Kanalreinigung: "Dumping-Preise will eigentlich niemand"
13.08.2007
Netzbetreiber und Reinigungsfirmen setzten sich im IKT an einen runden Tisch und diskutierten die Probleme bei der Ausschreibung von Kanalreinigungsarbeiten. Zentrales Thema: Massive Leistungsmängel als Folge extremer Dumping-Preise. Wie können sich Auftraggeber dagegen schützen?
Fundierte Ausschreibungen sind Grundlage für den Einkauf guter Leistungen. Unter diesem Leitsatz trafen sich acht Fachleute von Netzbetreibern zur Redaktionssitzung Kanalreinigung in Gelsenkirchen. Das Ergebnis der konkreten Textarbeit wird vom IKT als Arbeitshilfe für Auftraggeber aufbereitet. Um die Umsetzbarkeit der Ausschreibungsgrundsätze gleich mit privaten Dienstleistern zu diskutieren, wurden am Nachmittag zwei Experten von Reinigungsfirmen an den runden Tisch gebeten. Die lebhaft und stets konstruktiv geführte Diskussion ist nachfolgend kurz zusammengefasst.
Die Teilnehmer | |
Herr Wiermer | Stadtentwässerung Arnsberg |
Herr Frericks | Stadt Bad Wünnenberg |
Herr Vogt | Stadt Bocholt |
Herr Ostmann | Stadt Detmold |
Herr Meier | Stadt Drensteinfurt |
Frau Sperling | Gemeinde Rheurdt |
Herr Nagel | Stadt Willich |
Herr Schoppen | Stadtentwässerungsbetrieb Düsseldorf |
Herr Kuchem | Kuchem GmbH |
Herr Schmitz | Lönne Entsorgung GmbH & Co. KG |
Moderation: | |
Herr Puhl | IKT, Gelsenkirchen |
Herr Schlüter | IKT, Gelsenkirchen |
Die Runde ist sich einig. Dumping-Preise sind eines der Kernprobleme im Geschäft mit der Kanalreinigung. Unter Sparzwang greifen Netzbetreiber häufig zum billigsten Anbieter. Kellerpreise liegen dabei inzwischen deutlich unter 30 Cent pro Meter gereinigten Abwasserkanal – nachweislich oft unabhängig von Verschmutzungsgrad oder Kanalnennweite.
Betreiber: Der Punkt Arbeitssicherheit sollte Auftraggebern wichtig sein. Tatsächlich kommt es aber vor, dass man sich kaum zum Einsatzort traut, weil man wegen der Sicherheitsmängel die Arbeiten sofort stilllegen müsste. Dabei ist doch eigentlich klar: die unauskömmlichen Preise sind von den Firmen fast nur auf der Leistungsseite zu kompensieren.
In der Praxis heißt das: Mehr Abrechnen als Leisten oder schnell Durchspülen anstatt wirklich zu Reinigen. Um Kosten zu sparen, wird gering qualifiziertes Personal eingesetzt und auch das älteste Fahrzeug an den Schacht gestellt. Und was sind die Folgen? Es gibt kaum welche, beantwortet jemand die Frage aus der Gruppe der Betreiber: Es fehlen doch wirksame Leistungskontrollen und oft auch das Personal, um diese Dinge im Einzelfall aufzudecken und dann auch Konsequenzen durchzusetzen. Hinzu kommt, das Netzbetreiber sich manchmal allein um eine saubere Aktenlage kümmern – d.h. den Reinigungsauftrag an das niedrigste Gebot rausgeben und das war's. Die Dokumentation von Betriebserfahrungen – zentrale Grundlage bedarfsorientierter Handlungsweisen – findet unter diesen Rahmenbedingungen nicht statt.
Dienstleister: Es fehlen tatsächlich Konsequenzen. Das ist sicherlich auch der Grund, warum sich die Schwarzen Schafe am Markt so lange halten. Die Umsetzung von Eigenkontrollverordnungen in den Kanalbetrieben hat die Nachfrage nach Kanalreinigungsleistungen insbesondere in NRW im letzten Jahrzehnt stark ansteigen lassen. Jetzt ist der Zenit jedoch erst mal überschritten. Die erste Grundreinigung ist vielerorts erfolgt. Verlängerte Überwachungsfristen und neue bedarfsorientierte Betriebsstrategien lassen die Nachfrage sinken. Die Reinigungsfirmen haben aber die kostspieligen Fahrzeuge auf dem Hof stehen - und einige tun wirklich alles, um sie auszulasten.
