Operative Sanierungsplanung in Bergkamen unter Nutzung des Netzmanagementsystems STATUS Kanal
05.04.2006
Das Entwässerungssystem der Bergkamener ECA-Siedlung weist typische Schadensbilder eines in den 50er Jahren im Ruhrgebiet errichteten Kanalnetzes auf. Neben Schäden an Seitenzuläufen sind bedingt durch Bergsenkungen insbesondere Lageabweichungen bzw. Unterbögen zu verzeichnen, die bei den hier verwendeten Betonkanälen zu Schäden im Verbindungsbereich und häufig zu Wasserrückstau führen.
Zur Vermeidung von Kosten, die aus fehlerhaften Daten resultieren, wurde die Richtigkeit bzw. Aussagefähigkeit der Grunddaten und Zustandsdaten mittels umfangreicher Plausibilitätskontrollen überprüft.
Dabei fand das computergestützte System zur Plausibilitätsprüfung von STATUS Kanal Anwendung, welches den bearbeitenden Ingenieur durch ausgefeilte Analysemethoden und Suchalgorithmen bei der Aufbereitung des Datenbestandes unterstützt. Der wesentliche Vorteil des Systems liegt dabei in der Abarbeitung flexibel kombinierbarer Suchmuster, welche mit händischer Bearbeitung einen unverhältnismäßig hohen Bearbeitungsaufwand erfordern.
Die identifizierten widersprüchlichen bzw. fehlenden Daten wurden in Abstimmung mit der Stadt Bergkamen korrigiert bzw. ergänzt, so dass eine belastbare Datenbasis für die weiteren Netzanalysen sichergestellt wurde.
Ähnlich wie die Ergebnisse bundesweiter Untersuchungen zeigen [1], bilden auch im untersuchten Netz Schäden an Seitenzuläufen mit einem Anteil von ca. 37% die am häufigsten auftretende Schadensart. Da aus der rein numerischen Erfassung der Auftretenshäufigkeit keine direkten Aussagen zum Schadensumfang abgeleitet werden können, wurde ein Längenbezug eingeführt.
Hierzu wurden allen Schäden in Abhängigkeit der erforderlichen Sanierungslänge Schadenslängen zugewiesen. Durch diese realistischere Betrachtung insbesondere in Bezug auf die Haltungsbewertung ergaben sich deutliche Verschiebung in der Bedeutung der einzelnen Schadensarten.
Generell können Schäden hinsichtlich ihrer Art, Länge, Anzahl und Streuung in allen Kombinationen innerhalb einer Haltung auftreten. Dabei stellen die Schäden je nach Ausmaß und lokalen Randbedingungen unterschiedliche Gefährdungspotenziale bezüglich der Schutzziele Dichtheit, Standsicherheit und Funktionsfähigkeit dar [3].
Im untersuchten Entwässerungsnetz wurden keine hydraulischen Überlastungen festgestellt. Trotzdem wurden bei der Wahl von Sanierungsverfahren hydraulische Aspekte berücksichtigt. Dies galt insbesondere bei der Beurteilung querschnittsreduzierender Verfahren in Netzabschnitten, die von Unterbögen bzw. Ausbiegungen und daraus resultierenden Beeinträchtigungen der hydraulischen Leistungsfähigkeit betroffen waren.
Weitere berücksichtigte, sanierungsrelevante Randbedingungen waren zudem die Oberflächenbefestigung, sowie die Boden- und Grundwasserverhältnisse in der Leitungszone.
Zur Vorauswahl von Hauptsanierungsarten wurden nach Abstimmung mit der Stadt Bergkamen in Abhängigkeit der Sanierungspriorität (Zustandsklasse) und des Abnutzungsvorrats (Substanzklasse) Interventionskriterien zur Sanierung festgelegt. Die Interventionskriterien hängen generell von der Risikobereitschaft des Netzbetreibers ab. So können strenge Interventionskriterien zugrunde gelegt werden, indem bereits bei einem geringen Schadensumfang in Form von Renovierungen oder Erneuerungen interveniert wird.
Dem gegenüber werden große Ausfallrisiken akzeptiert, wenn erst bei Vorliegen eines endgültigen Ausfalls erneuert wird. Bedingt durch Alterungsprozesse und laufende Sanierungsmaßnahmen variieren die Netzlängen in den einzelnen Interventionsbereichen jährlich. Diese Entwicklungen lassen sich mit Hilfe des mathematisch fundierten Prognosemodells nach STATUS Kanal [4] langfristig prognostizieren und im Rahmen strategischer Sanierungsplanungen berücksichtigen.
