Vorteilhafte Baufeld- und Baugrubenentwässerung mit der Horizontalbohrtechnik
11.08.2006
Die Anfänge der Horizontalbohrtechnik (HDD) in Europa waren 1986, das Verfahren ist somit 20 Jahre alt und die Technologie wurde zwischenzeitlich permanent und in großen Schritten verbessert. Unter den Bauverfahren zählt sie zu den innovativsten überhaupt. Sie ist im grabenlosen Leitungsbau, im Dükerbau, im Umweltbau und teilweise in der Leitungserneuerung und im grabenlosen Leitungsaustausch gut vertreten. Im Ausland ist die HDD-Technologie zudem im Horizontalbrunnenbau, in Drainagen und Tiefdrainagen, in Bewässerungen und in Injektionen im Einsatz. Dies ist unter anderem der Grund, das Thema Baufeld- und Baugrubenentwässerung mit der verlaufsgesteuerten Horizontalbohrtechnik (HDD) hier näher vorzustellen.
Für große Baumaßnahmen wie für Neuerschließungen, zum Beispiel von Stadtquartieren, Umwidmungsgebieten, Straßen, Tunnelanschlagsvorplätzen, sind oft Baufeldentwässerungen notwendig, die zum einen daraus resultieren, dass heute tiefer gebaut und tiefer gegründet wird und zum anderen, dass bei hohen Grundwasserständen oder stark schwankenden Grundwasserständen großflächige Absenkungen durchgeführt werden müssen. Der konventionelle Weg von Baufeldentwässerungen besteht in langen Reihen von vertikalen Brunnen mit bogenförmigen Abförderleitungen, die in parallele Entwässerungsleitungen einmünden. Das ganze Baufeld ist oft mit solchen Brunnenreihen übersät und Kollisionen mit Erschließungsfahrwegen und anderen Erschließungsvorbereitungen bleiben nicht aus.
Auch kleinere Felder und Bereiche von tiefen Einzelbaugruben benötigen oft zumindest vorübergehende Grundwasserabsenkungen, bis die Baugrube durch Umschließungen (überschnittene Pfahlwände) und Sohldichtungen gegen Grundwasser geschützt ist. Üblich sind bislang in Linien bzw. in Verteilungsraster gesetzte vertikale Brunnenlanzen, oft mit Hunderten von Brunnenköpfen im Bauaushubbereich, die so lange bestehen bleiben, bis die Baugrubenumschließungen und die dazwischen liegenden Bohrungen für Weichgel oder harte Injektionsmassen in Form tellerförmiger Überlappungen für die Sohldichtung gebaut wurden. Der enge Hantierungsraum zwischen Brunnenköpfen und Injektionsbohrungen führt auch hier häufig zu Brunnenkopfverletzungen oder manchmal zu Zerstörungen. Das enge Hantieren ist zeit- und arbeitsaufwändig, zudem erfordert es einen großen zeitlichen Vorlauf, bevor mit dem Baugrubenaushub und dem eigentlichen Bauwerk begonnen werden kann.
Im HDD-Verfahren sind lange verlaufsgesteuerte horizontale Bohrungen möglich. Der Bohrungsansatz kann vor dem Baufeld bzw. der geplanten Baugrube liegen. Das Auftauchen der Bohrung ist auf der anderen Seite des Baufeldes bzw. der Baugrube vorteilhaft. Ganze Brunnenreihen, die von 20 bis 30 Vertikalbrunnen aufgebaut sind, können so durch eine einzige HDD-Brunnenbohrung mit gleicher Leistung ersetzt werden. Pro vertikaler Brunnenreihe ist somit ein unterirdischer HDD-Brunnen mit zwei Förderzugängen (an den Ein- und Ausstiegslöchern) mit gleicher Förderleistung möglich, ohne dass irgendwelche Brunnenköpfe im Baufeld oder in der Baugrube benötigt werden. Der künftige Bauaushubbereich ist somit völlig frei von aufsitzenden Brunnenköpfen und Abförderleitungen und steht der eigentlichen Aushubmaßnahme hinderungsfrei zur Verfügung.
Nicht jedes Rohrmaterial kann aus physikalisch-technischen Gründen für den Drainagerohreinsatz verwendet werden. Drainagerohre sollten einfach und kostengünstig sein und ihr Einbau ins Erdreich wird i.d.R. aus Kostengründen auch ohne Schutzrohrtechnik gewünscht. Für den Direkteinzug müssen Drainagerohre gewisse Zuglasten aufnehmen können, dies geht nicht für sehr dünnwandige Rohre (Typ Felddrainage) und für quergeschlitzte Rohre (orthogonal zur Längsachse des Rohres). Gelochte Rohre und längsgeschlitzte PE- oder PP-Rohre mit üblichen Mindestwandstärken sind jederzeit einziehbar.
