Die Ruhrwasserwirtschaft vermeldet Erfolge und fordert die konsequente Umsetzung des Verursacherprinzips
18.10.2013
Ruhrverband und AWWR stellen 40. Ausgabe des Ruhrgüteberichts und die neue Regionalstudie zum Fracking vor.
Im 100. Jahr seines Bestehens veröffentlicht der Ruhrverband gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke an der Ruhr (AWWR) zum 40. Mal den Ruhrgütebericht. Auf mehr als 200 Seiten informiert der Bericht die Fachöffentlichkeit und die interessierten Bürgerinnen und Bürger transparent und nachvollziehbar über den aktuellen Zustand der Ruhr und ihrer Nebengewässer. "Nach 100 Jahren Wasserwirtschaft an der Ruhr ist festzustellen: Das Ruhrwasser hat in Bezug auf die organischen Stoffe, die Nährstoffe und auch die meisten Schwermetalle nach den Maßstäben der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie ein gutes bis sehr gutes Qualitätsniveau erreicht", sagte Prof. Harro Bode, Vorstandsvorsitzender des Ruhrverbands, bei der Vorstellung des aktuellen Ruhrgüteberichts am 15. Oktober 2013 in Essen.
Diese positive Entwicklung ist vor allem auf die hohe Reinigungsleistung der Kläranlagen des Ruhrverbands zurückzuführen, die über das in den gesetzlichen Erlaubnisbescheiden geforderte Maß deutlich hinausgeht. Die guten Abbauleistungen gehen allerdings auch einher mit einem gesteigerten Energiebedarf. Dank der energetischen Optimierung der Ruhrverbandskläranlagen konnte der tatsächliche Energieverbrauch dennoch zwischen 2009 und 2012 von 89 auf 85 Gigawattstunden pro Jahr gesenkt werden, der Strombezug aufgrund der gestiegenen Eigenproduktion sogar um mehr als 10 % auf nunmehr 39,5 GWh/a. Diese Bemühungen kommen dem Abwassergebührenzahler zugute.
Nach der erfolgreichen Elimination der Nährstoffe Stickstoff und Phosphor aus dem kommunalem Abwasser gelangen nun mehr und mehr die organischen Mikroverunreinigungen in den Fokus der Wasserwirtschaft – so insbesondere Industriechemikalien, Arzneimittelwirkstoffe und Pflanzenbehandlungs- und Schädlingsbekämpfungsmittel. Forciert wird diese Tendenz durch zunehmende diesbezügliche gesetzliche Regelungen im europäischen und nationalen Bereich. Deswegen wird der Analyse, Bewertung und Dokumentation organischer Mikroverunreinigungen im Ruhrgütebericht ein immer größerer Stellenwert beigemessen. Das Ruhrverbandslabor hat im vergangenen Jahr 372 Einzelverbindungen untersucht, die den organischen Mikroverunreinigungen zuzuordnen sind. Die Bewertung zeigt, dass die große Mehrzahl der Stoffe für die Ruhr keine Relevanz hat. Biozide und Pflanzenschutzmittel bilden mit 118 Einzelverbindungen die größte Gruppe dieses Messprogramms. Sämtliche Werte dieser Gruppe lagen in der Ruhr unter den Grenzwerten der Trinkwasserverordnung (!) und den Anforderungen der Oberflächengewässerverordnung (OGewV).
Am 13. September 2013 hat der Europäische Rat zwölf neue Substanzen in die Liste der prioritären Stoffe aufgenommen und bereits existierende Umweltqualitätsnormen (UQN) zum Teil verschärft. Die EU-Mitgliedsstaaten sind nun verpflichtet, der Kommission bis 2018 zusätzliche Maßnahmen- und Überwachungsprogramme vorzulegen. Die Bundesrepublik wird dies im Rahmen der neuzufassenden Oberflächengewässerverordnung umsetzen müssen. Der Ruhrverband begrüßt grundsätzlich die Anstrengungen der EU zur Stärkung des europäischen Gewässerschutzes. Allerdings könnte dies auch in die Forderung nach einer sogenannten "vierten Reinigungsstufe" auf kommunalen Kläranlagen münden: Vor deren Einführung erscheint jedoch eine breit angelegte gesellschaftliche Diskussion über Verhältnismäßigkeit, Kosten sowie positive und negative Umwelteffekte einer solchen 4. Stufe angebracht. Dabei gilt es zu berücksichtigen:
- Schutzziel der neuen UQN ist nicht mehr nur der Mensch, sondern auch alle Wasserlebewesen, wozu auch sehr empfindliche Organismen zählen. Deshalb beinhalten die UQN in vielen Fällen hohe Sicherheitsfaktoren und sind damit oft um ein Vielfaches schärfer als die Anforderungen an unser Trinkwasser. Trinkwasser, welches den einschlägigen Normen entspricht, würde nach diesen Maßstäben eine Belastung in Oberflächengewässern hervorrufen, wenn man es dort einleiten würde.
