Selbsterhärtende Bohrspülungen für das HDD-Verfahren
06.11.2007
Unterquert eine HDD-Bohrung setzungsempfindliche Objekte wie Straßen, Bahngleise oder Gebäudekomplexe, so ist eine langfristige Stabilisierung des Bohrkanals unerlässlich. Anderenfalls besteht die Gefahr von Setzungsschäden, deren Sanierung meist mit hohen Kosten verbunden ist.
Eine kraftschlüssige Stabilisierung und eine erosionssichere Abdichtung der Bohrung kann aber weder durch eine Zumischung von handelsüblichem Zement in eine konventionelle Bohrspülung noch durch eine nachträgliche Zementinjektion erreicht werden.
Wird handelsüblicher Zement der bentonithaltigen Bohrspülung im Mischer zugegeben, so kommt es zur Destabilisierung der Bohrspülung. Durch die Sedimentation der in der Spülung suspendierten Feststoffteilchen bildet sich bis zu 20 Vol.% freies Wasser.
Selbsterhärtende Bohrspülungen sind trotz des Bindemittelanteils sedimentationsstabil und weisen gute rheologische Eigenschaften auf (Tab. 1). Der Bohrprozess führt zu einer gleichmäßigen Verteilung des in der Spülung enthaltenen Bindemittels im gesamten Ringraum. Nach Ablauf der Verarbeitungszeit (standardmäßig ca. 2 Tage) härtet die Spülung langsam aus und bewirkt so eine kraftschlüssige Stabilisierung und eine erosionssichere Abdichtung des Bohrkanals.
Parameter | Messwert |
---|---|
Marshzeit [s] | 43 |
Plastische Viskosität [cP] | 9 |
Fließgrenze [lb/100ft2] | 25 |
Scheinbare Viskosität [cP] | 22 |
Gelstärke 10 Sekunden [lb/100ft2] | 25 |
Gelstärke 10 Minuten [lb/100ft2] | 29 |
Das in selbsterhärtenden Bohrspülungen eingesetzte Bindemittel ist speziell auf die bei HDD-Projekten geforderten langen Verarbeitungszeiten zugeschnitten. So erfolgt ein Ansteifen der selbsterhärtenden Bohrspülung standardmäßig erst nach ca. 2 Tagen.
Maßgebend für die anschließende Festigkeitsentwicklung ist die Ausbildung von nadelförmigen Kristallen, den so genannten CSH-Phasen auf der Oberfläche der Bindemittelpartikel. Die CSH-Kristalle entstehen durch die Reaktion der im Bindemittel enthaltenen Mineralphasen (z. B. der Klinkerphase C3S) mit dem Anmachwasser. Durch das sich ausbildende dichte Netzwerk aus CSH-Phasen tritt eine zunehmende Erhärtung des Materials ein. Die Endfestigkeit liegt standardmäßig etwa bei 0,3 N/mm2. Bei der Reaktion des Bindemittels mit dem Anmachwasser wird neben CSH auch Calciumhydroxid (Ca(OH)2) gebildet, was zu einem erhöhten pH-Wert führt.
In konventionellen HDD-Spülungen werden standardmäßig natürliche oder durch Sodaaktivierung gewonnene Natriumbentonite verwendet. Diese zeichnen sich durch ein großes Quellvermögen aus, was bereits bei vergleichsweise geringen Feststoffanteilen zu stabilen strukturviskosen Suspensionen führt. Hauptbestandteil von Bentonit ist das quellfähige Tonmineral Montmorillonit. Wird handelsüblicher Zement einer konventionellen Bohrspülung zugegeben, so lagern sich die im Zuge der Zementhydratation freigesetzten Calciumionen im Austausch gegen Natriumionen in die Zwischenschichten der Montmorillonitkristalle ein. Es kommt zu einer drastischen Reduzierung der Quellfähigkeit. Hieraus resultiert eine Destabilisierung der Spülung und ein Absetzen großer Mengen freien Wassers (bis zu 20 Vol.-%). Bei dem in selbsterhärtenden Bohrspülungen verwendeten zementstabilen Natriumbentonit führt die Gegenwart der vom Bindemittelanteil freigesetzten Calciumionen zu einer vergleichsweise geringen Abnahme der Quellfähigkeit. Eine Destabilisierung findet nicht statt; die Spülung bleibt sedimentationsstabil und nach Ablauf der Verarbeitungszeit kommt es im gesamten Bohrkanal zu einer homogenen Festigkeitsentwicklung.
