Neues Recht in NRW
22.01.2014
Zustands- und Funktionsprüfung privater Abwasseranlagen in NRW – eine "Verschlimmbesserung"
Autorin: Daniela Deifuß-Kruse (BRANDI Rechtsanwälte, Adenauerplatz 1, 33602 Bielefeld)
Die Diskussion um Sinn und Zweck, Angemessenheit und finanzielle Folgen der Prüfung von privaten Abwasseranlagen ist in den vergangenen Jahren heftig und leider wenig sachlich geführt worden. Das Stichwort "Dichtheitsprüfung" (oder besser: "Zustands- und Funktionsprüfung") ist für viele zum Unwort geworden.
Als aktueller Zwischenstand kann die Änderung des Landeswassergesetzes in Nordrhein-Westfalen und das Inkrafttreten der Selbstüberwachungsverordnung Abwasser (SüwVO Abw) gemeldet werden. Die Änderung des Landeswassergesetzes gilt seit dem 16.3.2013, die SüwVO Abw ist zum 9.11.2013 in Kraft getreten.
Bei genauem Hinsehen zeigt sich, dass die gesetzliche Änderung nicht die ersehnte Klarheit bringt. Ob aus politischer Mutlosigkeit oder inhaltlicher Unentschlossenheit – die nun bestehenden Regelungen weisen viele Unklarheiten auf. Unabhängig davon, wie man inhaltlich zu der Dichtheitsprüfungspflicht steht – diese Gesetzeslage zeigt eine Vielzahl handwerklicher Fehler. Das haben weder der nordrhein-westfälische Bürger noch die Gemeinden verdient.
Kurzer Überblick zur Einordnung
Dass der Eigentümer einer Abwasseranlage für deren ordnungsgemäßen Zustand verantwortlich ist, ergibt sich schon aus § 60 Wasserhaushaltsgesetz und gilt daher bundesweit. Danach müssen "Abwasseranlagen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik errichtet, betrieben und unterhalten" werden. Die Instandhaltungs- und Sanierungspflicht steht aber nur mittelbar mit der Frage der Zustands- und Funktionsprüfung in Zusammenhang – auch wenn dies in der politischen Diskussion oftmals vermischt wird.
Die ausdrückliche Anordnung, regelmäßig den ordnungsgemäßen Zustand der eigenen Abwasseranlage zu überprüfen, ist in NRW ein "alter Hut". Sie ist nicht erst durch den inzwischen wieder aufgehobenen § 61a Landeswassergesetz gesetzlich normiert worden. Schon § 45 Bauordnung sah ab 1995 bis 2007 eine Dichtheitsprüfungspflicht vor. Von Ende 2007 bis zur Änderung des Landeswassergesetzes im Frühjahr 2013 galt aus § 61a Landeswassergesetz, dass der Eigentümer jedes Grundstücks Schmutzwasserleitungen, die im Erdreich oder unzugänglich verlegt sind, erstmalig bei Errichtung und danach im Abstand von höchstens 20 Jahren, bei Altanlagen erstmals bis zum 31.12.2015, auf Dichtheit prüfen zu lassen hat. Die Pflicht galt daher innerhalb und außerhalb von Wasserschutzgebieten. Allerdings waren die Gemeinden verpflichtet, in Wasserschutzgebieten diese Frist durch gemeindliche Satzung zu verkürzen. Außerhalb von Wasserschutzgebieten konnte die Gemeinde auch längere Fristen vorsehen, wenn die öffentliche Abwasseranlage saniert oder geprüft wurde. Auch diese Fristverlängerung musste durch Satzung geschehen.
Reform des Landeswassergesetzes in NRW im März 2013 und SüwVO Abw im November 2013
Bei der Änderung des Landeswassergesetzes im März 2013 ist die Regelung des § 61a Landeswassergesetz, in der eine gesetzlich angeordnete regelmäßige Dichtheitsprüfung verpflichtend vorgesehen war, vollständig gestrichen worden. Stattdessen verweist das Gesetz nun in § 61 Abs. 2 auf die so genannte "Selbstüberwachungsverordnung Abwasser" (SüwVO Abw, siehe unten). Zudem ist in § 53 Abs. 1e Landeswassergesetz vorgesehen, dass Gemeinden durch Satzung in bestimmten Fällen eigene Dichtheitsprüfungspflichten anordnen können.
