostengründen der Inspektionsverpflichtung und der daraus möglicherweise resultierenden Reparatur ihres Hausanschlusses zurückhaltend gegenüber stehen. Deshalb ist es notwendig durch Informationen auf unterschiedlichen Ebenen, von Ministerien, Kommunen, Verbänden und Unternehmen auf den Handlungsbedarf hinzuweisen sowie Leistungen werbend anzubieten.
Bei der Analyse des Verhaltens potentieller Auftraggeber ist erkennbar, dass viele Grundstückseigentümer, von großen Wohnungsbaugesellschaften bis hin zum Eigenheimbesitzer, die Untersuchung der Hausanschlusskanäle vor sich her schieben. Die Frist endet außerhalb der Trinkwasserschutzgebiete ja erst 2015. Bei der Beibehaltung dieses Verhalten wird in den Jahren ab 2012 bis 2015 eine wesentlich höhere Nachfrage an Dienstleistungen entstehen, die in der Folge auch ein entsprechendes Angebot nach sich ziehen wird. Gemessen an den heutigen Erfahrungen ist jedoch fraglich, ob die technischen Anforderungen an die Qualität und Durchführung dann gewährleistet sein werden. Diese übersteigerte Nachfrage wird dann nach 2015, zumindest in NRW, wieder sehr schnell nachlassen. Erfahrungen besagen, dass in Zeiten hoher Nachfrage der Qualität der angebotenen Leistung weniger Bedeutung beigemessen wird als zu normalen Zeiten. Somit ist auch hier zu erwarten, dass die Qualität der Dichtheitsprüfung, wie auch die darauf folgenden Sanierung kritisch zu hinterfragen sein wird. Darüber hinaus werden die Kunden dann auch mit höheren Preisen rechnen müssen. In Kenntnis dieses Sachverhaltes ist es nahe liegend Überlegungen zu einer Nachfragestimulierung anzustellen.
Um die Zurückhaltung der Bürger abzubauen und die bereits beschriebenen Effekte des Marktes aus einer übersteigerten Nachfrage vor 2015 zu dämpfen, ist es sinnvoll das Kundenverhalten zu stimulieren und eine frühzeitige Entscheidung zur Inspektion zu belohnen.
- Es ist nahe liegend, diejenigen zu stimulieren, die frühzeitig die Inspektion durchführen lassen. Diese Stimulierung kann mit zunehmender Zeit geringer werden und könnte spätestens 2010 auslaufen.
- Weiterhin sollte in Fällen besonders hoher Belastungen der Bürger durch Abwassergebühren und/oder -beiträge auch ein nicht rückzahlbarer Zuschuss auf die Sanierungskosten gewährt werden.
- Es ist auch die Möglichkeit gegeben, den Bürgern gemeinsam mit Sparkassen und Banken günstige Angebote zur Zwischenfinanzierung der Sanierungskosten zu unterbreiten.
Das Aufzeigen von Finanzierungsmöglichkeiten derartiger Programme ist unerlässlich und ist Grundlage für die Realisierung. Insbesondere in Zeiten knapper öffentlicher Kassen ist dies eine besondere Herausforderung. Das Land NRW nimmt jährlich einen dreistelligen Millionen-Betrag durch die Abwasserabgabe von den Bürgern sowie gewerblichen und industriellen Abwasserverursachern ein. Das Abwasserabgabengesetz ist erlassen worden, um Gewässerbelastungen finanziell zu sanktionieren. Gleichzeitig können die vereinnahmten finanziellen Mittel für Maßnahmen zur Erhaltung oder Verbesserung der Gewässergüte zweckgebunden verwendet werden. Es ist wohl unstrittig, dass dichte Abwasser-Hausanschlusskanäle zur Verbesserung der Gewässergüte beitragen und somit auch die Verwendung der finanziellen Mittel aus dem Aufkommen der Abwasserabgabe grundsätzlich möglich sein sollte.
Für die weitere politische Diskussion im nordrhein-westfälischen Landtag wurden im wesentlichen folgende Vorschläge unterbreitet:
- Die in NRW bestehende verbindliche Regelung zur Inspektion von privaten Abwasser-Hausschlüssen unter Beibehaltung der Terminvorgaben sollte erhalten bleiben.
- Die bestehenden Regelungen sollten ohne Abstriche in das Landes-Wassergesetz NRW übernommen werden. Damit könnte der § 45 BauO NRW ersatzlos entfallen.
- Die Verantwortung für den Vollzug bzw. Überprüfung des Vollzuges der Regelungen sollte bei den zuständigen Wasserbehörden angesiedelt werden.
- Die Kommunen sollten aufgefordert werden, einschlägige Formulierungen zur Überprüfung der Dichtheit privater Kanäle in ihre Satzungen aufzunehmen und die Einhaltung der Satzungsregelungen zu kontrollieren. Die Erarbeitung von Mustersatzungsregelungen wäre hilfreich.
- Die Landesregierung NRW sollte ein z.B. aus der Abwasserabgabe finanziertes Förderprogramm zum Anreiz der Bürger für eine frühzeitige Inspektion von Hausanschlusskanälen auflegen.
- Die Landesregierung NRW sollte, finanziert z.B. aus der Abwasserabgabe, Möglichkeiten schaffen in Situationen hoher Gebühren- oder Beitragsbelastung der Bürger Zuschüsse bei der Finanzierung der Sanierung von Hausanschlussleitungen zu gewähren.
- Die Anforderungen an die fachliche Qualifikation der Anbieter von Inspektions- und besonders von Sanierungsleistungen sollte umgehend fixiert werden. Eine Zertifizierung der Anbieter ist aus gründen des Verbraucherschutzes dringend geboten.
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