Monolithe im Kanal - Neue Schachtunterteile setzen Maßstäbe

02.10.2007

Schachtbauwerke in Abwassersystemen sind ständigem Korrosionsangriff ausgesetzt. Traditionsprodukten mit hoher Schadensanfälligkeit stehen heute Fabrikate gegenüber, die ungleich besser wegstecken, was durchfließt.

Regen- und Abwasserkanäle bestehen im Wesentlichen aus Rohren und Schächten. Schächte be- und entlüften den Kanal, bieten Zugang zum Leitungsnetz und haben darüber hinaus die Aufgabe, durch ein entsprechend gestaltetes Unterteil Abwasserströme hydraulisch korrekt umzulenken oder zusammen zu führen. Auseinander führen derzeit allerdings die Ansichten darüber, welchen Anforderungen ein solches Schachtunterteil zu genügen habe und wie es folglich zu fertigen sei (s. Kasten "Norm und Praxis"). Als Kontrahenten in diesem Qualitätsstreit stehen sich Traditionsschächte und innovative Produkte gegenüber.
Statthalter: Klinker und Estrich
Gemäß gängiger Praxis entsteht ein Beton-Schachtunterteil, indem Boden und Schaft als industriell gefertigtes Produkt in einem Stück gegossen werden. Der Rest ist Handarbeit und gliedert sich in zwei Schritte: zuerst Einbringen und grobes Ausformen von Gerinne und Auftrittsfläche (Berme), dann deren Auskleidung mit Klinker oder Estrich. Schächte dieser Art sind die Klassiker – überall im Einsatz und überall im Angebot. Meist werden sie nach Angaben des Auftraggebers individuell erstellt und sind damit passgenau. Ein hohes Maß an Produktionserfahrung und -routine gewährleistet zudem das Qualitätsoptimum, das innerhalb der Systemgrenzen dieses Herstellungsverfahrens darstellbar ist.
Wie aber die Praxis zeigt, sind diese Grenzen eng gezogen. Vergleichsweise schnell erliegen verwendete Materialien dem Angriff des Abwassers und unvermeidbare Ungenauigkeiten der manuellen Verarbeitung tun das ihre dazu. Zu geringe Betondichte bei der Gestaltung von Gerinne und Berme sowie fehlerhaft ausgeführte Fugen sind die häufigsten Ursachen für Schäden im Schacht. Besondere Schwachstelle des Klinkerschachts ist regelmäßig das Fugenmaterial, das oft schon nach wenigen Jahren Abwasserkontakt erste Korrosionsdefekte aufweist. Dagegen haben Schachtunterteile mit Estrichauskleidung zwar den Vorteil einer zunächst homogenen Oberfläche, aber die hohe Abriebempfindlichkeit des Estrichs führt unter Abwasserbeanspruchung zur Ausspülung seiner Feinanteile, was die Hydraulik maßgeblich verschlechtert. Und egal, ob Klinker oder Estrich – sobald das Abwasser erste Angriffspunkte geschaffen hat, frisst sich die Korrosion zügig voran und zerstört zunehmend auch den Unterboden der Gerinneauskleidung. Nur mit regelmäßigen Inspektionen und hohem Instandhaltungsaufwand lassen sich irreparable Schadensentwicklungen vermeiden.
Die Hersteller von Klinker- und Estrichschächten sind Legion. Kommunale Auftraggeber, deren planende Ingenieurbüros sowie die ausführenden Bauunternehmen kennen den Markt und kaufen mit routinegeleiteter Vorliebe die altgewohnten Klassiker (s. auch Kasten "Schacht und Macht").
