Klug ausgetüftelt bis ins Detail. Integriertes Wassermanagement für Saubermänner in Berlin

09.03.2007

Hohe Umweltstandards und effiziente Wassernutzung sollten innerhalb kurzer Bauzeit verwirklicht werden, als die Berliner Stadtreinigungsbetriebe die Neugestaltung eines Betriebshofs in Auftrag gaben. Der Projektbericht dokumentiert: Auftrag erfüllt.

Ein wildes Wirrwarr von Schächten, Rohren und Leitungen (s. Bild 1) - diesen Eindruck müssen außen stehende Betrachter wohl oder übel gewinnen. Schauplatz des bunten Durcheinanders ist ein Betriebshof der Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR). Er wird gerade von Grund auf neu gestaltet und die Arbeiten sind so weit fortgeschritten, dass nach dem Einbau unterirdischer Anlagen jetzt die letzten Verfüllarbeiten anstehen. Noch liegen zahllose Leitungen offen, verlaufen kreuz und quer und bilden ein dem äußeren Anschein nach undurchschaubares Chaos. Aber natürlich hat die Sache System. Ziemlich viel sogar, wie dieser Bericht Schritt für Schritt enthüllt.
Begonnen hatte alles im Herbst 2003. Baumaschinen rückten an, um den BSR-Betriebshof in der Oberspreestraße komplett zu erneuern. Für die dort stationierten Bereiche Straßenreinigung und Recycling sollten die gesamte Schmutzwasser- und Niederschlagsentwässerung unter Einbindung einer Sonderabfallfläche neu gestaltet werden. Zielvorgabe war ein schonender Umgang mit der Ressource Wasser, denn die BSR haben sich auf die Einhaltung anspruchsvoller Umweltstandards verpflichtet (s. Kasten).
Regen reinigt Straßen
Tag für Tag rücken Kehrmaschinen vom Betriebshof Oberspreestraße aus, um die Straßen der Bundeshauptstadt sauber zu halten. In ihren Wassertanks nehmen sie seit Abschluss der Umbauarbeiten den Regen mit auf Tour. Er wird von den Dachflächen des BSR-Geländes abgeleitet, passiert einen Filterschacht und gelangt in eine nachgeschaltete Regenspeicheranlage mit 50 m3 Vorratsvolumen. Von hier aus speist der eingefangene Niederschlag die Zapfstellen der Kehrmaschinen. Und wenn mal zu wenig Regen fällt, dann gleicht ein standorteigener Tiefbrunnen den Mangel aus.
Eine zweite Nutzanwendung, zu der sich das Regenwassersystem verzweigt, ist der Fahrzeugwaschplatz des Betriebshofs. Vier LKW können hier gleichzeitig gereinigt werden. Während eine Kreislaufanlage für die kontinuierliche Wiederverwendung des Waschwassers sorgt, gleicht die Nachspeisung aus dem Regenspeicher die unvermeidbaren Verschleppungs- und Verdunstungsverluste aus.
Nach drei Jahren Betriebserfahrung mit dem neuen technologischen Design bringt BSR-Projektleiterin Kerstin Konrad die Vorteile auf den Punkt: „Insgesamt haben wir ein äußerst sparsames System der Wassernutzung an diesem Standort eingebaut. Wir schonen die wertvolle Ressource und zahlen weniger Gebühren. Auch an anderen Standorten gibt es fast alle Komponenten. In der Oberspreestraße konnten sie - bedingt durch die Neubausituation - optimal aufeinander abgestimmt und mit einem hohen technischen Niveau der Steuerung eingebaut werden.“
Kreislauf schont Ressource
Das Herzstück im Kreislaufsystem des Fahrzeugwaschplatzes hört auf den Namen NEUTRAclear und ist eine Kompakt-Anlage, die dem Waschwasser mittels mechanisch-biologischer Reinigung die Schmutzfracht entzieht. Dazu durchsickert das verschmutzte Wasser langsam eine Filterpackung aus Kies und Lavaschlacke. Gleichzeitig wird im Gegenstrom von unten Luft durch das Filterbett geleitet. Sie versorgt den Biofilm, der an den Filterkörnern haftet, mit Sauerstoff und erhält so die zum Abbau der Schmutzfracht erforderlichen Mikroorganismen. Gleichzeitig transportiert der Luftstrom das Filtrat und überschüssige Biomasse an die Oberfläche, wo sie abgesaugt und zurück in den Schlammfang gepumpt werden, der dem NEUTRAclear-Modul vorgeschaltet ist.
