Optimierung von Absetzbecken zur Regenwasserbehandlung
04.06.2008
In Messungen wurde nachgewiesen, dass bei starker hydraulischer Belastung aus Abscheideanlagen nach den "Richtlinien für bautechnische Maßnahmen an Straßen in Wassergewinnungsgebieten" (RiStWag) zuvor sedimentierte Stoffe schlagartig ausgetragen werden können. Durch die bislang übliche Zulaufkonstruktion werden die Zuflüsse oberhalb des Dauerwasserspiegels in das Becken geleitet, was zu vertikalen Strömungen Richtung Beckensohle mit der Gefahr der Remobilisierung dort abgelagerter Sedimente führt. Das Sedimentdepot beträgt nach einer Erhebungsuntersuchung von etlichen Beckenanlagen im Mittel rund 14 m³/ha abflusswirksame Fläche. Mit Hilfe von dreidimensionalen Simulationsrechnungen der Strömungs- und Sedimentationsprozesse wurde eine optimierte Zulaufkonstruktion erarbeitet.
Zur Regen- und Mischwasserbehandlung sind in den vergangenen Dekaden etliche Becken gebaut worden, die die Gewässer vor übermäßigem Schmutzeintrag schützen sollen. Diese Becken wirken vorwiegend durch Sedimentation partikulärer Stoffe und halten, mit Tauchwänden ausgerüstet, auch aufschwimmbare Stoffe – insbesondere Leichtflüssigkeiten wie Kraftstoffe und Öle – zurück. Für die Straßenentwässerung werden in Wasserschutzgebieten häufig Abscheider für Leichtflüssigkeiten eingesetzt. Die meisten bestehenden Anlagen sind nach den „Richtlinien für bautechnische Maßnahmen an Straßen in Wassergewinnungsgebieten“ RiStWag [1, 2] geplant und bebaut worden (Abbildung 1) und werden im Dauerstau betrieben.
Niederschlagsabflüsse von stark frequentierten Verkehrsflächen sind mit verkehrsspezifischen Schadstoffen und Schadstoffen aus dem Umfeld der Flächen belastet. Zusammenfassende Angaben zu Stoffkonzentrationen im Straßenabfluss können zum Beispiel [4] entnommen werden. Im Niederschlagsabfluss von Straßen liegen viele dieser Stoffe zu großen Teilen an Feinstpartikel gebunden vor. In Autobahnabflüssen wurden für Blei und polycyclische aromatische Kohlenwasser gemäß der Liste des US-amerikanischen Environmental Protection Agency (PAK-US EPA) partikuläre Anteile von über 90 Prozent und für die Schwermetalle Zink und Kupfer Anteile von über 70 Prozent gemessen [3]. Dieser partikuläre Teil der Stofffracht im Straßenabfluss unterliegt Sedimentationsprozessen und kann somit prinzipiell in Sedimentationsanlagen zurückgehalten werden.
Erdbecken | Betonbecken | ||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|
Untersuchungs- gebiet | A 59 Maarhäuser Weg | B 33/34 Singen(7) | A 4 Westhover Weg | A 81 Pleidelsheim(8) | A 6 Obereisesheim(8) | A 8/B 10 Ulm West(9) | A 8/B 10 Ulm West, Regenrück- haltebecken mit Dauerstau(9) |
Hauptfunktion | Absatzbecken | Leichtflüssigkeitsabscheider | |||||
spezifisches Dauerstauvolumen [m3/ha Au] | |||||||
202 | 41 | 41 | 149 | 10,2 | 9 | 9 | |
Wirkungsgrad [%], bezogen auf | |||||||
Fracht | Konzentration | ||||||
AFS | 82 | 27 | 13 | 85 | 50 | 45 | 54 |
CSB | 72 | 36 | 37 | 63 | 26 | 18 | 39 |
NH4-N | -37 | - | -48 | 36 | 16 | 10 | (-72) |
Blei | 67 | 42,7 | 29 | 79 | 39 | 33 | 52 |
Cadmium | (>33) | 42,3 | (11) | 63 | 28 | 14 | 60 |
Kupfer | 77 | 53,2 | 7 | 73 | 26 | (-13) | 17 |
Zink | 84 | 58,2 | 23 | 50 | 37 | 24 | 29 |
Parameter | Maximum | 75-%-Quantil | Median | 25-%-Quantil | Minimum | Westhover Weg |