- Eingangskontrolle der Rohstoffe
- Produktionskontrolle
- Produktionskontrolle
Mit den Bentonitlieferanten wurden Qualitätsvereinbarungen abgeschlossen, die für alle relevanten Parameter enge Grenzwerte festschreiben. Jede Bentonitanlieferung wird beprobt. Anhand einer genau festgelegten Prüfrezeptur - bestehend aus einer Bentonitprobe und einem Eichbindemittel - werden sowohl die maßgeblichen rheologischen Parameter (Marshzeit, Fließgrenze, Filtratwasser, Wasserabsetzen) als auch die Lagerstabilität getestet. Nur bei Einhaltung der vorgegebenen Grenzwerte wird der Bentonit zum Einblasen in das Silo freigegeben. Durch die Verwendung der zementhaltigen Prüfrezeptur kann überprüft werden, ob der Bentonit für einen Einsatz in bindemittelhaltigen Produkten geeignet ist. Die Qualität der Bindemittelrohstoffe wird anhand chemischer Analysen kontrolliert. So kann bei möglichen Qualitätsschwankungen bereits im Vorfeld der Trocknung bzw. Mahlung steuernd eingegriffen werden. Der Mahlprozess selbst wird online überwacht. Schließlich wird das Bindemittel anhand spezifischer Prüfrezepturen auf seine Festigkeitsentwicklung hin untersucht.
Zusätzlich zu den Eingangkontrollen der Rohstoffe erfolgt bei der Produktion der selbsterhärtenden Bohrspülung eine Prüfung der Fertigmischung.
Nach Aufruf der im Mischrechner hinterlegten Rezeptur durch den Mischerfahrer wird zunächst die erste Charge gemischt, der Mischer angehalten und eine Probe entnommen. Diese Probe wird auf Einhaltung der Sollwerte für die Fließfähigkeit (Marshzeit) überprüft. Sind die Sollwerte eingehalten, wird die Produktion freigegeben.
Sollte es bei der Prüfung der Probe aus der ersten Mischcharge zu einer Abweichung von den Sollwerten kommen, wird nachdosiert und die im Mischrechner hinterlegte Rezeptur entsprechend angepasst. Die im Mischer befindliche Charge wird dann nochmals beprobt und geprüft. Die weitere Produktion mit der geringfügig korrigierten Rezeptur wird erst bei Übereinstimmung mit den Sollwerten freigegeben.
An einer Probe der Fertigmischung werden die rheologischen Kennwerte mittels Viskosimeter sowie Marshzeit, Fließgrenze, Filtratwasserabgabe und das Wasserabsetzen nach 1 Tag und nach 5 Tagen bestimmt. Um sicher zu stellen, dass die selbsterhärtende Bohrspülung eine ausreichende Festigkeitsentwicklung aufweist, wird ein so genannter Schnelltest durchgeführt. Hierbei wird die Scherfestigkeit der Probe nach 2 Tagen Lagerung bei 40 °C bestimmt.
Anschließend wird ermittelt, welche Scherfestigkeitsentwicklung bei den im Boden herrschenden Temperaturen (10 °C) stattfindet. Dazu werden die Bohrspülungsproben bei 10 °C in einer Klimakammer gelagert und nach 7 Tagen, 14 Tagen, 28 Tagen und 56 Tagen geprüft.
In der Regel wird die Pilotbohrung mit einer nicht erhärtenden Spülung ausgeführt, die dann von der - im Aufweit-/ Einzugsschritt verwendeten - erhärtenden Bohrspülung verdrängt wird. Hier kann es sinnvoll sein, durch Vorversuche zu überprüfen, welche Fließeigenschaften sich an der Kontaktfläche bzw. der Mischzone zwischen beiden Spülungen ergeben. Bei diesen labormäßigen Mischversuchen dürfen nur 2 separat angesetzte Spülungen miteinander vermischt werden (keine Zugabe von Trockenpulver!). Wichtig ist eine hochtourige Aufbereitung der labormäßig hergestellten Suspensionen, da nur so ein ordnungsgemäßer Aufschluss der in den Spülungen enthaltenen Bentonitkomponente sichergestellt werden kann. Um den Mischvorgang beider Spülungen im Bohrkanal nachzustellen, wird die konventionelle Bohrspülung vorgelegt und die selbsterhärtende Spülung langsam (z.B. mit einem Schneebesen) eingerührt.
- 70 Vol.% konventionelle Spülung / 30 Vol.%
selbsterhärtende Spülung - Phase 1: Einströmen der selbsterhärtende Spülung in den mit konventioneller Spülung gefüllten Bohrkanal - 50 Vol.% konventionelle Spülung / 50 Vol.% selbsterhärtende Spülung - Phase 2: Teilweise Verdrängung der konventionellen Spülung
- 30 Vol.% konventionelle Spülung / 70 Vol.% selbsterhärtende Spülung - Phase 3: Weitgehende Verdrängung der konventionellen Spülung
Bei Ausbildung eines homogenen und stabilen Spülungsgemisches sollten zur Bestimmung der Fließeigenschaften Viskosimetermessungen durchgeführt werden. Der Marshtrichter ist nur in sehr begrenztem Maße für eine Beurteilung der Fließeigenschaften geeignet.
