Verstärkung von Schlauchlinern mit Hilfe aufgeklebter GfK-Platten
18.08.2006
Bei der Ausführung von Kanalsanierungsmaßnahmen zum Beispiel mit Hilfe des Schlauchverfahrens kommt es gelegentlich zu Unstimmigkeiten zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer hinsichtlich der Qualität des Endproduktes. Streitpunkte sind insbesondere die Unterschreitung der zugesicherten Materialkennwerte sowie der Linerwanddicke. Da es sich um vor Ort im bestehenden Kanal hergestellte Liner handelt, werden die wesentlichen Kennwerte E-Modul, Materialfestigkeit, Wanddicke und Dichtheit im Rahmen der Qualitätssicherung anhand von Baustellenproben überprüft. An Praxisbeispielen wird in diesem Beitrag aufgezeigt, wie mit Abweichungen zwischen Soll- und Istkennwerten umgegangen werden kann. Ferner wird dargestellt, wie gegebenenfalls eine Nachbesserung, die zu einem einwandfreien Endprodukt führt, erfolgen kann, aber auch Grenzen einer solchen Nachbesserung werden aufgezeigt.
Im konkreten Fall erfolgte im Rahmen der Sanierungsplanung die statische Vordimensionierung eines Schlauchliners 600/1100 (überhöhtes Eiprofil) alternativ als Nadelfilzund GfK-Schlauchliner. Es wurden für die beiden Materialien typische Werkstoffkennwerte vorausgesetzt. Durch die vom planenden Ingenieurbüro definierten Anforderungen ergaben sich die erforderlichen Mindestwanddicken für die beiden Varianten, deren Einhaltung daraufhin im LV gefordert wurde.
Zwischen Bauherr, Planer, Baufirma und Fremdüberwacher wurde ferner die Möglichkeit einer Minderung wie auch einer Gewährleistungsverlängerung in Verbindung mit einer kontinuierlichen Überwachung der Linerdeformationen diskutiert. Eine Preisminderung ist im Zusammenhang mit nicht zufriedenstellend ausgeführten Kanalsanierungsmaßnahmen ein häufig eingeschlagener Lösungsweg. Einige Gesichtspunkte sollten jedoch auf Auftraggeberseite bedacht werden: Eine Minderung ist nur dann möglich, wenn aufgrund der zu geringen Standsicherheit keine Gefährdung für Menschen ausgeht. Dies ist, anders als zum Beispiel im Hochbau, bei den meisten Kanalsanierungen der Fall. Die Sanierung von Großprofilen ist hiervon jedoch ausgenommen, da sie zum einen begehbar sind, zum anderen durch einen Zusammenbruch erhebliche Setzungen im Bereich der Verkehrswege eintreten können.
Im vorliegenden Fall erfolgte auf Anregung der Baufirma die Nachbesserung des Liners mit Hilfe von im Kämpferbereich aufgeklebten GfK-Platten [3]. Bild 1 zeigt den Bereich einer Probeentnahme im Zusammenhang mit einer ersten Probeverklebung, die zur Beurteilung der Eignung des Verfahrens dienen sollte.
Der Unterschied in den beiden Spannungsverläufen der Bildern 4b und 4c zeigt, dass die oben aufgeführten Gleichungen 1 und 2, die auch in [4, 5] dokumentiert sind, nicht zur Auswertung eines Drei-Punkt-Biegeversuches an einer Verbundprobe geeignet sind. Im konkreten Fall ergab die statische Berechnung des Gesamtsystems, bestehend aus Liner und aufgeklebten GfK Platten, unter Berücksichtigung der Verbundwirkung sowie der unterschiedlichen Materialkennwerte von Liner, Kleber und GfK sowie ferner unter Voraussetzung einer einwandfrei ausgeführten Verklebung eine ausreichende Standsicherheit des Gesamtsystems. Während der folgenden Sanierung wurden im Rahmen der Bauüberwachung Materialproben entnommen (s. Bild 3), um die Ausführung der Verklebung zu überprüfen. Es ergaben sich keine Beanstandungen.
Ein vorhandener Kanal DN 1000 (Altrohrzustand II gem. ATV M127 Teil 2) wurde mit Hilfe eines Nadelfilz-Schlauchliners saniert. Nach Ausführung der Sanierung zeigte sich, dass der Liner in einem Teilbereich (Kämpferbereich) eine fehlerhafte Stelle mit einer Breite von ca. 10 cm und einer Länge von ca. 10 m aufwies, die offensichtlich nicht ausreichend mit Harz getränkt war. Die an Baustellenproben durchgeführten Materialuntersuchungen ergaben für den Bereich der Fehlstelle einen Kurzzeit-E-Modul von 1500 N/mm2 und eine Kurzzeitfestigkeit von 28,5 N/mm2. Wegen der erheblichen Unterschreitung der in Eignungsversuchen ermittelten Referenzwerte konnte somit der betreffende Bereich nicht als statisch tragend berücksichtigt werden.
