6. Göttinger Abwassertage 2006. Abwasser füllte zweimal das Rathaus

27.04.2006

Zum nunmehr sechsten Male fanden Ende Februar 2006 und Anfang März die Göttinger Abwassertage statt. Dort wurde nicht nur eine Bilanz der bisherigen Kanalsanierungs-Strategie der Stadt Göttingen gezogen. Auch in diesem Jahr kamen im Ratssaal des Göttinger Neuen Rathauses etliche externe Referenten und Perspektiven zum Tragen. Dieses Konzept überzeugt offensichtlich: Die beiden Termine waren mit jeweils 180 Teilnehmern schon lange vor der Veranstaltung bis auf den letzten Platz ausgebucht.

Kritische Diskussionen zur Qualität der Kanalsanierung, die derzeit viele Fachveranstaltungen prägen,  sind auch an Göttingen nicht vorüber gegangen. Die Göttinger Stadtentwässerung hat in dieser Frage leider ihre eigenen einschlägigen Erfahrungen machen müssen, wie Dipl.-Ing. Manfred Fiedler in seinem Bilanz-Vortrag über 16 Jahre Kanalsanierung in Göttingen betonte. Bereits 1995 waren partielle Reparaturen als Sanierungsstrategie weitestgehend eingestellt worden - das Sanierungsgeschehen hatte sich zum Fass ohne Boden entwickelt, weil die Schäden sich regelmäßig neben den punktsanierten Stellen weiter entwickelten.

Man konzentrierte sich seitdem auf Erneuerung bzw. auf grabenlose Sanierungsverfahren wie Schlauchlining und in jüngerer Zeit Close-Fit-Lining. Die Schlauchliner sind nun ihrerseits in den Fokus kritischer Betrachtungen geraten. Zwei Aspekte findet man in Göttingen aufgrund der Erfahrungen mit 46 Kilometern Schlauchliner-Installation besonders bedenklich: Zum einen, dass allzu häufig nicht einmal die vom Anbieter selbst vorgegeben technischen Parameter eingehalten werden; zum anderen, dass auch das Wissen keine Abhilfe schafft, dass man in Göttingen den ausführenden Unternehmen bekanntermaßen scharf auf die Finger schaut.

Die schlechten Erfahrungen vor allem mit der Dichtheit von Nadelfilz-Schlauchlinern haben dazu geführt, dass diese Materialvariante im Zuge einer "Denkpause" in Göttingen vorerst gar nicht mehr zum Einsatz kommt. Manfred Fiedler sieht sich darin in übrigen durch die jüngeren Erkenntnisse des IKT Instituts für Unterirdische Infrastruktur, Gelsenkirchen, zum Thema Schlauchliner-Qualität voll bestätigt.

Deutlich positiver werter er den Einsatz des Werkstoffs PE sowohl in der offenen Erneuerung als auch in Zuge von Liner-Einsätzen. Die Zahl der Gewährleistungsfälle beim Umgang mit diesem Werkstoff liege hier bei 0-2 pro Jahr, so Fiedler.

Aufschlussreich waren auch die Personalbedarfs-Kalkulationen der Göttinger Stadtentwässerung. Um das 1300 Kilometer lange Kanalnetz  binnen 25 Jahren auf Vordermann zu bringen, werden über den gesamten Zeitraum jährlich 26 Ingenieure benötigt: 2 Kilometer Jahresleistung für einen Ingenieur ohne und 1 Kilometer mit Berücksichtigung der Hausanschlüsse.

Um im gleichen Zeitraum auch die 21.000 Göttinger Grundstücksentwässerungen einzubeziehen, sind noch einmal 14 Ingenieure notwendig: Ein Ingenieur schafft also 1,3 Grundstücke pro Tag – ein wichtiges Datum nicht zuletzt für all jene Ingenieure, die durch die Arbeit auf privaten Grundstücken ihren Lebensunterhalt bestreiten wollen.

Dass man in Göttingen in vielem einen Schritt weiter denkt, zeigt die Tatsache, dass man hier auf steigende Grundwasserpegel als Sanierungsfolge bereits reagiert hat: In einigen Bereichen gibt es neben der klassischen Trennkanalisation bereits als dritten Rohrstrang eine Drain-Kanalisation, die Grundwasser abfängt und in die Vorflut einleitet.

Und dass Göttingen durchaus "auch anderswo sein kann", selbst in Gemeinden deutlich kleineren Zuschnitts, zeigt das auf den 6. Göttinger Abwassertagen präsentierte erfolgreiche Beispiel der Gemeinde Schwanau in Baden.

Dort wurden zur Umsetzung eines Fremdwasser-Bekämpfungsprogramms und im Rahmen eines Fördervorhabens des Landes Baden-Württemberg 87 Liegenschaften des Ortsteils Allmannsweier TV-inspiziert und auf Dichtheit geprüft, einschließlich der Betreuung durch ein qualifiziertes Ingenieurbüro, die auch die Ausarbeitung eines Sanierungsprogramms für das jeweilige Grundstück beinhaltete. Wie auch in Göttingen basierte der Erfolg in Schwanau auf einer kooperativen und koordinierten Vorgehensweise, flankiert von intensiver Öffentlichkeitsarbeit.

Ein wichtiger, der Kooperation förderlicher  Aspekt war auch die gemeindliche Kostenübernahme für die Untersuchungs-, Bestands- und Zustandsdokumentation sowie für die Sanierungsberatung durch ein Ingenieurbüro.  Nun hofft man, nach dem erprobten Muster binnen mehrere Jahre alle rund 1750 Schwanauer Grundstücke inspizieren und sanieren zu können – parallel zur vollständigen Sanierung des öffentlichen Netzes.

Weitere Highlights der Göttinger Abwassertage 2006 waren die Erfahrungen der Stadtentwässerung mit dem Einsatz von Flüssigboden-Systemen bei der Bettung neuverlegter Rohre und die Darstellung des in massivem Ausbau befindlichen Grundwasser-Monitoring-Systems in Göttingen.

Bis September 2006 werden an insgesamt 209 Messpunkten im Stadtgebiet regelmäßig Grundwasserstände gemessen und der Stadtentwässerung geliefert, die damit über ein sehr wertvolle zusätzliche Datenbasis für Planungsaufgaben rund ums Kanalnetz verfügt.

Die überaus positive Resonanz auf die 6. Göttinger Abwassertage, die sich auch in einer durchweg guten "Benotung" der Themen und Referenten dokumentierte, lässt die Stadtentwässerung Göttingen und die Technische Akademie Hannover als Veranstalter bereits heute hoffen, das auch die 7. Göttinger Abwassertage 2007 auf eine ähnlich gute Publikumsnachfrage stoßen werden.

Kontakt:
Stadtentwässerung Göttingen
Herrn Dipl.-Ing. Manfred Fiedler
Hiroshima-Platz 4
37083 Göttingen
Tel.: +49 (0) 0551 400 2930
Fax: +49 (0) 551 400 2843
E-Mail: stadtentwaesserung@goettingen.de

Technische Akademie Hannover
Herrn Dr. Igor Borovsky
Wöhlerstraße 42
30163 Hannover
Tel.: +49 (0) 0511 394 3330
Fax: +49 (0) 511 394 33-40
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