---|---|---|---|---|---|---|
Länge je Becken: L (zwischen Tauchwänden) [m] | 45 | 29 | 26 | 21 | 16 | 22,9 |
Breite je Becken: B [m] | 8,0 | 6,8 | 6,0 | 5,7 | 5,0 | 8,0 |
Mittlere Einstautiefe Sedimentationskammer, H [m] | 2,6 | 2,2 | 1,9 | 1,6 | 1,4 | 1,54 |
Verhältnis L/H | 32,6 | 14,3 | 12,6 | 11,2 | 6,8 | 14,9 |
Verhältnis L/B | 6,0 | 4,9 | 3,9 | 3,2 | 2,9 | 2,9 |
Verhältnis B/H | 5,4 | 3,6 | 3,4 | 2,9 | 2,4 | 5,2 |
Abstand Sohle Zulaufkanal über Ablaufhöhe [m] | 0,76 | 0,17 | 0,07 | 0,00 | -1,05 | 0,10 |
Abstand Unterkante Abflusstauch- wand unter Ablaufhöhe [m] | 1,90 | 0,50 | 0,41 | 0,35 | 0,26 | 0,30 |
Parameter | Maximum | 75-%-Quantil | Median | 25-%-Quantil | Minimum | Westhover Weg |
---|---|---|---|---|---|---|
spezifisches Dauerstauvolumen [m³/ha Au] | 231 | 125 | 108 | 71 | 54 | 42 |
Regenspende (KOSTRA) r15,1 [l/s/ha Au] | 119 | 114 | 108 | 104 | 97 | 113 |
Steiggeschwindigkeit bei Oberflächenbeschickung [m/h] | 9,3 | 8,8 | 7,6 | 5,8 | 2,4 | 13,4 |
Im Rahmen eines von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) geförderten Forschungsvorhabens [10] erfolgte eine Bestandserhebung zu bereits gebauten Abscheideanlagen nach den RiStWag. Aus unterschiedlichen Bundesländern wurden für 70 Anlagen Planunterlagen zugeschickt, von denen 49 Anlagen die typischen Eigenschaften einer Abscheideanlage aufwiesen. Von diesen Anlagen wurden wiederum charakteristische zehn Betonbecken mit senkrechten Wänden ausgewählt und detaillierter untersucht. Statistische Daten zur Beckengeometrie sind in Tabelle 2 und zur hydraulischen Belastung in Tabelle 3 aufgelistet und den Daten des Beckens Westhover Weg gegenübergestellt.
Zur Optimierung der Bauform der Becken bieten sich mittlerweile neben der Durchführung von halbtechnischen Modellversuchen als kostengünstige und flexible Möglichkeit dreidimensionale Simulationsrechnungen der Strömungs- und Sedimentationsprozesse an. Dazu wurde hier das Programmsystem Fluent [11] herangezogen. Dabei wurden neben den notwendigen Gleichungen zur Ermittlung des Strömungsfelds vier Transportgleichungen gelöst, die jeweils eine Kornfraktion repräsentieren und in denen auch die jeweils zugehörige Sinkgeschwindigkeit berücksichtigt wurde. Nach einer ausgiebigen Modellprüfung für den speziellen Anwendungsfall wurde in unterschiedlichen Rechenläufen iterativ die Bauform der Abscheider hinsichtlich der Strömungsverhältnisse optimiert.
- Aufteilung des Zuflusses auf zwei getauchte Zulaufrohre,
- Teileinstau der Zulaufrohre,
- Änderung des Länge/Breite-Verhältnisses des Beckens.
Zur Ertüchtigung von bestehenden Becken wurden zusätzlich folgende Varianten untersucht:
- zusätzliche Querwand unter der vorderen Tauchwand,
- horizontale Prallplatte unterhalb des Zulaufrohrs,
- Erhöhung des Dauerstaus im Becken (sofern möglich) und dadurch Teileinstau der Zulaufrohre.
Die durchgeführten Untersuchungen zeigen deutlich, dass sich insbesondere die Zulaufgestaltung der für die Straßenentwässerung üblichen RiStWag-Abscheider bei starken Regenereignissen ungünstig auf die Absetzwirkung auswirkt. Durch die punktuelle Zuleitung der Niederschlagsabflüsse oberhalb des Dauerwasserspiegels und die vordere Tauchwand wird die Strömung in Richtung der Beckensohle gelenkt. Bei starker hydraulischer Belastung kann es so sogar zur Remobilisierung zuvor sedimentierter Stoffe kommen.