Die Aufbereitung von selbsterhärtenden Bohrspülungen erfolgt unter Vorlage von Süßwasser in den standardmäßig bei HDD-Projekten eingesetzten Mischaggregaten. Werden Wässer eingesetzt, bei denen nicht sicher ist, ob diese frei von Salzfrachten sind (z. B. Flusswasser), so ist eine Voruntersuchung sinnvoll. Der Feststoffgehalt der selbsterhärtenden Bohrspülung beträgt i.d.R. ca. 160 kg/m3. Ein gutes Austragsvermögen wird schon bei vergleichsweise niedrigen Marshzeiten erreicht. Auf der Baustelle sollten selbsterhärtende Bohrspülungen durch Variation des Feststoffgehaltes auf eine Marshzeit von 40–50 Sekunden eingestellt werden.
Am einfachsten erfolgt die Einstellung der Marshzeit, indem zunachst ca. 150 kg/m3 Feststoff angemischt werden. Ist die Marshzeit bei diesem Feststoffgehalt niedriger als 40 Sekunden, wird solange Feststoff nachdosiert, bis eine Marshzeit . 40 Sekunden erreicht wird. Es ist zu beachten, dass nach jedem Dosierungsschritt zunachst eine ausreichend lange Mischzeit (. 2 Minuten) abgewartet wird, bevor die Bestimmung der Marshzeit erfolgt.
Bei Einsatz einer selbsterhärtenden Bohrspülung während des Aufweit-/ Einzugsschrittes findet in der Mischzone, die sich vor dem Aufweitkopf bildet, eine zunehmende Verdrängung der konventionellen Bohrspülung statt. Die Einzugsgeschwindigkeit und die Pumprate sind dabei so zu wählen, dass in den Bereichen, die der Aufweitkopf bereits passiert hat, mindestens 85% der Ringraumfüllung aus selbsterhärtender Bohrspülung besteht.
Nach Ablauf der Verarbeitungszeit von ca. 2 Tagen steift die selbsterhärtende Bohrspülung zunächst an und härtet dann langsam aus. Die Endfestigkeit des Materials entspricht der eines gut verdichteten Lehmbodens (ca. 0,3 N/ mm2). Da die Festigkeit der Ringraumfüllung in guter Näherung der Festigkeit des umgebenden anstehenden Bodens entspricht, wird eine optimale Bettung des eingezogenen Produktrohres erreicht.
Für Projekte, bei denen sehr hohe Festigkeiten und eine schnelle Festigkeitsentwicklung gefordert sind, stehen Spezialspülungen mit etwa 330 kg/m3 zur Verfügung. Diese Spülungen weisen jedoch vergleichsweise geringe Verarbeitungszeiten auf (ca. 8 Stunden).
Es ist zu beachten, dass der Erhärtungsverlauf durch im anstehenden Boden vorhandene organische Stoffe gestört werden kann. Da die selbsterhärtende Bohrspülung nach Ablauf der Verarbeitungszeit aushärtet, ist das Bohrgerät nach Abschluss der Bohrarbeiten zu reinigen.
Während des Bohrprozesses und nach Abschluss der Bohrarbeiten besteht ein direkter Kontakt zwischen dem Grundwasser und der im Bohrkanal befindlichen Bohrspülung. Daher ist es von wesentlicher Bedeutung, dass die verwendete Bohrspülung wasserhygienisch unbedenklich ist. Entsprechende Untersuchungen an selbsterhärtenden Bohrspülungen zeigten, dass von einem Einsatz derartiger Spülungen keine Gefährdung des Grundwassers ausgeht [4].
Literatur:
[1] Herrmann, G. (2006): persönliche Mitteilung.
[2] Stark, J.; Möser, B. & Eckart, A. (2001): Neue Ansätze zur Zementhydratation.- ZKG, 2:114-119.
[3] Märten, A. (2004): Dichtwand-Fertigmischungen – Eine „Black Box“ ?.- Mitt. Inst. f. Grundb. u. Bodenmech. Univ. Braunschweig, 74:355-361.
[4] Hygieneinstitut des Ruhrgebietes (2001): Beurteilung des Baustoffes Drill-mix (Grundwasser – Deponierbarkeit – Aufbringung auf landwirtschaftlichen Flächen.- Bericht C 2031/01/hs.
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