Reparaturverfahren: Roboterverfahren - Partielle Liner

24.01.2008

Der überwiegende Teil der öffentlich betriebenen Abwasserleitungen und -kanäle befindet sich im nicht begehbaren Nennweitenbereich. Dieser ist nach BGV C5 § 34 folgendermaßen definiert:"Kanäle dürfen nur begangen werden, wenn deren lichte Höhe mindestens 1 m beträgt. Dies gilt nicht, wenn für Kanäle mit einer lichten Höhe ≥ 0,8 m ein Begehen aus betriebstechnischen Gründen notwendig ist und besondere Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden."

Betriebstechnische Gründe sind nach BGV C5 (Durchführungsanweisungen) auch Instandsetzungsarbeiten bzw. Reparaturarbeiten. Diese sind nach DIN EN 752-5 als „Maßnahmen zur Behebung örtlich begrenzter Schäden“ definiert.
Die meisten Kanäle befinden sich aber im Nennweitenbereich DN 250 bis DN 500 und sind normalerweise in einer Tiefenlage zwischen 3-5 m verlegt. Bei einer punktuellen Schadensbehebung in offener Bauweise kann es daher sehr schnell zu Kosten von 5.000 € bis 8.000 € kommen. Hinzu kommt, dass in unseren Innenstädten Baumaßnahmen in offener Bauweise wegen
  • des starken Verkehrsaufkommens
  • der vielen sich teilweise kreuzenden Versorgungsleitungen
nicht mehr oder nur sehr aufwendig durchführbar sind.
Eine Umfrage der DWA im Jahre 2004 [1] hat ergeben, dass mehr als die Hälfte der festgestellten Schäden entweder schadhafte Anschlüsse (20 %), Risse (17 %), undichte Muffen (11 %) oder Einwurzelungen (8 %) sind. Diese Schadensbilder sind prädestiniert für eine Reparatur mittels grabenlosem Verfahren. Die Anwendung dieser Techniken ist aber nur sinnvoll, wenn die Zahl der Schadstellen je Haltung klein ist. Sofern es in einer Haltung zu einer starken Häufung von zu reparierenden Stellen kommt, sind weitere Überlegungen über die wirtschaftlichste Sanierungsmethode anzustellen. Dabei ist aber immer zu berücksichtigen, dass durch eine grabenlose Reparatur die Bausubstanz nur punktuell und auch nur für eine begrenzte Zeit verbessert wird.


Begriffsdefinition
Reparaturen sind notwendige Erhaltungsmaßnahmen zur Wiederherstellung des Sollzustandes bei örtlich begrenzten Schäden. Ziel ist, in diesem Bereich einen Kanal zu erhalten, der nach Behebung des Schadens bezüglich Nutzen und Sicherheit den gestellten Anforderungen gemäß DIN EN 752-5 entspricht. Eine Verbesserung des Substanzwertes wird damit nicht erreicht.
Reparaturen sind notwendige Erhaltungsmaßnahmen zur Wiederherstellung des Sollzustandes bei örtlich begrenzten Schäden. Ziel ist, in diesem Bereich einen Kanal zu erhalten, der nach Behebung des Schadens bezüglich Nutzen und Sicherheit den gestellten Anforderungen gemäß DIN EN 752-5 entspricht. Eine Verbesserung des Substanzwertes wird damit nicht erreicht.
Unter Roboter versteht man je nach Zielsetzung und Arbeitsweise unterschiedliche Geräte, die bewegliche funktionelle Einrichtungen und Werkzeuge besitzen und mit denen ferngesteuert Arbeiten im Kanal durchgeführt werden. Der Einsatz erfolgt im Allgemeinen im Nennweitenbereich DN 200 bis DN 600. Es gibt aber auch einige wenige Hersteller, die Geräte für Arbeiten in größeren Querschnitten oder in Sonderprofilen entwickelt haben.
Wichtig ist: Bei Reparaturen mittels Roboterverfahren darf es zu keiner wesentlichen Reduzierung des freien Kanalquerschnitts kommen.