Als Ergebnis steht ein ohne Chemikalieneinsatz aufbereitetes Wasser zur Verfügung, das erneut zum Waschen der Fahrzeuge genutzt wird. Hierfür gelangt es zunächst in einen Betriebswasser-Vorlagebehälter, dem auch die Überschüsse des Regenspeichers zufließen. Eine Pumpe fördert das Wasser weiter in das Vorratsbecken des Waschplatzes, von wo es mit Hilfe einer Druckerhöhung für die Fahrzeugreinigung zur Verfügung steht. Für keimfreie Verhältnisse im Vorratsbecken sorgt eine Ozonanlage, die das aufbereitete Waschwasser kontinuierlich hygienisiert.
Sedimentation erledigt Grobes
Der Waschplatz selbst ist mit zwei Vorschlammfängen ausgerüstet, die jeweils 2.200 Liter fassen und als Abdeckung einen schwerlastüberfahrbaren Gitterrost tragen. Diese fugenlosen Stahlbetonbehälter sammeln zunächst das verunreinigte Waschwasser und halten grobe Sinkstoffe zurück, bevor eine Sedimentationsanlage als nächste Station im Nutzwasserkreislauf folgt. Sie besteht aus einem Stahlbetonbehälter, einem Zentralrohr mit wasserdicht angeschlossenem Ablaufrohr und einer Leitwand im Zulauf.
Durch die Leitwand wird das Schmutzwasser tangential zur Behälterwand in die Sedimentationsanlage eingeleitet und so in eine Rotationsbewegung versetzt. Zusätzlich zur Schwerkraft sorgen folglich auch Fliehkräfte dafür, dass sich Sedimente schnell und vollständig entlang der kegelförmig ausgebildeten Schlammrutsche auf der Behältersohle absetzen. Eine zeitprogrammierbare Schlammaustragspumpe fördert sie dann in einen Schlammcontainer, wo eine mechanische Entwässerung erfolgt.
In der Sedimentationsanlage strömt das Abwasser von unten in das Zentralrohr, verlässt von dort die Anlage und fließt weiter zum NEUTRAclear-Modul. Es ist nun weitestgehend von sinkfähigen Fremdstoffen, aber vor allem auch von schwimmfähigen Leichtstoffen befreit. Letztere sammeln sich im oberen Bereich des Ringspalts zwischen Zentralrohr und Behälterwand und werden dort zurück gehalten. In geringerem Umfang handelt es sich dabei um Pflanzenreste (Pollen-Schwimmschicht). Wichtiger ist jedoch der Rückhalt von Leichtflüssigkeiten (Öl, Benzin), die nicht in die nachgeschalteten Anlagenteile des Brauchwasserkreislaufs gelangen dürfen.
Abscheider stoppt Schadstoffe
Eine weitere Sedimentationsanlage des gleichen Typs entwässert sowohl die Hofflächen als auch den Recyclingbereich des Standorts, wo Kehrichtboxen und Sonderabfallbehälter untergebracht sind. Außerdem wird ihr der Überlauf des Regenspeichers zugeleitet. Den in dieser Sedimentation anfallenden Schlamm nimmt ebenfalls der Schlammcontainer auf, dessen Entwässerungs-Ablauf sich mit dem sinkstoffbefreiten Abfluss der Hof- und Recyclingflächen trifft. Das folgende Regenrückhaltebecken mit eingebauter Drossel sowie ein Abscheider der NEUTRA-Serie organisieren dann die mengenmäßig begrenzte Einleitung des gereinigten Regenwassers in den Kanal.
Dabei vereint der Abscheider einen nochmaligen Schlammfang sowie einen Koaleszenzeinsatz in einem Behälterbauwerk und gewährleistet so den Rückhalt letzter Verunreinigungen durch Sinkstoffe und Leichtflüssigkeiten. Der Koaleszenzeinsatz gewährleistet die Feinabscheidung von Benzin und Ölen, was eine Reinigungstiefe bewirkt, die von reinen Schwerkraftabscheidern nicht erreicht wird. Zusätzliche Sicherheit bietet eine selbsttätige Abschlussvorrichtung, die den Ablauf abriegelt, wenn die maximale Ölspeichermenge des Abscheiders erreicht ist. Damit es aber gar nicht an diesen kritischen Punkt kommt, sendet ein automatischer Alarmgeber schon vor Erreichen des Maximums rechtzeitig Warnsignale.
