Rohrwerkstoffe in der öffentlichen Abwasserentsorgung. Verbreitung, Erfahrung und mögliche Kostensenkungspotenziale
20.10.2006
Angesichts leerer öffentlicher Kassen sowie der von den Bürgern gewünschten minimalen Belastung durch Abwassergebühren bei gleichzeitiger Gewährleistung der Betriebssicherheit ergibt sich die Notwendigkeit einer nachhaltigen Kostensenkung in der öffentlichen Abwasserentsorgung. Im Rahmen einer empirischen Untersuchung unter deutschen Kanalnetzbetreibern wurde daher die Möglichkeit der Kostensenkung durch den Einsatz hochwertiger Kanalrohrsysteme aus PE analysiert. Aufgrund der hohen Nutzungsdauer dieses Rohrwerkstoffs sind Einsparungen im Bereich der kalkulatorischen sowie der Betriebs- und Instandhaltungskosten zu erwarten. In der Untersuchung kam diesbezüglich zum Ausdruck, dass ein Teil der Kanalnetzbetreiber diese Werkstoffeigenschaft noch nicht endgültig akzeptiert, unter anderem weil die in DIN 8074 angegebene Nutzungsdauer von 100 Jahren noch nicht durch reale Erfahrungen, sondern durch extrapolierte Untersuchungsergebnisse bestätigt wird. Dennoch erwarten die Befragten in naher Zukunft ausschließlich für den Einsatz von PE-Rohren einen deutlich steigenden Trend in der deutschen Abwasserentsorgung mit rückläufigen Trends in anderen Werkstoffen.
Die diesem Beitrag zugrunde liegende Untersuchung umfasste 44 Betreiber öffentlicher Kanalnetze, die insgesamt für mehr als 10,6 Millionen Einwohner und damit fast 13 % der deutschen Bevölkerung zuständig sind. Mit über 41600 Kanalkilometern sind außerdem fast 9 % des öffentlichen deutschen Kanalnetzes in dieser Umfrage repräsentiert. Im Gegensatz zu den Gas- und Trinkwasserleitungen, die mittlerweile zum größten Teil aus PE bestehen, ist derzeit noch ein hoher Anteil traditioneller Werkstoffe wie beispielsweise Beton oder Steinzeug vorzufinden ( Bild 1 ).
Etwa 90 % der in dieser Umfrage erfassten Kanäle bestehen aus den "traditionellen" Werkstoffen Beton und Steinzeug. Dieser Wert entspricht ziemlich genau dem entsprechenden Ergebnis der DWA-Umfrage aus dem Jahre 2004 [1]. Geringer als in besagter Umfrage ist der ermittelte Anteil der Kunststoffe am Kanalnetz mit insgesamt 4,7 %. Mehr als die Hälfte der in der öffentlichen Abwasserentsorgung genutzten Kunststoffrohre bestehen bisher aus PE.
Von Interesse ist außerdem die Frage, inwiefern die Wahl eines Werkstoffs auch vom Rohrdurchmesser abhängig ist. Im Rahmen dieser Arbeit wurden drei verschiedene Durchmesserkategorien betrachtet. Bild 2 veranschaulicht, dass mit steigendem Durchmesser der Kunststoffanteil zurückgeht.
- Bei Beton und mit Einschränkung auch bei Steinzeug ging die Mehrheit der Befragten von einem in Zukunft stabilen Anteil am Kanalnetz aus.
- Bei Mauerwerk, Stahl und Guss überwog deutlich die Einschätzung, dass ihr Anteil am Kanalnetz sinken wird.
- Deutlich sind auch die Einschätzungen der Befragten zu Kunststoffen als Werkstoff im Abwasserbereich. In den kommenden fünf Jahren rechnet eine große Mehrheit der Netzbetreiber damit, dass ihr Anteil am Kanalnetz steigen wird. Bei näherer Betrachtung der Kunststoffe zeigte sich, dass dieser positive Trend der Kunststoffe im Wesentlichen von PE getragen wird. Eher indifferent waren die Befragten bei der Beurteilung der Perspektiven von PP und GFK, lediglich bei PVC war sich die Mehrheit sicher, dass der entsprechende Anteil in den kommenden Jahren sinken wird ( Bild 4 ).
Auffällig ist die weitgehend geringe Differenzierung zwischen den verschiedenen Merkmalen. Auf den ersten Blick scheint fast alles "wichtig" zu sein. Dennoch sind einige interessante Erkenntnisse aus dieser Darstellung zu gewinnen.