Reparaturverfahren
Grabenlose Reparaturen haben gerade in letzter Zeit einen starken Aufschwung erlebt. Der steigende Markt förderte innovative Ideen, so dass nun für nahezu jede (noch halbwegs standsichere) Schadstelle eine entsprechende Technologie zur Verfügung steht. Bei der Vielzahl der Verfahren und der dabei angewendeten Materialien ist es für den Anwender aber immer schwieriger, sich für die richtige Reparaturtechnologie zu entscheiden. Deswegen hat sich die DWA entschlossen, in ihrer Merkblatt-Reihe M 143 ein Zeichen zu setzen und für die am weitesten verbreiteten Technologien mit dem Teil 7 (Kurzliner und Innenmanschetten) und dem Teil 16 (Roboterverfahren) Mindeststandards festzuschreiben. Damit soll erreicht werden, dass die richtige Technologie mit dem optimalsten Material eingesetzt und so eine qualitativ hochwertige Leistung erbracht wird. Ziel muss sein, die Lebensdauer der grabenlosen Reparaturverfahren zu verlängern und somit für den Auftraggeber Kosten zu sparen.
Allgemeines
Ein wichtiges Kriterium beim Einsatz von Roboter- und partiellen Linertechnologien ist ein haftfähiger Untergrund. Durch entsprechende Vorbehandlung muss sichergestellt werden, dass
  • eine schmutz- und fettfreie Oberfläche entsteht (bei partiellen Linern ist zudem mindestens an den Übergangsbereichen die Rohrwand aufzurauen)
  • lose Teile entfernt werden
  • Fräsarbeiten so ausgeführt werden, dass genügend Reparaturmaterial eindringen kann
  • Fräsnuten ausreichend mit Frischwasser gereinigt werden
  • die zur Vorbereitung der Reparaturmaterialien verwendeten Arbeitsplätze sauber und witterungsgeschützt sind.
Die Vorflut im Hauptkanal und den Seitenzuläufen hat so zu erfolgen, dass nach Abschluss der Vorarbeiten kein Abwasser die zu sanierende Stelle benetzen und damit wieder eine Trennschicht entstehen kann.
Eine geringfügige Reduzierung des freien Kanalquerschnitts muss nach den allg. anerkannten Regeln der Technik in Kauf genommen werden.
 
Roboterverfahren
Mit Roboter-Systemen ausgeführte Arbeiten sind i. Allgemeinen in sich abgeschlossene Reparaturen zur Wiederherstellung des Sollzustandes. Sie werden aber auch bei Vor- bzw. Nacharbeiten anderer Sanierungsverfahren (wie z. Bsp. Renovierungstechniken) angewandt (Tab. 1).
SCHÄDEN KOMPLETT-
SYSTEME
TEILSYSTEME
  alle Arbeiten nur Stutzensanierung nur Fräsen
  Fräs-/Spachtel
roboter/ Schalungs-
manschette
Stutzenver-
press
Systeme
Hutprofil-
System
Nur
Fräsroboter
A. - Fräsarbeiten
Entfernen
Ablagerungen
+     +
Muffenversätze +     +
Öffnen Zuläufe +     +
Entfernen
Hindernisse
+     +
B. - Einzelreparaturen
Längsrisse        
Radialrisse + 2      
Löcher (Fehlende
Wandungsteile)
+ 2      
Schadhafte
Rohrverbindungen
+ 2      
C. – Reparaturen des Einlaufbereichs
Stutzensanierung
(Spachteltechnik)
+      
Stutzensanierung
(Verpresstechnik /
Harz)
+ 1 + 3    
Stutzensanierung
(Verpresstechnik
ZM)
0 1 + 3    
Stutzensanierung
(Hutprofiltechnik)
    +  

1: mit Schalungsmanschette
2: alternativ auch mit Schalungsmanschette
3: je nach technischer Ausrüstung