Nach aktueller Gesetzeslage kann eine Pflicht des Bürgers zur Durchführung einer Zustands- und Funktionsprüfung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt auf drei Arten entstehen:
a) Die SüwVO Abw ordnet eine Prüfung bis zu einem Stichtag an oder
b) die Gemeinde erlässt eine Satzung, in der eine Prüfung bis zu einem Stichtag vorgesehen ist oder
c) die Betreiberin der Abwasseranlage (zumeist die Gemeinde) erlässt auf Grundlage konkreter Anhaltspunkte (z.B. erkennbarer Fremdwassereintritt) wegen drohender Beeinträchtigungen der öffentlichen Anlage einen Verwaltungsakt im Einzelfall mit Bestimmung eines Stichtages.
Welche Pflichten gelten für Bürger aus der SüwVO Abw?
Fast ausschließlich der unter a) genannte Fall (also die Pflichten aus der SüwVO Abw) ist Gegenstand der aktuellen Diskussionen und auch der Presseberichterstattung. Daher hier die Eckpunkte der Pflichten aus der SüwVO Abw:
Allgemein anerkannte Regeln der Technik
Gem. § 8 Abs. 1 SüwVO Abw sind private Abwasserleitungen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik zu errichten und zu betreiben. Als allgemein anerkannte Regeln der Technik werden die DIN 1986-30 und die DIN EN 1610 ausdrücklich bestimmt, soweit die Verordnung selbst keine anderen Regelungen trifft.
Neuanlagen/Wesentliche Änderungen
Gem. § 8 Abs. 2 SüwVO Abw sind Abwasserleitungen nach der Errichtung oder wesentlichen Änderung auf Zustand und Funktionsfähigkeit (also nicht nur auf Dichtigkeit) prüfen zu lassen. Dies gilt für neu errichtete Anlagen sowie für Altanlagen, die wesentlich geändert werden.
Wasserschutzgebiete
Für Altanlagen, die nicht wesentlich geändert werden, gilt, dass in Wasserschutzgebieten
- Entwässerungsleitungen für häusliches Abwasser, die vor dem 1.1.1965 errichtet wurden, und
- Entwässerungsleitungen für gewerbliches oder industrielles Abwasser, die vor dem 1.1.1990 errichtet wurden,
bis zum 31.12.2015 zu prüfen sind.
Alle anderen Leitungen in Wasserschutzgebieten (also z.B. jüngere Haus- und gewerbliche Entwässerungsleitungen) sind bis zum 31.12.2020 zu prüfen.
Altanlagen außerhalb von Wasserschutzgebieten
Außerhalb von Wasserschutzgebieten sollen sich die Prüfpflichten am Gefährdungspotential orientieren, wobei nur Abwasserleitungen für gewerbliches oder industrielles Abwasser, für das Anforderungen in der Abwasserverordnung festgelegt sind, bis zum 31.12.2020 geprüft werden müssen.
Für die nicht genannten Fälle (also z.B. für häusliche Altanlagen außerhalb von Wasserschutzgebieten) gibt es daher aus der SüwVO Abw keine festgelegte Dichtheitsprüfungspflicht. Diese kann sich daher für den Eigentümer häuslicher Altanlagen außerhalb von Wasserschutzgebieten nur aus einer gemeindlichen Satzung oder einem Verwaltungsakt im Einzelfall ergeben.
Fehler und Unklarheiten der Neuregelungen
Leider weist die Neuregelung in NRW einige gravierende Fehler und Unklarheiten auf:
1. Einschränkung der Satzungskompetenz der Gemeinden?
So ist beispielsweise in § 53 Abs. 1e LWG NRW vorgesehen, dass die Gemeinde (nur dann) durch Satzung tätig werden kann,
- "wenn die Verordnung nach § 61 Abs. 2" (also die SüwVO Abw) "keine Fristen für die erstmalige Prüfung vorsieht oder
- wenn Sanierungsmaßnahmen an öffentlichen Abwasseranlagen zu planen oder durchzuführen sind oder
- wenn die Gemeinde für abgegrenzte Teile ihres Gebietes die Kanalisation im Rahmen der Selbstüberwachungsverpflichtung nach § 61 überprüft."
