Variable Density Technologie: Game Changer für Kuala Lumpur

14.09.2015

Der mit Klüften und Spalten durchzogene Karstboden Kuala Lumpurs hat es für Tunnelbauer in sich. Herrenknecht, Weltmarktführer im Bereich maschineller Tunnelvortriebstechnik, hat für das Klang Valley MRT Project in der Hauptstadt Malaysias in Zusammenarbeit mit dem Joint Venture MMC-Gamuda einen neuen Maschinentyp entwickelt. Die Variable Density Tunnelbohrmaschine kann in vier verschiedenen Vortriebsmodi gefahren und so optimal den unterschiedlichen Bedingungen angepasst werden. Nach knapp zwei Jahren Vortrieb sind Mitte April 9,5 Kilometer Tunnel fertiggestellt, die neue Technik hat sich bewährt. Ein entscheidender Durchbruch für Kuala Lumpurs Metro und für den maschinellen Tunnelvortrieb in schwierigen Lockergestein.

Der sieben Millionen Einwohner zählende Großraum von Kuala Lumpur hat ein massives Verkehrsproblem. Zu Stoßzeiten stehen die Bürger und Besucher der malaysischen Hauptstadt stundenlang im Stau. Der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrssystems soll Abhilfe schaffen. Unter dem Namen Klang Valley Mass Rapid Transit (MRT) Project sind drei neue Metrolinien mit ober- und unterirdischen Abschnitten geplant.

Der Metro-Bau startet mit der 51 Kilometer langen Sungai Buloh-Kajang-Line. Sie verläuft vom Sungai Buloh im Norden bis nach Kajang im Süden von Kuala Lumpur. Während der Großteil der Strecke überirdisch liegt, wird das Stadtzentrum mit insgesamt 9,5 Kilometern Tunnelstrecke in Form zweier eingleisigen Röhren unterquert.

Eine besondere Herausforderung bei deren Bau stellt die sehr heterogene Geologie dar, allem voran eine verkarstete Kalksteinformation mit Kavernen, die durch ein Geflecht aus Spalten und Klüften miteinander verbunden sind. Für den Tunnelbau bildet sie in Kombination mit einem hohen Grundwasserstand einen höchst facettenreichen Untergrund. Das in heterogenen Böden angewandte flüssige Stützmedium vor der Maschine geht leicht durch die Risse verloren. In der Folge können Absenkungen entstehen.

Für den Bau der Strecke hat Herrenknecht in Schwanau mit Ingenieuren des MMC-Gamuda Joint Ventures daher einen neuen Maschinentyp entwickelt, die Variable Density Tunnelbohrmaschine (TBM). Es handelt sich um eine weiterentwickelte Multi-Mode-TBM, die die Vorzüge von erddruckgestützter (EPB) und flüssigkeitsgestützter (Mixschild) Betriebsart vereint. Um den Abgang oder das Austreten von Bentonit zu verhindern, kann die Dichte des Stützmediums erhöht werden. Die Maschine bietet so vier verschiedene Vortriebsmodi (Übersicht siehe Maschinendaten) - eine Weltneuheit im maschinellen Tunnelbau.

Herrenknecht lieferte für das Projekt insgesamt sechs Variable Density TBM und zwei EPB-TBM. Internationale Bekanntheit erreichte die Neuentwicklung mit der Auszeichnung zur technischen Innovation des Jahres bei den International Tunnelling and Underground Space Awards 2014 in London.

Eine Weltneuheit schafft Fakten

Am 21. April feierte der Bauherr Mass Rapid Transit Corporation Sdn Bhd (MRT Corp) die Fertigstellung der Tunnelbauarbeiten für die erste Linie. Star der Veranstaltung war die Herrenknecht Tunnelbohrmaschine S-774 (Ø 6,62 Meter). Die weltweit erste Variable Density TBM war im Mai 2013 in Anwesenheit des malaysischen Premier Ministers Datuk Seri Najib Tun Razak gestartet. Vor ihr lag eine ein Kilometer lange Strecke durch den extrem verkarsteten Kuala Lumpur Kalkstein.