+ = geeignet
O = bedingt geeignet
Tabelle 1: Übersicht über Robotersysteme und Schadensbilder [3]
Geräte für die Stutzenverpressung und zur Applizierung von Hutprofilen sind Teilsysteme. Bei diesen Arbeiten wird im Allgemeinen mit dem Fräsroboter die Schadstelle aus- / abgefräst und vorbereitet.
Bei den verschiedenen Systemen kommen die vielfältigsten Werkstoffe zum Einsatz. In Abhängigkeit vom Gerätetyp und der Sanierungstechnologie sind dies:
  • Spachtel- und Verfüllarbeiten
    • Epoxidharz
  • Stutzensanierung
    • Epoxidharz
    • Isocyanatharz (Silikatharz)
    • kunststoffvergütete Zementmörtel
  • Hutprofiltechnik
    • Polyesterfasern mit Kaschierungen
    • aus PUR, PE und PVC,
    • Reaktionsharze sind
      • Epoxidharze
      • Isocyanatharze
Partielle Liner
Mit partiellen Linern und Innenmanschetten ausgeführte Arbeiten sind i. Allgemeinen in sich abgeschlossene Reparaturen zur Wiederherstellung des Sollzustandes (Tab. 2). Partielle Liner werden aber auch als Vorarbeiten bei Renovierungsmaßnahmen angewandt. Solchermaßen reparierte Kanalabschnitte sind ins Betriebsführungssystem aufzunehmen, so dass bei Reinigungsarbeiten diese Reparaturstellen keinen extrem hohen Belastungen ausgesetzt werden.
Eignung und Vor-
aussetzungen d.
Verfahren
Kurzliner aus
Faserverbund-
werkstoff
Innenman-
schetten
aus Edelstahl
Innenman-
schette aus
Elastomeren
  PUR EP VxA /
Elastomer
VxA /
Kleber
Elastomer
VxA
Undichte Muffen ja ja ja ja ja
Radialrisse ja ja ja ja ja
schadhafte Rohrwandung ja ja ja ja ja
Lageabweichung möglich möglich nein nein ja
starker Infiltration ja ja ja ja ja
Längsrisse ja
(Rohrlänge)
ja
(Rohrlänge)
nein nein bedingt
(Rohrlänge)
Scherbenbildung nein nein nein nein nein
üblicher Einsatz im nicht
begehbaren Bereich
ja ja ja ja nein
üblicher Einsatz im
begehbaren Bereich
nein nein nein nein ja
Tabelle 2: Übersicht über Anwendungsbereiche [4]
Der Einbau von partiellen Linern und Manschetten erfolgt durch spezielle Geräte (sogenannten Packern).
Die Mindestwanddicke von partiellen Linern beträgt 3 mm. Sie werden mit vor Ort aushärtenden Reaktionsharzen mit der Rohrwand verklebt, wobei überschüssiges Harz in Risse und Spalten eindringt und somit für eine zusätzliche Verkrallung sorgt.
Trägermaterialien sind
  • korrosionsfeste Glastextilien
  • Polyesternadelfilze mit Kaschierung aus
    • Polyurethan (PUR)
    • Polyethylen (PE)
    • Polyvinylchlorid (PVC)
  • Reaktionsharze sind i. Allg.
    • Epoxidharze
    • Polyurethanharze
Die Mindestwanddicke bei Innenmanschetten ist herstellerabhängig. Manschetten aus Elastomeren werden durch systemzugehörige Spannringe kraft- und formschlüssig dauerhaft an der Kanalwand fixiert, während bei solchen aus Edelstahl nach der Aufweitung entweder die Abdichtung durch Elastomeren oder durch Verklebung mittels Reaktionsharz erfolgt.
Weitere Verfahren
Injektionsverfahren
Injektionsverfahren werden angewandt bei
  • Hohlräumen
  • Rissen
  • Rohrverbindungen
Dabei wird im nicht begehbaren Bereich mittels Packer ein flüssiges oder plastisches Material in die Schadstelle eingebracht. Materialien sind
  • Wasserglas (Natrium- oder Kalisalz der Kieselsäure)
  • Kunststofflösungen auf Basis von Acrylharzen
  • Kunstharze auf Basis von Epoxid-, Polyurethan- und Silikatharzen
  • Suspensionen (Trägerflüssigkeit mit gleichmäßig verteilten, nicht gelösten Feststoffen)
  • Mörtel und Pasten auf Zementbasis
Sie können auch als Vorarbeit bei Renovierungsmaßnahmen sowie partiellen Linern Anwendung finden. Grundlage ist ATV-DVWK-M 143-8.
Flutungsverfahren
Das Verfahren dient zur Abdichtung von Undichtigkeiten im Bereich der Rohre, Rohrverbindungen und Schächte sowie von Querrissen mit einer Breite von ≤ 5 mm und Längsrissen mit einer Breite von ≤ 3 mm (verfahrensabhängig). Die Standsicherheit der Rohrleitungen und Schächte muss in jedem Fall gewährleistet sein.
Das Verfahren nutzt „Undichtigkeiten“ in der Leitung, indem zwei Komponenten nacheinander in den Kanal und von dort aus in den angrenzenden Boden gepresst werden. Das überschüssige Material wird nach dem Verpressvorgang wieder aus dem Kanal entfernt. Dabei reagieren die zwei Komponenten und es entsteht ein Sandsteinkonglomerat, welches die Rohrbettung stabilisiert und gleichzeitig eine Infiltration verhindert. Starke Grundwasserströmungen oder grobkörnige Böden können zu einem Ausfall des Verfahrens führen.
Die Anwendungsmöglichkeit variiert je nach Hersteller:
  • Rohrdurchmesser ab DN 25 bis DN 700
  • Je nach Materialkomponente alle gängigen bzw. nur wenige Rohrmaterialen
Mehrere Verfahren besitzen bereits eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung des „Deutschen Institut für Bautechnik“ (DIBt). 


