Rohrleitungssysteme kein Auslaufmodell
12.03.2014
Beim 28. Oldenburger Rohrleitungsforum standen Hybridnetze im Fokus.
Unter welchem Motto wird die nächste Veranstaltung stattfinden? Diese Frage beschäftigt bereits die Macher des Oldenburger Rohrleitungsforums 2015. Und das passt. Macht es doch deutlich, welche Ausnahmestellung und welchen Ruf sich das kleine aber feine Forum erarbeitet hat. Traditionell diskutieren die Fachleute der Branche über den aktuellen Stand der Technik, werfen gleichzeitig aber auch den Blick nach vorn: Was müssen wir noch tun, sind wir auf dem richtigen Weg und welche Verfahren und Modelle haben das Potential, weiter entwickelt zu werden? Solche Fragen bilden die Grundlagen der vielfach kontroversen aber meist fruchtbaren Diskussionen in den Vortragsblocks, auf der Fachausstellung und dem legendären Grünkohlabend, der den ersten Veranstaltungstag beschließt.
Nach "Rohrleitungen – in neuen Energieversorgungskonzepten" und dem Schwerpunkt "Klimawandel" in 2013 widmete sich das diesjährige Forum wieder der "Energieversorgung" – beides Themen, die eng mit der Umsetzung der Energiewende verbunden sind. Mittlerweile sind aus ersten Konzepten erste Pilotprojekte hervorgegangen, wie zum Beispiel die Wasserstofferzeugungsanlage der E.ON im brandenburgischen Falkenhagen oder das Hybridprojekt Oldenburg-Drielake, bei dem so genannte Energetische Nachbarschaften als Baustein zukünftiger Hybridnetze im Fokus stehen. Auch Techniken wie die Nutzung von Abwärme aus Abwasser finden mittlerweile immer breitere Anwendung. Dennoch wurde eines in Oldenburg recht deutlich: Eine sichere Energieversorgung wird in der Zukunft nicht durch die einfache Umstellung der heutigen Strukturen möglich sein. Die Zukunft sieht komplexe ineinander greifende Netzstrukturen vor. Und genau dies erfordert viel technischen Sachverstand und verlangt einen hohen interdisziplinären Austausch. Wo könnte dies besser gelingen, als auf dem Oldenburger Rohrleitungsforum, das mit seinem diesjährigen Motto "Rohrleitungen als Teil von Hybridnetzen – unverzichtbar im Energiemix der Zukunft" exakt den Nerv der Branche traf.
Prof. Thomas Wegener, Vorstandsmitglied des iro e.V. und Geschäftsführer der iro GmbH, eröffnete am 6. Februar das 28. Oldenburger Rohrleitungsforum, das die Jade Hochschule mit über 3.000 Teilnehmern, rund 350 Ausstellern und 130 Referenten wie in jedem Jahr für zwei Tage in einen regelrechten Ausnahmezustand versetzte. Welche organisatorische Leistung notwendig ist, um Vortragsräume, Ausstellungsflächen, Pausenräume und Cafés für diesen Ansturm vorzubereiten, können die Besucher nur erahnen. Dementsprechend lobte der Präsident der Jade Hochschule Wilhelmshaven/Oldenburg/Elsfleth, Dr. Habil Elmar Schreiber, in seiner Ansprache nicht nur die lange Tradition der Veranstaltung, sondern hob insbesondere das Engagement des iro-Teams hervor. "Die stemmen was", brachte Schreiber einen der Schlüssel für den außerordentlichen Erfolg der Veranstaltung auf den Punkt. Aber auch der besondere Mix aus "Wirtschaft - Wissenschaft – Hochschule – Praxis" stellt für den Präsidenten ein charakteristisches Merkmal des Forums dar.
Gasnetze mit Potential
Im Anschluss an die Grußworte der Verbände und der Stadt Oldenburg durch Dipl.-Ing. Hartmut Wegener, Vorstandsmitglied des Rohrleitungsbauverbandes e.V., Dipl.-Ing. Broll-Bickhardt, Stellvertretender Vorsitzender des DWA-Landesverbandes Nord, und Germaid Eilers-Dörfler, Bürgermeisterin der Stadt Oldenburg, widmeten sich die beiden Eröffnungsvorträge eingehend dem Thema der diesjährigen Veranstaltung. Prof. Dr.-Ing. Hartmut Krause, Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V., DBI Gastechnologisches Institut gGmbH, stellte die Forschungsleitlinien des Verbandes vor und zeigte auf, welchen Beitrag die Gasnetze zur Stabilisierung der Energieversorgung bei zunehmendem Anteil erneuerbarer Energieträger an der Energieerzeugung leisten können.