Edelfabrikat: Kunststoff
Einen wesentlichen Fortschritt brachte der Einsatz des Werkstoffs Kunststoff. Schon seit den 80er Jahren hat sich das Marktangebot um Schachtunterteile erweitert, deren Gerinne und Berme aus einer Kunststoffschale bestehen. Diese Schachtschale wird individuell in einem Stück gefertigt. Sie stellt ein passgenaues Formteil mit fugenlos glattem Gerinne dar und schafft so optimale hydraulische Verhältnisse. Und da das Gerinne zugleich auch fugenlos in die Berme übergeht, bietet das Produkt dem Abwasser keinerlei Angriffspunkt. Der mit einer Riffelstruktur versehene Auftritt ist rutschsicher und gewährleistet Unfallschutz bei Arbeiten im Kanal. Zur Herstellung eines einbaufertigen Schachtunterteils wird der Kunststoffboden im Gießverfahren als so genannte "verlorene Schalung" einbetoniert. Das kann beim Hersteller der Kunststoffschale oder in einem Betonwerk vor Ort erfolgen.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Der zu einem nahtlosen Schachtboden geformte Kunststoff bietet ein Höchstmaß an Korrosionsbeständigkeit. Bei alleiniger Lieferung der Schachtschale und deren Eingießen vor Ort reduziert sich der Transportaufwand erheblich. Und nicht zuletzt entspricht das einbaufertige Schachtunterteil, weil in einem Stück gegossen, kompromissfrei der Idealforderung gemäß DIN V 4034-1, wonach der gesamte Schachtboden eine durchgängig homogene Betonqualität aufweisen sollte. Nachteilig wirkt sich bei dieser Fertigungsweise jedoch aus, dass die Kunststoffkomponente das Endprodukt im Vergleich zum Klinker- oder Estrichschachtboden um 20 bis 50% teurer macht und dass die zeitaufwändigere Verarbeitung des Kunststoffs längere Lieferfristen bedingt.
Marktführende Anbieter von Kunststoffschachtböden für Schachtunterteile sind im deutschsprachigen Raum die Unternehmen Predl Kanalbauelemente (Bönitz, www.predl-kanalbauelemente.de) und, mit über 20 Jahren Erfahrung, Preco (Uchte, www.preco.de).
Herausforderer: Monolithe
Die Herausforderung, die den Stand der Technik um einen großen Schritt vorangebracht hat, ist ein Herstellungsverfahren, dessen Ergebnis das durch und durch monolithische Schachtunterteil aus Beton – und nur aus Beton – ist. Einzige Anbieter in Deutschland sind die P.V. Betonfertigteilwerke (Hanau, www.pv-gruppe.de), deren Tochtergesellschaft, die Kurt Klier GmbH & Co. KG (Kempten, www.klier-kempten.de), sowie Haba-Beton (Kirchweidach, www.haba-beton.de).
Die Schachtunterteile beider Unternehmen können in funktionaler und qualitativer Hinsicht als gleichwertig gelten. Das Herstellungsverfahren gewährleistet mittels beliebig variabler Formkörper die Gestaltung jeder gewünschten Gerinnegeometrie per Gießverfahren. Das ermöglicht neben der exakten Fertigung gemäß Auftraggeberangaben auch die Erfüllung der Idealforderung nach einem durchgängig monolithischen Produkt. Entsprechend bestechend sind die Eigenschaften: Als echte Beton-Monolithe haben die Schachtunterteile eine lückenlos glatte Oberfläche, widerstehen mechanischer und thermischer Beanspruchung, sind säure- sowie tausalzbeständig und damit hochgradig korrosionsresistent. Ihre Lebensdauer erreicht mit großer Wahrscheinlichkeit die im Kanalbau üblichen Abschreibungszeiträume von 80 bis 100 Jahren und am Ende sind sie restlos rezyklierbar.
Die Hersteller gehen über die Anforderungen der DIN V 4034-1 (s. Kasten "Norm und Praxis") hinaus und verwenden für das übliche Belastungsprofil im Regen- oder Schmutzwasserkanal einen Beton der Druckfestigkeitsklasse C40/50 und bei höheren Resistenzanforderungen Hochleistungsbeton. Das Spektrum möglicher Rohranschlüsse umfasst derzeit den Nennweitenbereich von DN 100 bis DN 800 und es lassen sich alle marktüblichen Rohrfabrikate mit den Schachtunterteilen kombinieren. Integrierte Transportanker erleichtern das Baustellenhandling. Im Bedarfsfall bieten beide Unternehmen die Fertigung individuell geformter und einbaufertiger Schachtunterteile im 24-Stunden-Rahmen an.
