Arbeitshilfe zur optischen Abnahmeprüfung neu erschienen
21.10.2014
Technische Information der Gütegemeinschaft Kanalbau
Abwasserleitungen und -kanäle einschließlich zugehöriger Bauwerke müssen so errichtet und betrieben werden, dass sie funktionsfähig, betriebssicher und dicht sind. Gleiches gilt für den Zeitpunkt nach einer Sanierung. Um den gewünschten Zustand sicherzustellen, sind die Anlagen vor Inbetriebnahme zu prüfen. Bei diesem Vorgang, der in Normen und Merkblättern geregelt ist, kommt es in der Praxis immer wieder zu Unstimmigkeiten zwischen den Vertragsparteien.
Ausgangspunkt sind die Feststellungen der optischen Inspektion, die häufig zu unterschiedlichen Bewertungen durch die Beteiligten führen. Mit der "Arbeitshilfe zur optischen Abnahmeprüfung" bietet die Gütegemeinschaft Kanalbau Fachleuten deshalb einen Leitfaden zu "Auffälligkeiten und zugehörigen Festlegungen im Regelwerk" an, in dem den Feststellungen der optischen Inspektion die entsprechenden Hinweise und Festlegungen im technischen Regelwerk und anderen Quellen zugeordnet werden.
Die Broschüre, die sich als Arbeitshilfe bei Auftraggebern und Auftragnehmern etabliert hat, wurde von der Gütegemeinschaft Kanalbau neu strukturiert, inhaltlich überarbeitet und erweitert. Darüber sind die in der Arbeitshilfe enthaltenen Feststellungen und Auffälligkeiten den Kodierungen zugeordnet entsprechend DIN EN 13508-2 " Untersuchung und Beurteilung von Entwässerungssystemen außerhalb von Gebäuden – Teil 2: Kodiersystem für die optische Inspektion" und DWA-M 149-2 "Zustandserfassung und -beurteilung von Entwässerungssystemen außerhalb von Gebäuden - Teil 5: Optische Inspektion". So wird das Arbeiten mit der Unterlage für Fachleute noch einfacher und effizienter.
Erfahrungen eingeflossen
Die umfangreichen Erfahrungen der für die Gütesicherung Kanalbau RAL-GZ 961 tätigen Prüfingenieure sind in die Neuauflage der Arbeitshilfe eingeflossen. "Davon profitieren Auftraggeber und Auftragnehmer gleichermaßen, wenn sie in die Diskussion einsteigen", ist Dipl.-Ing. Hans-Christian Möser von der Gütegemeinschaft Kanalbau überzeugt. Gleichzeitig macht er deutlich, dass die Bewertung, ob ein Mangel vorliegt, nicht Gegenstand der Arbeitshilfe ist.
Dies ist vielmehr ein Ergebnis der Bewertung von Abweichungen zwischen dem Ist-Zustand und den Sollwert-Festlegungen im Bauvertrag. Falls die ausschreibende Stelle keine bauvertragliche Festlegung getroffen hat, ergibt sich die Bewertung, ob ein Mangel vorliegt, in der Regel aus einer Bewertung der Gebrauchstauglichkeit des erstellten Werkes unter Berücksichtigung der allgemein anerkannten Regeln der Technik. Die Bewertung der Gebrauchstauglichkeit ist bei neu erstellten und renovierten Abwasserleitungen und -kanälen in der Regel mit den Fragen verknüpft, ob sichergestellt ist: (a) der Nachweis der Dichtheit, (b) ein störungsfreier und wirtschaftlicher Kanalbetrieb und (c) die Standsicherheit und Dauerhaftigkeit.
Verantwortlichkeiten klar geregelt
Die Abnahme gehört zu den Hauptpflichten des Auftraggebers. Der Auftragnehmer hat dem Auftraggeber seine Leistung zum Zeitpunkt der Abnahme frei von Sachmängeln zu verschaffen. Dies ist der Fall, wenn die Leistung zur Zeit der Abnahme die vereinbarte Beschaffenheit hat und den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Mit der Abnahme geht die Gefahr auf den Auftraggeber über.
Bei neu erstellten und renovierten Abwasserleitungen und -kanälen ist die Feststellung der Mängelfreiheit im Allgemeinen nur mit Hilfe einer optischen Inspektion möglich. Der Auftraggeber definiert Zweck und Ziel der durchzuführenden Inspektion. Hieraus ergeben sich in der Regel Umfang und Inhalt der notwendigen Dokumentation (DWA-M 149-5, Abschnitt 7.1).