Für alle Abwässer des Betriebshofs fungiert die Abscheideranlage als letzte Schadstoffbarriere. Lediglich ein Probenahmeschacht ist ihr noch nachgeordnet, bevor die öffentliche Kanalisation aufnimmt, was bei den Stadtreinigern in der Berliner Oberspreestraße abfließt.
Erdeinbau schafft Platz
Von all der Technik und den Bauwerken, die im Zusammenspiel dieses integrierte Wassermanagement-System bilden, ist auf dem neu gestalteten Betriebshof wenig zu sehen. Oberirdisch aufgestellt sind lediglich der Schlammcontainer sowie ein Betriebscontainer. Er beherbergt das Vorratsbecken des Waschplatzes einschließlich der Ozonanlage und des Druckerhöhungsaggregats, die beiden Gebläse für die Luftversorgung der NEUTRclear-Anlage, den Alarmgeber des Abscheiders sowie einen zentralen Steuerschrank.
Alles Weitere spielt sich im Untergrund ab. Die erdeingebauten Systemteile sind als Stahlbetonbehälter erstellt; größtenteils in fugenloser Bauweise und bereits werkseitig weitestgehend mit den zugehörigen technischen Komponenten ausgerüstet. Auf der Baustelle hat sie der Ladekran des Lieferfahrzeugs direkt in die Baugrube versetzt. Die Arbeiten, die dann vor Ort noch auszuführen waren, ließen sich so auf ein Minimum reduzieren. Im Ergebnis konnte die gesamten Installationsarbeiten auf etwa einen Monat begrenzt werden.
„Das mit Lieferung und Montage beauftragte Unternehmen war hier sehr zuverlässig“, erinnert sich die BSR-Projektleiterin. „Nach vorbereiteter Baugrube wurde in kurzer Zeit die Behälterlandschaft geliefert, eingebaut und verfüllt. Bei der behördlichen Abnahme war die Kollegin vom Umweltamt in Ansicht der scheinbar systemlosen und wohl überzähligen Schachtdeckel skeptisch. In dieser Situation konnte uns der Projektleiter des Lieferunternehmens mit einer fachkompetenten und dennoch bildhaft einfachen Erläuterung unseres 'vergrabenen Wasserkreislaufs' hilfreich unterstützen. Nach bisherigem Betrieb freuen wir uns als Betreiber über die geringe Störanfälligkeit der gesamten Anlage. Durch die regelmäßige Kontrolle der Meldungen auf dem Display vor Ort wird rechtzeitig gewartet beziehungsweise repariert. Wir arbeiten momentan daran, über unsere Gebäudeleittechnik auch die Zähler der Außenanlagen abzulesen, um künftig die Vorteile eines solchen Systems hinsichtlich Nutzung und Verbrauch beziffern zu können.“
Den Bürgern und der Umwelt verpflichtet
Neben der privaten und gewerblichen Müllentsorgung sorgen die Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR; http://www.bsr.de) für Sauberkeit in der Stadt. Das Unternehmen reinigt die Fahrbahnen, Gehwege und öffentlichen Plätze Berlins rund um die Uhr. Täglich legen die dabei eingesetzten Spezialfahrzeuge etwa 4.000 Kilometer zurück und kehren knapp 250 Tonnen Straßenkehricht zusammen. Hinzu kommen die Reinigung der Straßengullys, die Entleerung der öffentlichen Papierkörbe sowie der Winterdienst. Fuhrpark und Entsorgungseinrichtungen sind auf zwölf Betriebshöfen stationiert.
Die BSR sind als Gesamtunternehmen sowie mit jedem einzelnen Standort nach dem Qualitätsmanagementsystem DIN EN ISO 9001 und nach dem Umweltmanagementsystem DIN EN ISO 14001 zertifiziert. Anforderungen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes und besonders der Entsorgungsfachbetriebeverordnung sind weitere Bestandteile des Managementsystems, das im Interesse der Umwelt und der Bürger hohe Standards für den tagtäglichen Betrieb definiert. Ein Teil dieser Herausforderung ist, die Betriebshöfe technologisch so auszugestalten, dass das größtmögliche Maß an Umwelt- und Betriebssicherheit bei gleichzeitig ressourcenschonenden sowie wirtschaftlich effizienten Betriebsabläufen gewährleistet ist.

Kontakt

Tom KionkaumwelTKommunikation

97353 Wiesentheid

Telefon:

+49 (0)9383 909203

E-Mail:

tom.kionka@t-online.de