Ein Unterschied zwischen den Anbietern Haba und P.V. sollte erwähnt werden. Er ergibt sich aus der Betrachtung der Nachhaltigkeit des Fertigungsprozesses. Die Formkörper, die beim Gießen das Gerinne der Schachtunterteile ausbilden, stellt Haba aus Polystyrol her. Sie können nur für einen Gießvorgang verwendet werden und sind somit Abfall, nachdem sie dem ausgehärteten Produkt entnommen worden sind. Wenngleich das Polystyrol wiederverwertbar ist, müssen dennoch mit erheblichem Material-, Technik- und Kostenaufwand immer neue Formteile angefertigt werden. Dem gegenüber verwendet P.V. Formteile aus Kunststoff und Stahl. Sie lassen sich nach jedem Gießvorgang erneut verwenden. Eine umfangreiche Galerie unterschiedlichster Formstücke mit zahllosen Kombinationsmöglichkeiten gewährleistet dabei die nahezu unbegrenzte Gestaltungsfreiheit bei der Ausbildung von Gerinnekonfigurationen.
Norm und Praxis
Maßgebliche Normen für Betonschächte in erdverlegten Abwassersysteme sind die DIN EN 1917 und ergänzend die DIN V 4034-1. Letztere definiert auch die Anforderungen an die Betonqualität und verlangt bei Schachtfertigteilen des Typs 1 (Regen- und Abwasserkanal) die Druckfestigkeitsklasse C35/45 sowie bei Produkten des Typs 2 (Abwasserkanal mit erhöhter chemischer Resistenz) einen C40/50-Beton. Diese Anforderungen gelten gemäß DIN V 4034-1 "auch für Gerinne und Auftrittsflächen von Schachtunterteilen, die zusammen mit Boden und Schaft aus einem Guss gefertigt werden". Damit hat der Normgeber zwar eine Regel zur Produktion monolithischer Schachtunterteile gemäß Stand der Technik formuliert, musste sich aber etwas einfallen lassen, da die monolithische Ausführung noch weit davon entfernt ist, gängige Praxis zu sein. Das übliche Vorgehen bei der Herstellung von Schachtunterteilen ist, dass nur Boden und Schaft als Behälter gegossen werden. Gerinne und Auftritt (Berme) werden dagegen nachträglich per Hand eingebracht. Hierzu muss laut Norm "ein Beton der gleichen Druckfestigkeitsklasse wie für die Schachtbauteile verwendet werden. Dieser muss im erhärteten Zustand eine Festigkeit erreichen, die mindestens der Druckfestigkeitsklasse C16/20 entspricht." Jenseits aller Spekulation über Normtreuegarantien bei der händischen Verarbeitung, macht allein schon das C16/20-Zugeständnis deutlich, in welchem Maß das Regelwerk mindere Qualität zugunsten herkömmlicher Herstellungsweisen zubilligt und damit letzten Endes Sanierungsaufwand vorprogrammiert.
Schacht und Macht
Innovationen im Kanalbau haben es schwer. Seit je her. Prominentes Beispiel aus jüngerer Vergangenheit ist der durch Guss, Steinzeug und Beton gebremste Marktzugang von Kunststoffrohren in den 90er Jahren. Mittlerweile werden Kunststoffkanäle gleichberechtigt neben jene aus Traditionswerkstoffen in den infrastrukturellen Untergrund gelegt. Heute dreht sich das Akzeptanzkarussell um Schachtunterteile, und Branchenkenner wundern sich hinter vorgehaltener Hand über die Kräfte, die es am Laufen halten: Es sei allgemeine Erfahrung, dass eine Kommune jene Planer und Bauunternehmer beauftragt, die sie, ihres schon immer passenden Angebots wegen, schon immer beauftragt hat. Der Planer kennt den Bauunternehmer und plant mit den Produkten, von denen er weiß, dass sie der Bauunternehmer schon immer verwendet hat. Das macht die Sache einfach, denn so kann der Bauunternehmer da einkaufen, wo er schon immer eingekauft hat. Man kennt sich eben und alles geht seinen gewohnten Gang. Neues habe gegen die Zwangsläufigkeit solcher Biertischroutine kaum eine Chance, heißt es.

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