Geplant war die Sanierung mit Hilfe von auf den Liner aufgeklebten und zusätzlich in der Altrohrwandung verdübelten GfK-Platten (Bild 5). Die statische Auslegung der Platten erfolgte analog zu der ursprünglichen Linerberechnung für die Einwirkung eines Grundwasserstandes von 1,5 m über Sohle. Dabei wurde die Verklebung auf der sicheren Seite liegend nicht berücksichtigt. In Kanallängsrichtung wurde ein Dübelabstand von 33 cm, in Umfangsrichtung ein Abstand von 15 cm angesetzt (s. Bild 5). Die GfK-Platten weisen gemäß Herstellerangaben eine Dicke von 5,0 mm, einen Langzeit-E-Modul von 4880 N/mm2 und eine Langzeit-Biegefestigkeit von 60 N/mm2 auf. Aus statischer Sicht ergeben sich drei wesentliche Fragestellungen: Welche Auswirkungen haben die lokalen Verankerungen auf die in Schlauchliner und GfK-Platte auftretenden Spannungen? Ist die Beulstabilität des Gesamtsystems gewährleistet? Welche Kräfte müssen von den Dübeln aufgenommen und in die Betonrohre abgetragen werden?
Eine Zugkraft F Z ergibt sich im vorliegenden Fall nicht, da die Fehlstelle im Kämpferbereich liegt und hier infolge von Wasseraußendruck keine Ablösung des Liners vom Altrohr auftritt. Es wird jedoch empfohlen, zumindest die Wasserdruckbelastung, die zwischen den Verankerungen auf die GfK-Platte einwirkt, abzudecken (s. Gl. 4). Falls eine derartige Sanierung im Sohlbereich erfolgt ergeben sich andere Verhältnisse, da sich der Liner hier wegen des Auftriebs ablösen will (s. Bild 6a), und sich somit zwangsläufig Zugkräfte F Z in den Ankern ergeben.
Ein abschließendes Beispiel soll die Grenzen von Nachbesserungsmöglichkeiten aufzeigen. In eine Freispiegelleitung DN 300 wurde ein Nadelfilzschlauchliner eingebaut. Die an Baustellenproben durchgeführten Materialuntersuchungen ergaben, dass die gemessene Linerwanddicke sowie die gemessene Kurzzeitfestigkeit deutlich über den geforderten Kennwerten lagen. Der gemessene Kurzzeit- E-Modul hingegen lag nur bei 70 % des Sollkennwertes. Bei solchen Fällen besteht unter Umständen die Möglichkeit einer statischen Nachberechnung unter Ansatz der tatsächlich gemessenen Materialkennwerte sowie gegebenenfalls einer Nachbesserung (s. o.).
Der hier durchgeführte Drei-Punkt-Biegeversuch kann auch für identisches Material Kriechkurven liefern, die von den Scheiteldruckversuchen der Eignungsprüfung abweichen. Der im vorliegenden Fall im Drei- Punkt-Biegeversuch ermittelte 24-Stunden- Kriechfaktor von 55,6 % liegt jedoch ganz erheblich über dem akzeptablen Bereich von ca. 10 bis 15 %. Der Liner ist nicht ausreichend ausgehärtet, der in der Eignungsprüfung ermittelte Abminderungsfaktor von 2,0 kann daher nicht für die statische Berechnung angesetzt werden. Es kann keine Resttragfähigkeit des Liners angesetzt werden. Somit schieden Nachbesserungsmöglichkeiten aus und es wurde der Einbau eines zweiten Liners, ausgelegt für die volle Wasserdruckbelastung (Altrohrzustand II) ausgeführt.
Es wurden Möglichkeiten aufgezeigt wie sowohl von Seiten des Auftraggebers als auch des Auftragnehmers bei einer Unterschreitung statisch erforderlicher Linerkennwerte reagiert werden kann. Gerade bei begehbaren Profilen ist die Verstärkung des Liners durch die Anordnung zusätzlicher GfK-Platten als geeignetes Mittel zur Erzielung eines einwandfreien Endproduktes anzusehen. Dies betrifft insbesondere solche Fälle, bei denen die Mängel nur in Teilbereichen (sowohl in Längs- als auch gegebenenfalls in Umfangsrichtung) auftreten. Es wurde dargestellt, was bei der Verwendung derartiger Verbundsysteme (hier aufgeklebte GfK-Platten) wie auch bei der Abtragung lokaler Lasten (Verdübelung im Altkanal) aus statischer Sicht zu beachten ist.
[1] ATV-Merkblatt M 127 Teil 2 „Statische Berechnung leitungen mit Lining- und Montageverfahren“ (2000-01)
[2] Doll, H.: Reaktionsmöglichkeiten des Auftraggebers bei Nichterfüllung der ausgeschriebenen Kennwerte. Nürnberger Kolloquien zur Kanalsanierung 2004
[3] Doll, H.: Gutachterliche Stellungnahme Nr. BGT 030183; Statische Berechnungen zur Sanierung eines Schlauchliners 600/1100 mit Hilfe aufgeklebter GfK-Platten
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