- Die neuen UQN definieren Grenzwerte bis hinunter in den Piko- und Femtogrammbereich, die zwar rechnerisch abgeleitet sind, aber selbst mit der modernen hochsensitiven Analytik bisher nicht immer bestimmt werden können. Eine Kontrolle, ob solch niedrige Grenzwerte eingehalten werden, ist daher in etlichen Fällen noch nicht möglich.
- Eine "vierte Reinigungsstufe" hat einen hohen Energiebedarf, wie die Ergebnisse der Versuche des Ruhrverbands auf der Kläranlage Schwerte ergaben. Damit würde eine solche Vorgehensweise den ehrgeizigen nationalen und internationalen Klimazielen entgegen wirken.
- Eine "vierte Reinigungsstufe" kann Mikroverunreinigungen zwar minimieren, aber nicht restlos aus dem Abwasser entfernen. Gerade bei schwer abbaubaren organischen Verbindungen, die sich über lange Zeiträume in unseren Gewässern anreichern, ist daher eine End-of-pipe-Reinigung keine nachhaltige Lösung des Problems. Vielmehr müsste dafür gesorgt werden, dass diese Stoffe gar nicht erst oder nur in geringerem Maß ins Abwasser gelangen.
- Die meisten der neu in die Prioritätenliste aufgenommenen Stoffe werden überwiegend über diffuse Quellen und nicht über das gereinigte Abwasser in unsere Gewässer eingetragen. Diese Stoffe werden durch die „vierte Reinigungsstufe“ auf Kläranlagen gar nicht erfasst. Eine "vierte Reinigungsstufe" würde trotz hohem finanziellen Aufwands für die Gebührenzahler also eine Erreichung der UQN nicht sicherstellen können.
"Falls unsere Gesellschaft zu der Auffassung gelangt, sich ein derart hohes Schutzniveau leisten zu wollen, so sollte sie die Konsequenz besitzen, das Problem grundlegend, also beim Verursacher, zu lösen. Der Bevölkerung zum Preis einer vierten Reinigungsstufe in einer Sicherheit zu wiegen, die mit einer solchen Stufe nicht erreicht werden kann, wäre unlauter", sagte Prof. Harro Bode.
Ein hervorragendes Beispiel, dass mit der konsequenten Anwendung des Verursacherprinzips und ohne für den Gebührenzahler kostenträchtige Aufrüstung von kommunalen Kläranlagen große Erfolge erzielt werden können, ist die Entwicklung der PFT-Belastungen des Ruhrwassers. Von 2007 bis 2012 konnte die PFT-Fracht an der Ruhrmündung von 513 auf 109 Gramm pro Tag und damit um rund 80 Prozent reduziert werden. Dies geht sowohl auf die Sanierung hochbelasteter Felder, die illegal mit PFT-Schlämmen beaufschlagt worden waren, als auch auf verminderte PFT-Einleitungen in kommunale Kläranlagen zurück. Diese Einleitungen stammten überwiegend aus Gewerbe- und Industriebetrieben, die es durch Verzicht und Ersatz von perfluorierten Substanzen, aber auch durch den Einsatz weitergehender Reinigungsverfahren geschafft haben, ihren Frachtanteil um 85 Prozent zu senken. Die PFT-Konzentration betrug im Durchschnitt des Jahres 2012 in der Ruhr bei Essen weniger als 24 Nanogramm pro Liter. Damit wird der Zielwert von 100 Nanogramm, der für das Trinkwasser vorgegeben wird, im Jahresdurchschnitt um 76 Prozent unterschritten.