- Wegfall der vorderen zulaufnahen Tauchwand,
- Aufteilung des Zuflusses auf zwei Rohre mit ausreichend großem Durchmesser zur Erzielung kleiner Zuströmgeschwindigkeiten,
- Anordnung der Zulaufrohre mit Rohrscheitel unterhalb des Dauerwasserspiegels zur Vermeidung vertikaler Strömungen,
- Wegfall des vertieften Schlammsammelraums.
Vor dem Becken sollte ein Bauwerk angeordnet werden, das eine gleichmäßige Verteilung auf zwei Zulaufrohre gewährleistet. Nach dem Verteilerbauwerk sollten die zuführenden Leitungen zum Becken so lang sein, dass sich eine gleichmäßige Strömung ausbilden kann. In Anlehnung an [12] wird ein Wert vom Vier- bis Zehnfachen des Durchmessers des Zulaufrohrs empfohlen. Die beiden Zulaufrohre müssen unterhalb des Dauerwasserspiegels in das Becken münden. Alternativ kann der Zulauf auch mit teileingestauten Rohren realisiert werden. Der Einstau im Rohr beim Dauerwasserstand sollte dabei aber mindestens 60 Prozent betragen.
Der Bundesanstalt für Straßenwesen sei an dieser Stelle herzlich für die Finanzierung des Vorhabens und die sehr konstruktive fachliche Begleitung durch den begleitenden Arbeitskreis (Diefenthal, Straßen.NRW; Dittrich, DEGES; Prof. Dr. Lange, IDN; Scheufele, Niedersächsisches Landesamt für Straßenbau; Dr. Tegethof, BASt), gedankt.
[1] | Richtlinien für bautechnische Maßnahmen an Straßen in Wassergewinnungsgebieten, Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, 1982 |
[2] | Richtlinien für bautechnische Maßnahmen an Straßen in Wasserschutzgebieten (RiStWag), Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, 2002 |
[3] | G. Lange, D. Grotehusmann, U. Kasting, M. Schütte, M. Dieterich, W. Sondermann: Wirksamkeit von Entwässerungsbecken im Bereich von Bundesfernstraßen, Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Heft 861, Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Bonn, 2003 |
[4] | U. Kasting: Reinigungsleistung von zentralen Anlagen zur Behandlung von Abflüssen stark befahrener Straßen, Dissertation, Schriftenreihe des Fachgebietes Siedlungswasserwirtschaft der Universität Kaiserslautern, Band 17, 2003 |
[5] | ATV-A 166: Bauwerke der zentralen Regenwasserbehandlung und -rückhaltung, Hennef, 1999 |
[6] | W. Muth: Regenüberlaufbecken – Strömungsuntersuchungen an Durchlaufbecken, Korrespondenz Abwasser, 6/1992, 910–915 |
[7] | Kh. Krauth, G. Stotz: Qualitativer und quantitativer Einfluss von Absetzanlagen auf den Betrieb von Versickerungsbecken, Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Heft 672, Bundesministerium für Verkehr, Bonn, 1993 |
[8] | Kh. Krauth, H. Klein: Untersuchungen über die Beschaffenheit des Oberflächenwassers von Bundesautobahnen, Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Heft 363, Bundesministerium für Verkehr, Bonn, 1982 |
[9] | Kh. Krauth, H. Klein: Untersuchungen über die Beschaffenheit des über ein Rückhaltebecken mit Leichtflüssigkeitsabscheider geleiteten Niederschlagswassers der A8/B10 bei Ulm/West, Schlussbericht, Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft der Universität Stuttgart, im Auftrag des Autobahnamtes Baden-Württemberg, 1981, unveröffentlicht |
[10] | D. Grotehusmann, U. Kasting, M. Hunze: Optimierung von Absetzbecken, Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Heft 944, Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung, Bonn, 2006 |
[11] | Fluent-Manual 6.2, Fluent Inc., Lebanon, USA, 2002 |
[12] | Durchflussmesseinrichtungen in Kläranlagen, Merkblätter, Band 47, Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen, 2004 |
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Dr.-Ing. Dieter Grotehusmann, Dr.-Ing. Ulrich Kasting, Ingenieurgesellschaft für Stadthydrologie mbH
30159 Hannover