Der Wortlaut der Regelung des § 53 Abs. 1e LWG legt daher nahe, dass in allen anderen Fällen, beispielsweise
- wenn die SüwVO Abw eine Dichtheitsprüfungspflicht vorsieht (z.B. innerhalb von Wasserschutzgebieten) oder
- wenn eine Sanierungsmaßnahme nicht erst geplant oder durchgeführt werden soll, sondern kürzlich abgeschlossen wurde
eine gemeindliche Satzung mit eigenen Dichtheitsprüfungspflichten nicht zulässig ist. Dies allerdings würde die sich aus §§ 8, 7 Gemeindeordnung NRW ergebende Satzungsgewalt der Gemeinden für die eigenen Angelegenheiten, also auch für die eigene Abwasserbeseitigungsanlage, sehr weitgehend einschränken. Ob dies tatsächlich durch den Landesgesetzgeber gewollt war, bleibt offen.
2. Weitergeltung alter "Fristsatzungen"?
Nicht ohne weiteres erklärbar ist auch die neue Regelung des § 53 Abs. 1e Satz 2 Landeswassergesetz. Sie ist schon sprachlich missglückt, da die Worte "geltenden Rechts" fehlen (im folgenden Zitat sind sie der besseren Lesbarkeit halber ergänzt): "Die auf der Grundlage des vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes (geltenden Rechts) erlassenen Satzungen zur Regelung von Fristen können fortbestehen."
Was ist nun mit diesen "erlassenen Satzungen" gemeint? Dies kann sich auf die Satzungen, die die Gemeinden nach dem inzwischen gestrichenen § 61a Landeswassergesetz erlassen haben, beziehen. Diese Satzungen haben allerdings nur zum Inhalt, den Zeitpunkt für eine gesetzlich normierte Prüfungspflicht zu verändern. Sie hatten (und haben) nie den Zweck, eine eigene Dichtheitsprüfungspflicht zu normieren, sie veränderten nur einen Zeitpunkt. Wenn es nunmehr an der gesetzlichen Normierung der Dichtheitsprüfungspflicht fehlt (z.B. wenn die SüwVO Abw keine Pflichten vorsieht, also für häusliche Altanlagen außerhalb von Wasserschutzgebieten) bestimmen die Satzungen nunmehr die Frist für eine nicht bestehende Pflicht. Hieraus nun eine "satzungsmäßig angeordnete" eigene Pflicht zu entnehmen erscheint m.E. weit hergeholt.
Darüber hinaus ist unklar, ob die Satzungen zunächst noch einmal nach Inkrafttreten des neuen Landeswassergesetzes durch den Rat "bestätigt" werden müssen. Dies mag sich aus der Formulierung "können fortbestehen" ergeben (im Vergleich zur Formulierung "bestehen fort"). Auch hier ist die Regelung nicht eindeutig.
3. Zuständigkeit für die Überwachung der Dichtheitsprüfungspflicht?
Wer ist nun zuständig für die Kontrolle der Einhaltung der Dichtheitsprüfungspflichten? Einfach zu beantworten ist dies in Bezug auf Pflichten, die sich aus gemeindlicher Satzung nach neuem Recht ergeben, z.B. wenn die Gemeinde im Zuge der Selbstüberwachung der gemeindlichen Anlage in einem Gebiet per Satzung eine Dichtheitsprüfungspflicht auch für die privaten Anlagenteile erlässt: Die Gemeinde ist zuständig für die Überwachung der Pflichten aus ihrer eigenen Satzung.
Auch dann, wenn die Gemeinde von der in § 53 Abs. 1e S. 1 Nr. 2 Landeswassergesetz normierten Möglichkeit Gebrauch macht und in ihrer Satzung vorsieht, dass ihr die Dichtheitsprüfungsbescheinigung vorzulegen ist, kann sie die Vorlage der Bescheinigung überwachen und entsprechend – durch Verwaltungsakt – Anordnungen treffen.
Was ist aber in den anderen Fällen? Wenn die Gemeinde nicht vorsieht, dass ihr die Bescheinigung vorzulegen ist? In diesen Fällen ist sie nicht zuständig für die Überwachung der Dichtheitsprüfungspflichten aus der SüwVO Abw. Denn nach der Zuständigkeitsverordnung Umweltschutz NRW (ZustVU) sind für die Aufgaben des Umweltrechts grundsätzlich die Kreise und kreisfreien Städte – hier als untere Wasserbehörde – zuständig, soweit nichts anderes bestimmt ist. Und in der ZustVU findet sich keine andere Bestimmung: Damit sind die Kreise und kreisfreien Städte als untere Wasserbehörden für die Überwachung der Pflichten aus der SüwVO Abw zuständig, nicht die Gemeinden.
