Kommen wir dem Universalschild näher?
09.10.2006
Für die Errichtung unterirdischer Infrastrukturnetze für die Ver- und Entsorgung unserer Städte ist die geschlossene bzw. unterirdische Bauweise auf Grund politisch-ökologischer Zwänge zum unverzichtbaren Bestandteil geworden. In den letzten Jahrzehnten konzentrierten sich die wesentlichsten Entwicklungen auf die Verbesserung der Maschinentechnik mit dem Ziel, möglichst mit einem Maschinentyp unabhängig von den geologischen und hydrogeologischen Randbedingungen den jeweiligen unterirdischen Hohlraum auffahren zu können. Schwerpunkt der nachfolgenden Ausführungen bildet ein Schildmaschinentyp, der diesen Weg in Richtung Universalschild beschreitet.
Im vorliegenden Anwendungsfall werden im Zusammenhang mit der geschlossenen Bauweise zwei Hauptverfahrensgruppen unterschieden [1]:
- Grabenloser Leitungsbau durch Vortrieb von Leitungen
- Tunnel- und Stollenvortriebsverfahren
Unter dem Begriff "Grabenloser Leitungsbau durch Vortrieb von Leitungen" - nachfolgend auch nur grabenloser Leitungsbau genannt - wird "der unterirdische Einbau von Leitungen durch Einziehen, Einschieben, Einpressen oder Einrammen in einen durch Bohren im Boden geschaffenen Hohlraum (Bohrloch)" [1] verstanden. Er beinhaltet damit die unterirdische Verlegung von begehbaren und nichtbegehbaren Ver- und Entsorgungsleitungen (englisch: "Utilities") in Form der Einzelverlegung von Kabeln für Elektrizität, Kommunikation etc. und Rohrleitungen für Erdgas, Wasser, Abwasser, Fernwärme, Öl etc. sowie Leitungskanälen und Leitungsgängen [2] mit beliebigen Durchmessern bzw. Abmessungen für die Mehrfachverlegung.
Die Schildmaschine hat beim Rohrvortrieb die Aufgaben
- die Mannschaft zu schützen,
- den nötigen Hohlraum zu schaffen, damit der nachfolgende Rohrstrang mit einem Mindestmaß an Bodenverformungen bei geringst möglicher Mantelreibung eingepresst werden kann,
- den Hohlraum solange zu sichern, bis die Vortriebsrohre endgültig alle Lasten und Kräfte aufnehmen,
- die Ortsbrust gegen hereinbrechendes Locker-/Festgestein sowie Grundwasser zu sichern und
- den Vortrieb bei Einhaltung der zugelassenen Abweichungen auf der geplanten Trasse und Gradiente zu steuern [1].
- Offene Schildmaschinen besitzen keinen druckdichten Abschluss zwischen Ortsbrust und nachfolgendem Rohrstrang. Sie zeichnen sich durch eine relativ gute Zugänglichkeit zur Ortsbrust und einfach zu handhabende Maschinentechnik aus.
- Geschlossene Schildmaschinen sind mit einer Druckwand (Trennschott) zwischen Ortsbrust und Schildschwanz zum Aufbau eines künstlichen Druckes ausgerüstet. Sie werden in Abhängigkeit des verwendeten Stützmittels als Druckluft-, Flüssigkeits- oder Erddruckschilde ausgeführt.
- Schildmaschinen mit teilflächigem Abbau (Teilschnittabbau)
- Schildmaschinen mit vollflächigem Abbau (Vollschnittabbau)
Trotz zahlreicher Bemühungen der Maschinenhersteller ist es bisher noch nicht gelungen, eine universelle Schildmaschine zu entwickeln, die in der Lage ist, unter allen möglichen geologischen und hydrogeologischen Verhältnissen, vortriebsspezifischen Randbedingungen (z.B. Vortriebslänge, Rohrnennweite, Überdeckung etc.) sowie unter Berücksichtigung wirtschaftlicher, ökologischer, logistischer und sicherheitstechnischer Aspekte einen Vortrieb durchzuführen.
Jeder im Bild 2 dargestellte Schildtyp besitzt verfahrensspezifische Einsatzgrenzen. Diese lassen sich jedoch verschieben bzw. erweitern dank der Weiterentwicklungen der Abbauwerkzeuge und Fördertechniken sowie der Anwendung von chemischen Zusätzen zur Konditionierung des Bodens beziehungsweise der Stützsuspension und insbesondere der Möglichkeit, bei Bedarf in situ diesbezügliche maschinentechnische Veränderungen vorzunehmen. Als diesbezügliche Variationsmöglichkeiten stehen prinzipiell zur Verfügung [1]:
- Variation von Abbaumaschine bzw. –werkzeug und/oder
- Variation des Prinzips zur Stützung der Ortsbrust (Verfahrenswechsel)
Einen Ansatz zur Realisierung des Universalschildes mit Teilschnittabbau stellt der "hilco-Varioschild" (Bild 3) dar [14].