Brunnenfilterrohre sind nahezu immer anspruchsvoller gebaut, ihre Verlegung im geschlossenen Schutzrohr oder im Gitterrohr ist ratsam. Bei flachen HDD-Biegeradien für die Anfahrstrecken zum Brunnenbetriebsniveau können nahezu alle Brunnenfilterarten ins Erdreich verlegt werden. Stehen nur kurze Anfahrstrecken mit starkem Krümmungsradius zur Verfügung, so sind flexible Filtermaterialien auszuwählen, z.B. PE-Granulat-Filter, Gittergewebefilter und z.B. gewisse Lochfiltertypen. Bei Einbringen sehr starrer Filter sind die Filterstrangbereiche in Einzelsegmente zu untergliedern, die mit flexiblen kurzen Rohrsegmenten untereinander verbunden werden.
Mit wenigen HDD-Brunnen lassen sich große Areale entwässern, der Grundwasserspiegel kann hierdurch quasi flächenhaft und mit glätterer Struktur heruntergezogen werden. Daraus ergibt sich ein enormer Vorteil: Es besteht Baufreiheit an der Erschließungsoberfläche, da alle Brunnenzugänge außerhalb bzw. unterhalb der künftigen Aushubbereiche liegen. Dadurch ist eine räumliche Entzerrung und ein zeitlicher Parallelbetrieb möglich. Hieraus ergibt sich eine Aufwandsreduktion, eine Ablaufvereinfachung, ein erheblicher Zeitgewinn, eine bessere Grundwasseroberflächenstruktur und eine enorme Kosteneinsparung.
Hangentwässerungen sind bei Erschließungen in geneigter Geländelage oder zum Beispiel im Auffahrungsfeld von Tunneln oft erforderlich. Die Vermeidung von andrückendem Bergwasser durch Herunterziehen des Bergwasserspiegels ist hier das Ziel, um von vorne herein eine Trockenhaltung von Baugruben, Ausschachtungen und Vortrieben zu bewirken. Im trockenen Baugrund zu arbeiten bedeutet häufig auch einen Stabilitätsgewinn, ein weniger aufwändigeres Arbeiten, mehr Baufreiheit, den Schutz vor saisonalen Grundwasserereignissen und unkontrollierten Einbrüchen. Durch HDD-Bohrungen können Drainagen gelegt werden, die unter Anbindung an Bauwerksdrainagen zu Dauerentwässerungssystemen umgewandelt werden können.
Grundwasserabsenkungen permanenter Art, z.B. in Bergschadensgebieten mit flächigen Geländeabsenkungen und dadurch zu hoch anstehendem Grundwasser, oder Grundwasserabsenkungen vorübergehender Art, z.B. für die Errichtung tiefer Baugruben oder großer Abwasser-Leitungsgräben, offener Tunnelstrecken oder für Tagebaumaßnahmen, werden derzeit noch überwiegend durch eine Vielzahl von kürzeren, vertikalen Förderbrunnen vorgenommen. Diese sehr aufwendige Bauweise kann in vielen Fällen ebenfalls durch horizontalbohrtechnisch verlegte Filterbrunnen ersetzt werden.
Horizontale Filterbrunnen sind technisch eleganter, weniger zeitaufwendig und in der Regel Kosten sparender herzustellen. Die Förderleistung der Brunnen kann mehrheitlich sehr ergiebig gestaltet werden und dank der größeren, ellipsoidförmigen Absenkungstrichter sind Oberflächeneffekte jeglicher Art in Brunnennähe geringer. Auch für den Dauerbetrieb sind Horizontalbrunnen schonender für die Zustromumgebung, ausgeglichener in der Förderbewirtschaftung und Kosten sparender für den Pumpbetrieb zu betreiben.
Durch die Folgen des Bergbaues bzw. auch durch die Stilllegungen in den Kohlerevieren kam es oftmals zu einen Anstieg des Grundwasserspiegels, so dass speziell in bebauten Gebieten, Friedhöfen, Schutzgebieten jeglicher Art, im Umfeld von Tagebauen und Restseen grundwasserregulierende Maßnahmen erforderlich sind. Solche Maßnahmen der Grundwasserabsenkung bzw. in anderen Bereichen der Grundwasserhebung wurden bislang fast nur mit einer hohen Anzahl an Vertikalbohrungen durchgeführt. Um die Bohrungsanzahl zu verringern und um mehr hydraulische Effizienz zu haben, gibt es hier mittlerweile einen deutlichen Trend zu Horizontalbohrungen, in die Filterstränge eingebaut werden. Die Auswahl und der Einzug solcher Filterstränge erfordert, auch um bestehende Patente nicht zu verletzen, ein erhebliches hydrogeologisches und bohrtechnisches Know-how. Solche bohrtechnischen Wasserbaumaßnahmen finden auch Anwendung bei Deichentwässerungen, Rutschhang-Entwässerungen, Hausdrainagen, sowie z.B. für hydraulische Altlastensanierungen.