Dies allerdings wird nach den Erfahrungen der Praxis von den unteren Wasserbehörden anders bewertet. Auch hier besteht unnötige Verwirrung durch das neue Recht.
4. Ordnungswidrigkeit?
Auch der Ordnungswidrigkeitentatbestand in § 161 Abs. 1 Nr. 14a Landeswassergesetz läuft leer: Dort werden Verstöße gegen § 61a LWG normiert, obwohl § 61a LWG längst aufgehoben ist. Ordnungswidrigkeitenrechtlich wird ein Verstoß gegen die sich aus der SüwVO Abw ergebenden Prüfungspflichten über § 161 Abs. 1 Nr. 4 LWG in Verbindung mit § 14 Nr. 1 SüwVO Abw mit Bußgeld bedroht. Dennoch trägt die fehlende Streichung des § 161 Abs. 1 Nr. 14a LWG zur Verwirrung der ohnehin nicht übersichtlichen Situation bei.
Fazit:
Die Änderung des Landeswassergesetzes ist wenig gelungen. Daran ändert auch die neu erlassene SüwVO Abw nichts. Ob Befürworter oder Gegner der Dichtheitsprüfungspflicht für private Abwasseranlagen: Beiden ist mit den Unklarheiten und Fehlern der Regelung nicht gedient. Vor allem die Gemeinden werden die unklaren Regelungen zur Satzungskompetenz ausbaden müssen.
Es steht zu hoffen, dass bei künftigen Änderungen der Gesetzeslage mehr Augenmerk auf die juristisch eindeutige Formulierung und die tatsächlichen Folgen einer Regelung als auf die politische Geschmeidigkeit einer Formulierung geachtet wird, auch wenn dies aus der Mode gekommen zu sein scheint.
Rechtlich und tatsächlich sind daher noch viele Fragen offen, es bleibt spannend!
Erhalt lohnt sich!
Fortbildungsschulung der Sachkunde zur Funktionsprüfung privater Abwasseranlagen gemäß SüwVO Abw. bei Jung Pumpen in Steinhagen
2009 gelangten viele Sachkundige über sogenannte kommunale Listen auf die LANUV-Liste der Sachkundigen, später durch Zertifizierungen der anerkannten Bildungseinrichtungen. Die Landesliste ist seit dem 16.03.2013 "eingefroren" gewesen, da mit Novellierung des LWG und dem Wegfall des § 61a LWG die rechtliche Grundlage u.a. für die Anforderung an die Sachkunde entfallen war.
Durch das sogenannte "Einfrieren" der Landesliste ist bis November 2013 kein Sachkundiger mehr ohne Vorlage eines gültigen Fortbildungsnachweises von den zuständigen Stellen aus der Landesliste entfernt bzw. inaktiv gesetzt worden. Da nun die neue Verordnung rechtskräftig und somit die Fortbildungsverpflichtung innerhalb von drei Jahren zur Aufrechterhaltung der Sachkunde gegeben ist, müssen die betroffenen Sachkundigen schnellstmöglich eine Fortbildungsveranstaltung besuchen. Eine Übergangsfrist wurde bisher nicht offiziell definiert. Unseren Informationen nach haben damit ca. 300 Sachkundige kurzfristig keinen gültigen Sachkundenachweis mehr.
Besonders wichtig ist dies für Sachkundige ohne bzw. ohne einschlägige berufliche Qualifikation gem. § 13 Abs. 1! Es ist nach wie vor unklar, ob dieser Zielgruppe eine erneute Anerkennung der Sachkunde überhaupt ermöglicht wird.
Alle Sachkundigen mit einem auslaufenden Nachweis sind also angehalten, jetzt eine Fortbildung zur Sachkunde zwecks Auffrischung des vorhandenen Wissens zu besuchen. Ein solcher Kurs dauert im Jung Pumpen Forum zwei Tage. "Und wir können versprechen, dass es dort für die Teilnehmer eine Menge Neues zu erfahren gibt, das sie unmittelbar in ihrer Praxis, auch jenseits der Prüfung von Grundleitungen nutzen können", unterstreicht Marco Koch, Leiter Verkaufsförderung Pentair Jung Pumpen. Anmeldungen zu den Seminarveranstaltungen sind ab sofort telefonisch unter 05204/17-0 oder per E-Mail unter jpforum@jung-pumpen.de möglich.
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Kontakt
Jung Pumpen GmbH
Dr.-Ing. Andreas Kämpf
Industriestraße 4-6
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