Die Beurteilung des festgestellten Zustandes ist generell nicht die Aufgabe des Inspekteurs oder gar dessen Software. Zustandsbeurteilung und Feststellung der Mängelfreiheit sind grundsätzlich in einem weiteren Arbeitsschritt und durch dafür qualifiziertes Personal durchzuführen, dem die vertraglich vereinbarten Anforderungen bekannt sind (DWA-M 149-5, Abschnitt 7.1).
"Damit sind zwar die formalen Rahmenbedingungen klar umrissen, doch im Baustellenalltag treffen die unterschiedlichen Auffassungen der Vertragspartner bei der Interpretation möglicher Mängel immer wieder aufeinander", weiß Möser. Was ist überhaupt ein Mangel? Die Beantwortung dieser Frage setzt Fachwissen und Erfahrung voraus. Zum Beispiel ist nicht jede Falte bei einem neu eingezogenen Schlauchliner ein baulicher Mangel, der das Sanierungsergebnis in Frage stellt und Nachbesserungen oder finanzielle Ansprüche nach sich zieht.
Schadensfälle und Regelwerk verknüpft
Die "Arbeitshilfe zur optischen Abnahmeprüfung" greift Beispiele wie diese auf und verknüpft die im Abnahmeprotokoll gebräuchlichen Kodierungen mit den entsprechenden Regelwerken und Normen. Hat sich beispielsweise der Rohrquerschnitt gegenüber der Ursprungsform verändert, wird das bei biegeweichen Rohren mit der Kodierung BAA kenntlich gemacht. Doch wo sind solche Fälle geregelt?
Aufschluss gibt die Broschüre zu dieser Frage mit den Verweisen auf die "DIN EN 1610 Abschnitt 12.3.2 Rohrverformung" sowie die Arbeitsblätter "DWA-A 139 Abschnitt 12.3.2 Rohrverformung" und "ATV-DVWK-A 127 Abschnitt 9.4 Verformungsnachweis": Bei biegeweichen Rohren ist die Verformung auf Übereinstimmung mit der statischen Berechnung zu prüfen. Die Durchmesserveränderung darf den in der Statik ausgewiesenen Wert der Kurz- sowie Langzeitverformung (siehe ATV-DVWK-A 127) nicht überschreiten. Abnahmekriterium ist der aus der statischen Berechnung ermittelte zulässige Wert der Kurzzeitverformung.
Verantwortung des Auftraggebers
"Damit sollten eigentlich alle Unklarheiten beseitigt sein", stellt Möser fest. Allerdings entlassen die einschlägigen Regelwerke die Auftraggeber nicht in jedem Fall aus ihrer Verantwortung. Belegen lässt sich das zum Beispiel bei der Bewertung der Höhe des Wasserspiegels (BAA) in der Abwasserleitung oder im -kanal (offene Bauweise). In DIN 18306 Abschnitt 0.2.3 ist geregelt, dass in der Leistungsbeschreibung zulässige Abweichungen für Richtung und Höhenlage nach den Erfordernissen des Einzelfalls anzugeben sind. Auch DIN EN 1610 , Abschnitt 8.5.2 "Richtung und Höhenlage", macht ganz klar deutlich, dass die Rohre genauestens nach Richtung und Höhenlage innerhalb der durch die Planung vorgegebenen Grenzwerte zu verlegen sind.
Aus dem Gebrauch der Arbeitshilfe resultiert ein Nutzen für Kommunen, Ingenieurbüros und ausführende Unternehmen. Durch die praxisbezogene Verknüpfung von Feststellungen bei der optischen Inspektion und diesbezüglichen Vorgaben des Regelwerkes sollen einvernehmliche und sachorientierte Bewertungen der Vertragspartnern unterstützt werden. Die neu erschienene Arbeitshilfe der Gütegemeinschaft Kanalbau steht unter www.kanalbau.com als kostenloser Download bereit. Mitglieder der Gütegemeinschaft können darüber hinaus die gedruckte Version bequem über den Login-Bereich (Infoschriften) oder per mail an info@kanalbau.com unter Angabe ihrer Mitgliedsnummer bestellen.
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