Grundsätzlich herrscht in der Runde sehr viel Übereinstimmung in der Analyse der Situation. Unterschiedliche Vorstellungen gibt es aber in der Frage welche Preise denn nun eigentlich "auskömmlich" sind.
Dienstleister: Die Meterpreise in der Unterhaltungsreinigung hängen natürlich davon ab, wie verschmutzt das Netz ist, um welche Nennweiten es geht und inwieweit die Rahmenbedingungen es zulassen, hohe Tagesleistungen zu erzielen, beispielsweise auch durch Einsatz von Wasserrückgewinnern. So sind in 10-12 Stunden maximale Tagesleistungen von 2.000 Meter erreichbar mit Preisen von ca. 50 Cent pro Meter. Letztlich kommt man so auf die Summe, die täglich reinkommen muss: ein hochwertiges Reinigungsfahrzeug mit zwei qualifizierten Mitarbeitern sollte im Schnitt 1.000 Euro am Tag einspielen.
Betreiber: Die 1.000 Euro pro Tag sind schon realistisch. Das zeigt ja auch eine Auflistung des IKT zu den Investitions- und Betriebskosten für ein Reinigungsfahrzeug. Eine Tagesleistung von 2.000 Metern ist dagegen deutlich zu hoch angesetzt und das liegt nicht allein am 8 h Tag, der im kommunalen Bereich eher die Regel ist. Im Erfahrungsaustausch mit Betreibern, die die Kanalreinigung mit eigenem Fuhrpark leisten, liegt der Jahresdurchschnitt für ein Reinigungsfahrzeug bei ca. 700 Meter pro Tag. Auf den privaten Markt übertragen lägen die Durchschnittswerte damit vielleicht bei ca. 1.000 Meter pro Tag. Immer vorausgesetzt: eine vernünftige Reinigung, bei der das Räumgut auch aus dem Kanal rausgebracht und nicht nur aufgeschoben wird. Theoretisch betrachtet liegt man damit bei 1 Euro pro Meter für einen wirklich gereinigten Kanal.
Welche Mittel bleiben Auftraggebern nun also, um Qualität bei der Kanalreinigung einzukaufen. Im Kreis der Betreiber gibt es Erfahrungen mit verschiedenen Strategien. Einige setzen auf intensive Vertrauensbildung durch langfristige Verträge, sogenannte Hausmeister-Verträge mit Laufzeiten bis zu fünf Jahren. Ein Teilnehmer sammelte Erfahrungen mit beschränkten Ausschreibungen und Teilnahmewettbewerben - allerdings ohne Dumping-Anbieter damit verhindern zu können. Andere lassen sich die Kalkulationsgrundlagen vorweisen, um überzogene Ansätze für Tagesleistungen frühzeitig ausschließen zu können. Bei einem Betrieb in der Runde wird die Reinigung komplett im Stundenlohn ausgeschrieben, um die leidige Qualitätsdiskussion zu umgehen. Die nahe liegende Erwartung, dass dann gebummelt wird, hat sich dort nicht bestätigt - die gestellten Leistungsvorgaben wurden erfüllt.
Netzbetreiber: Das Thema Räumgutentsorgung gehört sicherlich auch dazu, wenn man über wirksame Kontrollen spricht. Als Abfallerzeuger ist der Auftraggeber weitreichend in der Verantwortung und sollte allein deshalb die Entsorgung oder besser gesagt Verwertung des Räumguts als besondere Leistung in eine Leistungsposition fassen. Viele Netzbetreiber lassen das Räumgut inzwischen auch in einen eigenen Entwässerungscontainer verbringen und sorgen für alles Weitere selbst, z.B. für eine Dokumentation des Räumgutaufkommens und eine stichprobenhafte Beprobung der stofflichen Zusammensetzung. So wächst Betriebswissen über Kanalablagerungen. Rechtssicherheit ist selbst steuerbar – und bei guter Entwässerung sinken obendrein die Entsorgungskosten.
Die Zusammenfassung der konkreten Textarbeit wird vom IKT als Arbeitshilfe für Auftraggeber zur Ausschreibung von Kanalreinigung aufbereitet und mit den Diskussionsteilnehmern in den nächsten Wochen erneut abgestimmt. Das dann vorliegende Ergebnis zu den Planungsgrundsätzen in der Kanalreinigung wird Ende des Jahres im Rahmen des Forschungsprojektes "Bedarfsorientierte Kanalreinigung" unter sämtlichen Workshop-Teilnehmern veröffentlicht, um ein Feedback auf breiter Basis zu erhalten.
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Kontakt
Dipl.-Ing. Marco Schlüter, IKT – Institut für Unterirdische Infrastruktur
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