Mit höchster Priorität und als einziges Merkmal mit sieben Punkten bedacht wurde die hohe Lebensdauer eines Werkstoffs. Die geringste Wichtigkeit wird hingegen den Material- und Verlegungskosten zugestanden. Offensichtlich scheinen die befragten Ansprechpartner bei den Kanalnetzbetreibern bereit zu sein, für ein Rohr mit höherer Lebensdauer gewisse Mehrkosten bei Material und Verlegung hinzunehmen. Ein Grund hierfür kann u. a. in dem vergleichsweise geringen Anteil dieser Kosten an den gesamten Investitionskosten einer entsprechenden Baumaßnahme gesehen werden [4]. Ein weiterer Grund könnte darüber hinaus auch der positive Effekt einer längeren Lebensdauer auf die kalkulatorischen Kosten sein.
Die durchgeführte empirische Untersuchung hat sich außerdem damit auseinandergesetzt, in welchen Bereichen der Abwasserentsorgung Kostenpotenziale bestehen. Hierfür ist zunächst die Kostenverteilung der verschiedenen Kanalnetzbetreiber erhoben worden ( Bild 6 ). Um zunächst einen groben Einblick in die Kostenstruktur der teilnehmenden Unternehmen zu erhalten, wurden die Interviewpartner gebeten, eine prozentuale Verteilung verschiedener Kostenarten an ihren Gesamtkosten anzugeben. Diese Kostenanteile wurden für die weitere Betrachtung nicht nach Einwohnern gewichtet, da die Größe der jeweiligen Gemeinde als nicht relevant für die Schlussfolgerungen im Rahmen dieser Fragestellung angesehen wurde.
Im Rahmen dieser Untersuchung wurde ein vergleichsweise geringer Anteil von Kunststoffrohren am öffentlichen Kanalnetz festgestellt. Jedoch erwarten die befragten Kanalnetzbetreiber insbesondere für Rohre aus PE in den kommenden fünf Jahren einen deutlich steigenden Trend. Dieser Trend kann mit der Nutzung der in dieser Studie identifizierten Kostensenkungspotenziale durch den Einsatz von PE-Rohren im Bereich der kalkulatorischen Abschreibungen sowie der Betriebs- und Instandhaltungskosten weiter verstärkt werden.
[1] Berger, C. und Lohaus, J.: Zustand der Kanalisation in Deutschland – Ergebnisse der DWA-Umfrage 2004. 2005, http://www.atv.de/download/ Kanalisation_De2004.pdf, zuletzt aufgerufen am 11. März 2006
[2] InfoBau-Münster GmbH: Ausgeschriebenes Material: 01.12.2005 bis 31.01.2006. Münster, 2006
[3] Steiert, T. und Schuster, B.: Verbinden von PEGroßrohren. 3R International – Zeitschrift für die Rohrleitungspraxis 42 (2003) Nr. 3-4, S. 226- 230
[4] Günthert, F.W. und Reicherter, E.: Investitionskosten der Abwasserentsorgung. 1. Auflage, München, 2001
[5] ATV-DVWK und BGW: Marktdaten Abwasser 2003: Ergebnisse der gemeinsamen Umfrage zur Abwasserentsorgung. 2004, http:// www.dwa.de/download/marktdatenabwasser_ 2003.pdf, zuletzt aufgerufen am 6. März 2006
[6] Bucksteeg, K. und Engelmann, E.: Kostensparen bei der Abwasserentsorgung. Korrespondenz Abwasser 41 (1994) Nr. 10, S. 1783-1788
[7] Pecher, R.: Möglichkeiten zur Kosteneinsparung in der Abwasserentsorgung. Umwelttechnologie Aktuell 6 (1995) Nr. 1, S. 15-21
[8] DIN 8074 "Rohre aus Polyethylen (PE) – PE 63, PE 80, PE 100, PE-HD: Maße". (1999-08)
[9] Pecher, K.H.: Nutzungsdauer und Wirtschaftlichkeit von Abwasserkanälen. 2002, http:// www.pecher.de/relaunch/pecher_website/upload/ khpecher2002a.pdf, zuletzt aufgerufen am 6. März 2006
[10] Krug, R. und Hochstrate, K.: Finanzierung und Werterhaltung von Kanälen – Anpassung der Abschreibungssätze/ Nutzungsdauern an veränderte Bau- und Betriebszustände nach ATV A 133 (September ’96). Umwelttechnologie Aktuell 8 (1997) Nr. 2, S. 91-96
[11] Prof. Dr.-Ing. Stein und Partner GmbH: European study of the performance of various pipe systems, respectively pipe materials for municipal sewage systems under special consideration of the ecological range of effects during the service life. 2005, http://www.teppfa.org/pdf/steinpartner. pdf, zuletzt aufgerufen am 10. März 2006
Dipl.-Ing. Thomas Frank (Geschäftsführer Frank GmbH, Mörfelden)
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Dr. Christian Habedank
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Dipl.-Wirtsch.-Ing. Volker Lindenau
Technische Universität Darmstadt
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