Qualitätssicherung
Grundlage einer fachgerechten Reparatur mittels der o. g. Verfahren ist eine Eigen- und Fremdüberwachung. Um eine fachgerechten Reparatur zu gewährleisten, ist eine
  • ausreichende Planung und Bauausführung
  • gute Eigen- und Fremdüberwachung bei der
    • Materialherstellung
    • Applikation der Materialien
    • Umweltverträglichkeit
notwendig. Grundlage der Qualitätssicherung müssen verfahrensspezifische Eignungsnachweise sein. Diese sind durch Prüfzeugnisse zu belegen. Ein Eignungsnachweis kann z. Bsp. durch eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung des Deutschen Instituts für Bautechnik erbracht werden. Mittels Rückstellproben kann dann die Qualität der verwendeten Materialen nachgewiesen werden.
Auftraggeber sind verpflichtet, entsprechende Sorgfalt bei der Vergabe der Bauausführung anzuwenden und die erforderliche Qualifikation abzufragen. Hinweise hierzu gibt DIN 1960 (VOB/A § 8 (3)). Die RAL-Gütesicherung GZ 961 enthält Anforderungen an:
  • Personal und Geräte
  • Aus- und Weiterbildung
  • Eigenüberwachung
  • Nachunternehmer sowie Bezug von Lieferungen und Fremdleistungen


Zusammenfassung
Grabenlose Reparaturtechnologien werden immer häufiger angewandt. Die Vielzahl der zwischenzeitlich auf dem Markt vorhandenen Geräte und Materialien ist für den Auftraggeber aber immer schwieriger zu überblicken. Mit den DWA-Merkblättern stehen den Auftraggebern und -nehmern Hilfsmittel zur Verfügung, die bei punktuellen grabenlosen Reparaturen im Kanal eine qualitativ hochwertige Arbeit ermöglichen. Dies dürfte auch dazu führen, dass diese Verfahren zu einer Verlängerung der Nutzungsdauer führen und mittel- bis langfristig dem Auftraggeber Kosten sparen sowie das Vertrauen in die Auftragnehmer fördert.
Bei wirtschaftlichen Betrachtungen darf man aber nicht außer Acht lassen, dass es sich um Reparaturverfahren handelt. Das bedeutet: Man erreicht keine dauerhafte und werthaltige Sanierung seines Netzes. Vielmehr kann damit ggf. eine wertverbessernde Maßnahme auf einen späteren Zeitpunkt geschoben werden, um die begrenzten finanziellen Mittel effektiver einsetzen zu können.


Normen / Regelwerke
Folgende Normen und Regelwerke sind zu beachten:
  • DIN EN 752 - Teil 5, Entwässerungssysteme außerhalb von Gebäuden - Sanierung, Ausgabe November 1997
  • DIN 1960 VOB Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen - Teil A: Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Bauleistungen, Ausgabe Dezember 2002
  • DWA-M 143-7, Ausgabe April 2003
  • DWA-M 143-8, Ausgabe August 2004
  • DWA-M 143-16, Ausgabe Dezember 2006
  • BGV C5 Unfallverhütungsvorschrift Abwassertechnische Anlagen, vom            1. Oktober 1995, Ausgabe 2003 


Quellen
[1] DWA-Umfrage 2004 "Zustand der Kanalisation in Deutschland", Herren Dipl.-Ing. Christian Berger (Hennef) und Dipl.-Ing. Johannes Lohaus (Hennef)

[2] Dietrich Stein, Instandhaltung von Kanalisationen, Bild 5.1-2

[3] DWA-M 143, Teil 16

[4] ATV-DVWK-M 143, Teil 7 (Auszug)

Kontakt

Dipl.-Ing. (FH) Wilfried Gaugele [Landeshauptstadt Stuttgart,Tiefbauamt, Eigenbetrieb Stadtentwässerung (SES)]

70176 Stuttgart

Telefon:

0711 216-2619

Fax:

0711 216-2661

E-Mail:

Wilfried.Gaugele@stuttgart.de

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