Neben abwassertechnischen Themen und denen aus der Talsperrenbewirtschaftung, kamen auch die aus dem Trinkwasserbereich nicht zu kurz, die von Vertretern der Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke an der Ruhr (AWWR) präsentiert wurden. "Aktuell betrachten wir als AWWR auf der Rohwasserseite verstärkt die stoffliche Belastung der Ruhr - hier besonders das Monitoring organischer Spurenstoffe", so der AWWR-Vorsitzende Dr. Christoph Donner. "Dabei werden standardisierte Untersuchungsprogramme kontinuierlich weiterentwickelt", so der Vorsitzende weiter. Im Rahmen des Programms "Reine Ruhr" ist es daher notwendig, die gesellschaftliche Diskussion über die Vermeidung von Verunreinigungen an der Quelle zu führen und Instrumente zu entwickeln, wie beispielsweise ein regionales Stoffflussmodel, das transparent zeigt, welche Stoffe wo und in welchen Mengen in die Ruhr eingetragen werden. Aus Sicht Donners liegt ein Ansatz in der Überprüfung der Einleitgenehmigungen sowohl im medizinischen Sektor, als auch im industriellen Bereich - hier nannte er insbesondere die Komplexbildner und Arzneimittel. Die AWWR nahm dieses zum Anlass und gestaltete einen Flyer mit Hinweisen, wie Arzneimittel richtig entsorgt werden und dadurch hilft, unsere wichtige Ressource Wasser zu schützen.
Die Mitgliedsunternehmen der AWWR rüsten ihre Wasserwerke in den kommenden Jahren weiter nach. Damit leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Vorsorge und Erhöhung der Sicherheit. Stoffe, die nicht im analytischen Radarsystem erfasst werden, sollen damit künftig neben den bereits bekannten zurückgehalten werden. Mit Gesamtinvestitionen von bis zu 300 Millionen Euro bis 2018 ergibt sich ein Bauzeitenplan zur Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen, der von der Arbeitsgemeinschaft Schritt für Schritt und transparent auf ihrer Homepage in einem Fortschrittsbericht dargestellt wird. Exemplarisch nennt die AWWR zwei Beispiele von Umbaumaßnahmen: Die Erweiterung der Wasseraufbereitung im Wasserwerk Langel, Arnsberg, und die Kooperation der Stadtwerke Menden und Fröndenberg beim Bau einer gemeinsamen Aufbereitung. Beide Anlagen sind im Berichtzeitraum fertiggestellt worden.
Auch die Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten durch Fracking stellt für die Trinkwasserversorgung an der Ruhr ein aktuell nicht einzugrenzendes Risiko dar. Beim Fracking wird mit Chemikalien versetztes Wasser mit hohem Druck in Bohrlöcher verpresst, um das im Gestein gespeicherte Erdgas zu gewinnen. Für ein Fracking-Verbot in Wasserschutzgebieten gibt es bereits eine breite Zustimmung. Auch die Ende September 2013 erschienene Regionalstudie "Wasserwirtschaftliche Risiken bei Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten im Einzugsgebiet der Ruhr" erstellt vom IWW Rheinisch-Westfälisches Institut für Wasser Beratungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH, Mülheim an der Ruhr, kommt nach intensiver Recherche zu dem Schluss, dass nahezu das gesamte Ruhreinzugsgebiet unter Beachtung anderenorts auch von der Gasindustrie akzeptierten Rahmenbedingungen für die Gasgewinnung mittels Fracking ungeeignet ist.
Es gibt nur sehr wenige Flächen, unter denen Lagerstätten in hinreichender Tiefe überhaupt vorhanden sind und bei denen Fracking unter Beachtung von risikobezogenen Schutzvorkehrungen realisierbar sein könnte. Wenn überhaupt, verbleiben nach den Ergebnissen der Studie weniger als drei Prozent der Fläche der genehmigten Felder an der Ruhr für die Aufsuchung von Gas aus unkonventionellen Lagerstätten. Und auch auf diesen müsste dann noch geprüft werden, in welchem Umfang die bereits vorhandenen Flächennutzungen einer Gasgewinnung entgegenstehen. Ulrich Peterwitz, AWWR-Geschäftsführer: "Wir sind sehr froh darüber, dass auch die renommierten IWW-Experten dieses bestätigt haben". Die AWWR und der Ruhrverband sind der Auffassung, dass der Schutz der Trinkwasserressourcen Vorrang vor der Rohstoffgewinnung haben muss. Sie drängen darauf, dass die Gesellschaften, die Rechte zum Aufsuchen von Gasvorkommen im Ruhreinzugsgebiet besitzen, auf die Gasgewinnung in den im Gutachten ausgewiesenen Ausschlussgebieten verzichten. Insgesamt setzen Sie sich für ein Frackingverbot für das Ruhreinzugsgebiet und weiterer Einzugsgebiete von Flüssen und Seen, aus denen Trinkwasser gewonnen wird, ein.
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