Wo gibt es – mit Blick auf die Gasnetze der Zukunft – noch Forschungsbedarf: auch das eine Steilvorlage von Krause, die Jun.-Prof. Dr. Sebastian Lehnhoff, Bereichsvorstand Energie OFFIS e.V. Institut für Informatik, Oldenburg, als letzter Redner der Eröffnungsveranstaltung sofort aufnahm. Eine entscheidende Komponente zur erfolgreichen Realisierung der zukünftigen Energieversorgung sind entsprechende Automatisierungs- und Informationstechnologien, die erst eine Steuerung der Energieströme ermöglichen. "Dabei stellen sich im Wesentlichen zwei Probleme", führte Lehnhoff aus. "Zum einen fehlt die Möglichkeit erzeugte Energie in ausreichendem Maß zu speichern und zum anderen müssen Transportengpässe dringend gelöst werden." In diesem Zusammenhang sieht Lehnhoff in den Smart Grids ein Instrument, die vorhandene Infrastruktur intelligent zu nutzen. An der Kernfrage, wie die Systeme zu verknüpfen sind, arbeitet das Institut zurzeit intensiv. Unter anderem werden Leitsysteme und Planungsansätze für gekoppelte Infrastruktursysteme entwickelt.
Energetische Nachbarschaften
Ein weiterer interessanter Ansatz beschäftigt sich mit der Regionalisierung der Hybridnetze, wie das Beispiel Drielake (Oldenburg) mit seinen Energetischen Nachbarschaften zeigt. Dabei wird nach Identifizierung passender Bereiche ein Verbund von dezentralen Verbrauchern und Produzenten, die sich in unmittelbarer räumlicher Nähe zueinander befinden, geschaffen. Dies ist auch eine der Grundvoraussetzung für ein weiteres Schwerpunktthema des 28. Oldenburger Rohrleitungsforums, das im Zusammenhang mit dem Thema "Hybridnetze" nicht fehlen darf: die energetische Nutzung der Abwasserwärme. In drei Vortragsblöcken wurde über neue technische Entwicklungen und die Erfahrungen aus aktuellen Projekten berichtet. Festzustellen ist, dass sich die Technik zur Nutzung der Abwasserwärme etabliert hat und dass das Interesse seitens der Kommunen stetig zunimmt.
Anpassungen erforderlich
Dass sich vieles um die Weiterentwicklung der Erdgasnetze drehen wird, wurde ebenfalls deutlich. Über die technischen Aspekte wie zum Beispiel den Einfluss des durch Elektrolyse gewonnenen und eingespeisten Wasserstoffs auf das Rohrnetz wurde in zwei Vortragsblöcken diskutiert. "Neben den Erdgasspeichern und -netzen bieten sich allerdings auch die großen Fernwärmenetze dazu an, Flexibilitäten für die erneuerbare Stromerzeugung bereitzustellen", stellte DI Robert Hinterberger, Geschäftsführer Energy Research Austria, New Energy Capital Invest GmbH, in der Pressekonferenz fest, die sich ebenfalls dem Leitthema des Forums widmete.
"Das hohe Flexibilitätspotential im Wärmemarkt zeigt sich schon alleine darin, dass deutschlandweit der Wärmeverbrauch mehr als 2,5mal so groß ist wie der Stromverbrauch. Insbesondere so genannte Power-To-Heat-Anlagen können zu einem wichtigen Baustein der Energiewende werden, indem erneuerbarer Überschussstrom in Fernwärmesystemen verwertet wird, anstatt diesen wie bisher abzuregeln", so Hinterberger weiter. Die Umsetzung solcher Hybridsysteme erfordere aber nicht nur die technische Integration, sondern vor allem eine Anpassung der regulatorischen, rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen. So ist es für Fernwärmebetreiber derzeit in Deutschland nicht wirtschaftlich möglich, erneuerbaren Überschussstrom auf diese Art und Weise zu verwerten. Auf diesen Aspekt verwies auch Dipl.-Ing. Heiko Fastje, Geschäftsführer der EWE Netz GmbH. Denn die Grundzüge der Regulierung sind in einer Zeit entworfen worden, als wenige große Unternehmen den Energiemarkt dominierten. Die mittlerweile entstandene Struktur an Marktteilnehmern am Energiemarkt erfordert eine Anpassung der Regulierung, um eine technisch und wirtschaftlich sinnvolle Entwicklung zu ermöglichen.