Neben der Reduzierung des Kostenaufwandes für Planung, Baustelleneinrichtung, Verkehrsführung etc. wurde dadurch gewährleistet, dass die Restnutzungsdauer der sanierten Haltungen und ggf. der betroffenen Oberflächenbefestigung vereinheitlicht wird und in absehbarer Zeit keine weiteren Maßnahmen in dem jeweiligen Gebiet zu erwarten sind.
Aufbauend auf den festgelegten Interventionskriterien und Funktionseinheiten erfolgte die Auswahl konkreter Sanierungsverfahren anhand der jeweiligen Haltungsbewertung und den bestehenden Randbedingungen.
Für einen Großteil der sanierungsbedürftigen Haltungen bildeten der teilweise hohe Kontaminationsgrad des Straßenaufbaus sowie die eingeschränkte Zugänglichkeit der Haltungen ungünstige Faktoren für Erneuerungen in offener Bauweise. Deshalb, und zur Vermeidung indirekter Kosten aus Verkehrsbeeinträchtigungen etc. wurde in vielen Fällen auf kostengünstigere Renovierung durch Liner oder Reparaturen mittels Roboter bzw. Kurzschlauch zurückgegriffen.
Der Sanierungsplan wurde ergänzt um Reinigungs- und Inspektionsempfehlungen für Haltungen, die bis auf Ablagerungen keine weiteren Schäden aufwiesen. Damit wurde gewährleistet, dass alle Schäden im Untersuchungsgebiet erfasst und mit zugewiesenen Verfahren bedarfsgerecht behoben werden können.
Die verfahrenspezifischen Kosten zur Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen wurden so aufbereitet, dass in Abhängigkeit der Stamm- und Zustandsdaten der einzelnen Bestände alle wesentlichen Einflussfaktoren auf die Sanierungskosten berücksichtigt werden.
Dabei wurde mit Hilfe einer Monte-Carlo-Simulation die statistische Schwankungsbreite von Sanierungskosten, die aufgrund verschiedener, nicht vorhersehbarer Wechselwirkungen bei Kanalbaumaßnahmen existieren, berücksichtigt.
Insgesamt entfallen ca. 78,2 % der geschätzten Sanierungskosten auf Erneuerungen und Renovierungen, d.h. substanzerhöhenden, investiven Maßnahmen, die als Herstellungskosten aktiviert werden können [5].
Mit dem abgeschlossenen Pilotprojekt in Bergkamen wurden die Grundsteine für eine vorausschauende Inspektions- und Sanierungsplanung gelegt. Die plausibilitätsgeprüfte Datenbasis und die erweiterte Schadens- und Haltungsbewertung nach STATUS Kanal ermöglichten eine objektivere und differenziertere Abbildung des baulichen Istzustands.
Mit der Identifizierung relevanter Schwachstellen im Entwässerungsnetz erhöhte sich die Entsorgungssicherheit und verringerten sich die Sanierungskosten. Außerdem wurde das Risiko von Fehlentscheidungen bei der Einschätzung der Sanierungsdringlichkeit und des Sanierungsumfangs deutlich reduziert.
Die Analyseergebnisse bilden gleichzeitig eine solide Argumentationsbasis, um Investitionserfordernisse gegenüber den politischen Entscheidungsträgern zu begründen und Folgen von Defiziten aufzuzeigen.
[1] Berger C., Lohaus J.: Zustand der Kanalisation– Ergebnisse der DWA-Umfrage 2004. KA - Abwasser, Abfall 2005 (52), Nr.5
[2] Stein, R.; Trujillo Alvarez, R.; Lipkow, A.: Optimierung des Kanalbetriebes auf Basis haltungsbezogener Substanzprognosen. In: Ernst & Sohn – Special 3/04. Kanal- und Rohrleitungsbau - Sanierung von Kanälen und Rohrleitungen. Berlin, 2004
[3] Stein, D.: Instandhaltung von Kanalisationen, 3. Aufl., Ernst & Sohn, Berlin 1998
[4] Stein, R.; Trujillo Alvarez, R.: Vorausschauende Sanierungsplanung von Entwässerungssystemen auf der Basis konsistenter und stabiler Prognosemodelle. KA - Abwasser, Abfall 2005 (52), Nr.6
[5] ATV-DVWK-M 807: Abgrenzung von Herstellungskosten und Erhaltungsaufwand bei Abwasseranlagen (2002)
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