Die Maschine fuhr im gewöhnlichen Flüssigkeitsmodus an, um nach 100 Metern in den neuen Modus mit dichterer Stützflüssigkeit zu schalten. In diesem meisterte sie mit Bravour den geplanten Tunnelabschnitt vom Startschacht Cochrane bis zur Station Pasar Rakyat. Die für den anschließenden Bohrabschnitt eingeplante Variable Density TBM konnte aufgrund von Schwierigkeiten im Schachtbau nicht eingesetzt werden. Stattdessen durchfuhr S-774 ihre eigentliche Zielstation und übernahm den nächsten Abschnitt.

Innerhalb der mit über drei Kilometern längsten Teilstrecke wechselte die Maschine aus dem Kalkstein in die Kenny Hill Formation. Ab hier bohrte sie sich im EPB-Modus durch die Bukit Bintang Station bis zum Pudu Schacht. Dort fuhr sie anstelle einer EPB-Maschine weiter, durchquerte die Station Merdeka und erreichte schließlich am 11. April die Pasar Seni Station.

Insgesamt fuhr die Maschine 4,4 Kilometer Tunnel durch stark wechselnde Geologien auf. Mit den vier verfügbaren Vortriebsmodi konnte sie dabei immer optimal den Bedingungen angepasst werden.

„Das ist wirklich ein Meilenstein für das MRT-Projekt, unsere Ingenieure haben die Tunnelbauarbeiten erfolgreich und reibungslos ausgeführt. Gleichzeitig bewies sich der Einsatz einer neuen Technologie – der Variable Density Tunnelbohrmaschine“ sagte MRT Corp Chief Executive Officer Dato´ Sri Shahril Mokhtar.

Universelle Lösung für Lockergestein-Vortriebe aller Art

Es gibt drei Baugründe in Kuala Lumpur, harte Granitfelsen, eine weichere gemischte Geologie, die man als Kenny Hill Formation bezeichnet, und Kalksteinzonen. Durch die letzten beiden verläuft die neue U-Bahnlinie.

Umfassende Erfahrungen mit dem Baugrund hatten die Geschäftspartner Herrenknecht und MMC Gamuda KVMRT aus der Zusammenarbeit für den SMART-Tunnel. Die Kombination aus Sturmwasser- und Straßentunnel war von 2004 bis 2007 mit zwei großen Herrenknecht-Mixschilden aufgefahren worden. Der Vortrieb war sehr erfolgreich, doch die Geologie zeigte ihre Tücken. Die SMART-Tunnelstrecke lag zu 90 % im verkarsteten Kuala Lumpur Kalkstein mit hohem Grundwasserstand. Durch Klüfte und Spalten kam es teilweise zu Suspensionsaustritten an der Oberfläche und zu Verlusten in den Boden.

Was beim damaligen Streckenverlauf in Kauf genommen werden konnte, galt es diesmal in der dicht bebauten Innenstadt zu vermeiden. Als Lösung entstand die Idee einer dichteren Stützsuspension, mit deren geringerer Eindringtiefe und Steighöhe sich im Vergleich zu den bisherigen Suspensionen unkontrollierte Verluste vermeiden lassen.

Gemeinsam mit dem bauausführende Joint Venture MMC Gamuda KVMRT entwickelte Herrenknecht für das Projekt einen Game-Changer für Lockergestein. Die neue Variable Density TBM kann je nach Baugrundsituation in flüssigkeitsgestützter (Mixschild-Verfahren) oder erddruckgestützter (EPB) Betriebsart gefahren werden. Der Wechsel von der einen in die andere Betriebsart erfolgt unter voller Beibehaltung einer sicheren Stützkontrolle fließend, große Umbauarbeiten sind beim Wechsel nicht erforderlich.

In allen Modi wird der Abraum aus der unter Druck stehenden Abbaukammer über einen Schneckenförderer entnommen. Im EPB-Modus regeln die Schneckendrehzahl und die Vorschubgeschwindigkeit den Stützdruck. Der Abraum wird von der Schnecke auf ein Förderband geworfen. Im Flüssigkeitsmodus reguliert ein automatisch geregeltes Druckluftpolster den Stützdruck. Kommunizierende Röhren verbinden den vorderen Teil der Abbaukammer, die Druckkammer, mit dem hinteren Teil, der Arbeitskammer. Für den hydraulischen Förderkreislauf wird eine Slurryfier-Box ans Ende der Schnecke eingesetzt.