- SM-T1 (Ortsbrust mit natürlicher Stützung) ↔ SM-T2 (Ortsbrust mit Teilstützung)
- SM-T1 (Ortsbrust mit natürlicher Stützung) ↔ SM-T3 (Ortsbrust mit Druckluftstützung)
- SM-T1 (Ortsbrust mit natürlicher Stützung) ↔ SM-T5 (Ortsbrust mit Erdruckstützung)
- SM-T2 (Ortsbrust mit Teilstützung) ↔ SM-T3 (Ortsbrust mit Druckluftstützung)
- SM-T2 (Ortsbrust mit Teilstützung) ↔ SM-T5 (Ortsbrust mit Erdruckstützung)
- SM-T3 (Ortsbrust mit Druckluftstützung) ↔ SM-T5 (Ortsbrust mit Erdruckstützung)
- Lockergestein: Alle Klassen L nach DIN 18319 [ ] mit den Zusatzklassen S 1 bis S 4 (Steine und Blöcke mit einem Massenanteil über 30% und einer max. Größe bis 600 mm)
- Festgestein: Fels mit einaxialen Druckfestigkeiten bis max. 5 N/mm² bzw. 5 MPa (Klasse FZ 1/FD 1 nach DIN 18319 [16])
Für die Errichtung unterirdischer Leitungsnetze in unseren Städten ist die geschlossene Bauweise auf Grund politisch-ökologischer Zwänge zum unverzichtbaren Bestandteil geworden.
In diesem Zusammenhang existieren permanente Bestrebungen, Universalschildmaschinen sowohl für den Voll- als auch für den Teilschnittabbau zu entwickeln, die in der Lage sind, unabhängig von den geologischen und hydrogeologischen Randbedingungen den jeweiligen unterirdischen Hohlraum auffahren zu können.
Ein Lösungsschritt in Richtung Universalschild für den Teilschnittabbau ist der hilco-Varioschild. Er wird im Rohrvortrieb eingesetzt und kann ohne aufwändige konstruktive Umbauten an der Maschine innerhalb kürzester Zeit auf alle bekannten Schildtypen mit Ausnahme des Typs SM-T4 umgestellt werden. Damit kann die bekannte Schildsystematik von DAUB, ÖGG und FGU um den Typ "Schildmaschinen mit teilflächigem Abbau und Ortsbrust mit Erddruckstützung (SM-T5)" ergänzt werden (Bild 2).
Literatur
[1] Stein, D.: Grabenloser Leitungsbau. ISBN 3-433-01778-6, Verlag Ernst & Sohn, Berlin 2003.[2] Stein, D.: Der begehbare Leitungsgang. ISBN 3-433-01263-6, Verlag Ernst & Sohn, Berlin 2002.
[3] Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) vom 28. September 1988 (BGBI. I S. 1793), zuletzt geändert durch Verordnung vom 03. August 2000 (BGBI. I S. 1273). [4] Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) in der Fassung des Inkrafttretens vom 16.05.2006. Letzte Änderung durch: 16. Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrs-Ordnung vom 11. Mai 2006 (Bundesgesetzblatt Jahrgang 2006 Teil I Nr. 23 S. 1160, ausgegeben zu Bonn am 15. Mai 2006).
[5] Hähnlen, V.: Einsatz, Fertigung und Verlegung großformatiger Stahlbetonrohre. 3R international 31 (1992), H. 3, S. 128–137.
[6] Deutscher Ausschuss für unterirdisches Bauen e.V. (DAUB), Österreichische Gesellschaft für Geomechanik, Forschungsgesellschaft für das Verkehrs- und Straßenwesen, FGU Fachgruppe für Untertagbau Schweizerischer Ingenieur- und Architekten-Verein: Empfehlungen zur Auswahl und Bewertung von Tunnelvortriebsmaschinen. Taschenbuch für den Tunnelbau 1998 (22. Auflage), S. 257–321. Verlag Glückauf GmbH, Essen 1997.
[7] Maidl, B., Herrenknecht, M., Anheuser, L.: Maschineller Tunnelbau im Schildvortrieb. Verlag Ernst & Sohn, Berlin 1994.
[8] Deutscher Ausschuss für unterirdisches Bauen (DAUB), Österreichische Gesellschaft für Geomechanik (ÖGG) und Arbeitsgruppe Tunnelbau der Forschungsgesellschaft für das Verkehrs- und Straßenwesen, FGU Fachgruppe für Untertagbau Schweizerischer Ingenieur- und Architekten-Verein: Empfehlungen zur Auswahl und Bewertung von Tunnelvortriebsmaschinen. Tunnel (1997), H. 5, S. 20.
[9] Stein, D.: Hindernisortung und ‑beseitigung beim hydraulischen Rohrvortrieb. Taschenbuch für den Tunnelbau 1985, S. 330–356. Verlag Glückauf GmbH, Essen 1984.
[10] Deutscher Ausschuss für unterirdisches Bauen (DAUB), Österreichische Gesellschaft für Geomechanik (ÖGG) und Arbeitsgruppe Tunnelbau der Österreichischen Forschungsgemeinschaft Straße und Verkehr, Fachgruppe für Untertagebau (FGU), Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein (SIA): Empfehlung für Konstruktion und Betrieb von Schildmaschinen. Taschenbuch für den Tunnelbau 2001, S. 256–288. Verlag Glückauf GmbH, Essen 2000.
[11] Firmeninformation Herrenknecht AG, Schwanau.
[12] Herrenknecht, M.: Die Entwicklung der Mixschilde. Tiefbau (1994), H. 11, S. 674–685.
[13] Herrenknecht, M., Bäppler, K.: Einsatz von Mixschilden – Asien, Australien, Europa. Taschenbuch für den Tunnelbau 1999 (23 Jahrgang), S. 307–336. Verlag Glückauf GmbH, Essen 1998.
[14] Firmeninformation hilco Tunnelvortriebstechnik GmbH, Bitburg-Masholder.
[15] Verordnung über Arbeiten in Druckluft (Druckluftverordnung). Vom 4. Oktober 1972 BGBl I S.1909, geändert am 19.06.1997 BGBl I S.1384, zuletzt geändert am 21. Juni 2005, BGBl I S. 1666.
[16] DIN 18319: VOB Verdingungsordnung für Bauleistungen – Teil C: Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV); Rohrvortriebsarbeiten (12.2000).
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