Dauerbrenner wie immer dabei
Natürlich kamen auch in diesem Jahr die Dauerbrenner des Oldenburger Rohrleitungsforums nicht zu kurz: Hierzu zählen die vielen Vortragsblöcke, die sich den verschiedenen Rohrmaterialien widmen, genauso wie die Blöcke zu den Themen grabenloser Leitungsbau, HDD oder Sanierung von Rohrleitungen. Zudem bildete der Korrosionsschutz von Rohrleitungen einen besonderen Schwerpunkt, aber auch Reizthemen wie das Fracking wurden in das Programm aufgenommen und kontrovers diskutiert. Für die Verbindung von Wissenschaft und Praxis sorgte wie im Vorjahr die Vorstellung der Abschlussarbeiten der Studierenden der Jade Hochschule. Und um "Schlauchliner – der Weisheit letzter Schluss?" drehte sich die Diskussion im Café.
Und wie lautet das Fazit nach zwei Tagen in Oldenburg? Wie immer gab es eine Fülle von hochinteressanten und aktuellen Themen und den gewohnt intensiven Austausch, der für neue und wichtige Impulse sorgen wird. "Um die Herausforderungen der Energieversorgung in Zukunft zu meistern, wird es nicht nur einen Lösungsweg geben. Die Kombination der verschiedenen technischen Möglichkeiten wird zum Ziel führen und Rohrleitungssysteme werden dabei eine wichtige Aufgabe spielen", fasste Prof. Wegener seine Eindrücke nach Beendigung der Veranstaltung zusammen. Dementsprechend ist Wegener fest davon überzeugt, dass dem Oldenburger Rohrleitungsforum auch in den nächsten Jahren die Themen nicht ausgehen werden. Das Motto für das 29. Oldenburger Rohrleitungsforum – es findet am 19. und 20. Februar 2015 statt – ist jedenfalls schon in Arbeit.
More News and Articles
28.08.2024
News
ITpipes Secures $20M to Transform Water Infrastructure Management
ITpipes announced it has secured $20 million in equity financing from Trilogy Search Partners and Miramar Equity Partners.
Known for its trusted and user-friendly platform, ITpipes …
26.08.2024
News
Professor Dr.-Ing. Dietrich Stein
With deep sadness we announce the loss of our founder and partner Prof Dr Dietrich Stein at the age of 85.
Engineers around the globe are thankful for his dedication to the inventions in the fields of sewers, …
26.08.2024
News
PPI Releases New Installation Guide for PE4710 Pipe
PPI’s MAB-11-2024 Covers HDPE Water Pipelines Up to 60-in. Diameter and 10,000-ft Long Pulls
Developed by the Municipal Advisory Board (MAB) – and published with the help of the members of the …
23.08.2024
News
Faster wide-scale leak detection now within reach
Mass deployment of connected leak loggers is being made possible by the latest technology, writes Tony Gwynne, global leakage solutions director, Ovarro
Water companies in England and Wales are …
21.08.2024
News
Kraken awakens customer service potential in water
The innovative customer service platform Kraken has made a successful transfer from energy to water. Ahead of their presentation at UKWIR’s annual conference, Portsmouth Water chief executive …
19.08.2024
News
Predicting the toxicity of chemicals with AI
Researchers at Eawag and the Swiss Data Science Center have trained AI algorithms with a comprehensive ecotoxicological dataset. Now their machine learning models can predict how toxic chemicals are …
16.08.2024
News
Goodbye water loss: Trenchless pipe renewal in Brazil
Pipe renewal in Brazil
How do you stop water loss through leaks in old pipe systems without major environmental impacts and restrictions? The answer: with trenchless technology, or more precisely …
14.08.2024
Fachartikel
Impact of high-temperature heat storage on groundwater
In a recently launched project, the aquatic research institute Eawag is investigating how the use of borehole thermal energy storage (BTES) affects the surrounding soil, the groundwater …
12.08.2024
News
Watercare completes East Coast Bays sewer link
Watercare has successfully finished the final connection on the East Coast Bays link sewer at Windsor Park in New Zealand.
Much of the East Coast Bays sewer link was installed using horizontal directional …
09.08.2024
Fachartikel
Innovative water solutions for sustainable cities
Cities need to become more sustainable and use their water resources more efficiently. Managing water in local small-scale cycles is one possible solution. A new white paper by Eawag, the University …
07.08.2024
Fachartikel
How digital technologies contribute to universal drinking water
Digital water technologies have an important role in ensuring universal access to safe drinking water by 2030, that is according to a new report from the World Health Organisation. …
05.08.2024
News
Knowledge transfer on sustainable water infrastructure in India
India’s fast-growing cities need an efficient infrastructure for water supply and wastewater disposal. A research cooperation, is therefore supporting the development of a sustainable …
Kontakt
Institut für Rohrleitungsbau an der Fachhochschule Oldenburg e.V.
Ofener Str. 16/19
26121 Oldenburg
Deutschland