Zusätzlich ist im Flüssigkeitsmodus die Variation der Dichte des Stützmediums in der Abbaukammer möglich. Die Herrenknecht AG hat in Zusammenarbeit mit der Ruhr-Universität Bochum eine mit Kalksteinmehl angedickte Mischung entwickelt. Die Wahl zwischen dem flüssigeren LDSM (Low Density Support Medium) und dem dichteren HDSM (High Density Support Medium) erweitert den Einsatzbereich der Variable-Density maßgeblich. Der High Density Modus bietet einen Lückenschluss zwischen Mixschild- und Erddruckbetrieb.

“Auf Basis der Erfahrungen von KVMRT und mit der Expertise von Herrenknecht haben wir mit der neuen Variable Density Technologie eine Tür aufgestoßen, um auch in noch schwierigere Geologien vordringen zu können. Das Variable Density TBM Konzept ist nicht nur im extremen Karst, sondern auch in anderen Böden einsetzbar, in denen bis vor wenigen Jahren nicht an maschinellen Vortrieb zu denken war“ ist sich Dr. Ing. E. h. Martin Herrenknecht, Unternehmensgründer und Vorstandsvorsitzender der Herrenknecht AG, sicher.

Klang Valley Mass Rapid Transit (MRT) Project

Mit dem Durchbruch der Herrenknecht Tunnelbohrmaschine S-774 sind die Tunnelbohrarbeiten beendet und ein entscheidender Meilenstein für das Projekt gesetzt. Gleichzeitig bewährte sich eine Weltneuheit im maschinellen Tunnelvortrieb.

Insgesamt hat die Herrenknecht AG für das KVMRT Projekt sechs Variable Density und zwei EPB Maschinen geliefert. Herrenknecht Formwork lieferte 160 Schalungen für die Herstellung von insgesamt 100.000 Tübbingen. Aus dem Herrenknecht-Konzernverbund kommen Maschinenbänder (H+E), Navigationssysteme (VMT) sowie Multi Service Vehicles (TechniMetal) zum Einsatz.

Die „Blaue Linie“ Sungai Buloh-Kajang ist die erste von insgesamt drei geplanten Linien des Klang Valley Mass Rapid Transit (KVMRT) Projektes in Kuala Lumpur. Sie verbindet auf 51 Kilometern 31 Stationen. Im Februar 2015 beschloss die Regierung den Bau der zweiten Linie MRT Sungai Buloh-Serdang-Putrajaya. Im Juli wurde das Joint Venture MMC-Gamuda KVMRT mit der Projektausführung beauftragt. Die Variable Density Technologie hat sich bestens empfohlen und wird wieder zum Einsatz kommen.

Maschinendaten
Maschinentyp: 6 x Variable Density Multi-Mode (VDMM) TBM

  • Durchmesser: 6.620 mm
  • Antriebsleistung: 1.280 kW
  • Drehmoment: 4.239 kNm
  • 4 Vortriebsmodi:
    Modus 1: EPB geschlossen
    Modus 2: EPB geschlossen mit zusätzlicher Bentonitstützung
    Modus 3: Mixschild Modus mit LDSM (Low Density Support Medium)
    Modus 4: Mixschild Modus mit HDSM (High Density Support Medium)

Maschinentyp: 2 x Erddruckschild (EPB)

  • Durchmesser: 6.620 mm
  • Antriebsleistung: 1.280 kW
  • Drehmoment: 4.239 kNm

Projektdaten
  • Anwendung: Metro
  • Tunnellänge: 9.500 m
  • Geologie: Kenny Hill Formation & Kuala Lumpur verkarsteter Kalkstein
  • Bauherr: Mass Rapid Transit Corporation Sdn Bhd (MRT Corp)
  • Kunde: MMC Gamuda KVMRT Sdn Bhd

 

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