Ähnlich wie im Bereich der flächenhaften Entwässerung von Baufeldern ist die Grundwasserabsenkung für Baugruben zu sehen. Sicher, die Areale sind kleiner, oft umgeben von anderen Bebauungen und der Raum für die Niederbringung von Horizontalbrunnen ist wesentlich beengter. Die meisten Baugruben sind rechteckig, viele sogar länglich, was den Einsatz der Horizontalbohrtechnik begünstigt. Viele Baugruben grenzen an benachbarten öffentlichen Straßen- und Parkräume. Mit Genehmigung sind aus diesen Bereichen HDD-Bohrungen ansetzbar, randliche, nicht störende Bereiche lassen sich immer finden. Sollte zur geplanten Baugrube nur eine Zugänglichkeit von zwei oder gar nur einer Seite bestehen, so sind bogenförmige Bohrungsverläufe, ggf. in Halbkreis- oder Schlaufenform wählbar. Bei Nutzung von flexiblem, perforiertem Rohrmaterial, zum Beispiel aus Polyethylen (PE) oder Polypropylen (PP) sind solche Geometrien mit minimal 30 m Radius erzeugbar. Die Anfahrstrecken zum Förderniveau können ggf. noch etwas enger (minimal 25 m Radius) gestaltet werden. Die vollständige Verlaufssteuerbarkeit der HDD-Bohrtechnologie und die Realisierungsmöglichkeit dreidimensionaler diverser Raumkurven ermöglicht zumeist auch Brunnenplatzierungen unter begrenzten Verhältnissen. Sind HDD-Anlagen vor Ort, so bietet sich der Vorteil, gleich sämtliche Hausanschlüsse für das künftige Gebäude ebenfalls grabenlos zu realisieren. Auch an HDD-Bohrungen für injektionstechnische Sohldichtungen bzw. an seitliche Abdichtungen kann zur logistischen Vereinfachung hierbei gedacht werden.
Baugruben im Grundwasserbereich benötigen nicht nur vertikale Umschließungen, sondern auch eine wirkungsvolle Sohldichtung. Dies geschieht heute in der Regel über viele vertikal niedergebrachte, tellerförmig in einem definierten Niveau erzeugte und überschnittene Injektionskörper. In Summe erzeugen diese Injektionskörper auf Weichgelbasis oder auf Basis fester Bindemittel eine geschlossene horizontale Sperrschicht. Solche Sperrschichten lassen sich mit gleicher Wirkungsweise auch durch parallele, horizontale und geometrisch überschnittene Injektionsbahnen erzeugen. Dieses Verfahren ist nicht nur technisch eleganter und bei länglichen Baugruben auch wirtschaftlicher, sondern auch für die Gesamtbaumaßnahme zeitsparender. Letzterer Vorteil ergibt sich wiederum durch die Baufreiheit im oberen Bereich der Baugrube.
Die HDD-Bohrtechnologie bietet nicht nur einen deutlichen Zeit- und Kostenvorteil für die Anwender, sondern sorgt vor allem für die Möglichkeit, durch Baufreiheit an der Oberfläche, schon mit Ausschachtungs- und Tiefbauarbeiten beginnen zu können. Dies erbringt einen enormen Zeitgewinn mit erheblichen Bauablaufvorteilen. Die Zugänglichkeit der HDD-Absenkbrunnen und –Drainagen von zwei Seiten ergibt zudem die Möglichkeit der Verstärkung der Pumpleistung, aber auch der Regulierung und Moderierung der Förderleistung. In manchen Anwendungsfällen besteht sogar die Möglichkeit, die Baufeld- bzw. Baugrubenentwässerung in eine Basisdrainage bzw. Grundentwässerung umzuwidmen. Es lohnt sich sehr, die Möglichkeiten der HDD-Technologie näher kennen zu lernen.
- BAYER, H.-J. (2005): HDD-Praxis Handbuch (Vulkan-Verlag), 196 S., Essen.
- BAYER, H.-J. (2006): Brunnenbau im HDD-Verfahren, bbr 05/2006, im Druck, Bonn.
- DCA (Verband Güteschutz Horizontalbohrungen) (2000): Horizontal Directional Drilling – technische Richtlinien des DCA, 2. Aufl., 65 S., Aachen.
- NAUJOKS, G. (2002): Breite Leistungspalette in der gesteuerten Horizontalbohrtechnik, 3R Int. Heft 1, S. 32-34, Essen.
- STEIN, D. (2003): Grabenloser Leitungsbau (Ernst&Sohn), 1144 S., Berlin.
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