Erfahrungsaustausche in neuem Format
31.03.2014
Bei der RAL-Gütegemeinschaft Kanalbau kommen Auftraggeber und Auftragnehmer zu Wort
Am 11. und am 19. Februar 2014 fanden in Werder (Berlin/Brandenburg) und in Erding (Bayern) die ersten Erfahrungsaustausche von Auftraggebern und Auftragnehmern zum Thema Kanalbau statt, und das mit einem neuen Konzept. Erstmals - und das hat sich im Gegensatz zu den bisherigen Veranstaltungen geändert - wurde eine Diskussion über ausgewählte praxisnahe Fallbeispiele aus der Sicht von Auftraggeber und Auftragnehmer im Dialog geführt. Die Teilnehmer an der Veranstaltung wurden in das Frage- und Antwortspiel aktiv einbezogen. "Wie würden Sie entscheiden?" lautete die Frage, mit der mögliche Schwachstellen im Baustellenalltag besprochen wurden. Als Beispiele hierfür dienten Themen wie fehlerhafte Planung und Ausschreibung, Mängel in der Bauausführung und mangelhafte Qualitätssicherung. Sie wurden vor dem Hintergrund der bestehenden technischen Regelwerke und der aktuellen Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) exemplarisch aufgezeigt.
Die Teilnehmer haben diese Art der Gesprächsführung durchweg positiv bewertet: Das neue inhaltliche Konzept gibt der Diskussion zwischen Auftraggebern, Planern und Auftragnehmern zum Thema Qualität und Qualifikation im Kanalbau neue Impulse – so der Tenor. Umfangreiche Unterlagen zu den Fallbeispielen, in denen die wichtigsten Fragen der Veranstaltung zusammengestellt wurden, dienen zur weiteren Vertiefung der Sachverhalte. Lösungsansätze zur Fehlervermeidung und der Umgang mit Nachtragsforderungen unter Bezug auf das Merkblatt DWA-M 806 zu zwei aktuellen Fallbeispielen wurden ebenfalls vorgestellt.
Diskussion im Dialog
Die fachliche Kompetenz der Prüfingenieure und ihre aus der täglichen Baustellenpraxis gewonnenen Erfahrungen stellen die Grundlage für das neue Format der Veranstaltungsreihe dar. Die Diskussion im Dialog bildet nun den roten Faden. Unterstützung kam zudem von Regierungsbaumeister Dipl.-Ing. Rüdiger Prestinari, Pforzheim, der darüber hinaus beim Frage- und Antwortspiel rund um die Aspekte der Gütesicherung Kanalbau die Sichtweise des Auftraggebers beleuchtet. Während in Werder bei Potsdam Kanalbau in offener Bauweise und Vortrieb die Schwerpunkte waren, stand im bayerischen Erding neben dem Kanalbau in offener Bauweise die grabenlose Sanierung im Fokus.
Mit einem Vortrag über "Gütesicherung im Kanalbau: Sicherstellung der Qualität bei Ausschreibung, Bauüberwachung und Bauausführung" eröffnete Dipl.-Ing. Hans-Christian Möser, ein vom Güteausschuss der Gütegemeinschaft beauftragter Prüfingenieur, die eintägige Veranstaltung. Hierbei wurden insbesondere die Eigenüberwachung als integraler Bestandteil von Fehlervermeidungssystemen beschrieben und die grundlegenden Anforderungen an die Beurteilungsgruppen ABAK, ABV und ABS (Ausschreibung und Bauüberwachung) erläutert. Daran schlossen sich typische Fallbeispiele aus dem Bereich Kanalbau in offener Bauweise an. "Damit wollen wir das Auditorium gezielt einstimmen und den Blick für die Sichtweisen der an der Planung, Ausschreibung, Vergabe, Bauüberwachung und Ausführung beteiligten Parteien schärfen", erklärt Dipl.-Ing. Dieter Walter, ein ebenfalls vom Güteausschuss der Gütegemeinschaft beauftragter Prüfingenieur.
Anforderungen nehmen zu
Innerstädtische Tiefbaumaßnahmen stellen für den Auftraggeber anspruchsvolle Bauaufgaben dar. Komplexe Bauabläufe, ständig neue Anforderungen aus Regelwerken und Vorschriften müssen ebenso berücksichtigt werden wie der finanzielle und zeitliche Rahmen für Planung und Bauausführung. Ähnlich ist die Situation auf Seiten der Ingenieurbüros, die meist unter hohem Zeitdruck Planungen erstellen müssen. Mangelnde Erfahrung in der Bautechnik oder fehlende Systeme zur Qualitätssicherung bzw. Fehlervermeidung in Ausschreibung und Bauüberwachung können dabei zu erheblichen Konsequenzen für alle Beteiligten führen. Hinzu kommt noch eine unvollständige Datenermittlung für die Planung - etwa in Form von fehlenden Bodengutachten, optischer Inspektion oder Beweissicherungsmaßnahmen - die aus Kostengründen vom Auftraggeber nicht zusätzlich beauftragt werden.
Folgerichtig stellt sich die Frage: Kann das mit der Ausführung der Arbeiten beauftragte qualifizierte Unternehmen die bis dahin gemachten Fehler auffangen? Eine mangelfreie Werkleistung kann von den beteiligten Baupartnern nur dann erbracht werden, wenn sie auf detaillierte Planungs- und Ausschreibungsunterlagen zurückgreifen können. Ihre Erstellung erfordert Kompetenz und Erfahrung. Systeme zur Qualitätssicherung tragen an dieser Stelle dazu bei, eine Baumaßnahme zum Erfolg zu führen. Letztendlich fehlt es auf allen Seiten oft an qualifizierten Fachkräften, die über langjährige Erfahrung verfügen, so das Fazit von Prüfingenieur Walter und seinen Kollegen. Es handelt sich dabei um einen Sachverhalt, für den die beteiligten Parteien schnell eine Lösung finden müssen.
Triangulum Auftraggeber - Planer - Firma
Vor diesem Hintergrund wurden die Inhalte der Erfahrungsaustausche neu zusammengestellt und allgemeine Ziele auf Grundlage der DIN EN 752:2008-04 definiert. In der Norm sind die Zielsetzungen für Entwässerungssysteme außerhalb von Gebäuden festgelegt. Sie enthält des Weiteren Leistungsanforderungen zum Erreichen dieser Zielsetzungen und Grundsätze für strategische und politische Aktivitäten zu Planung, Bemessung, Einbau, Betrieb, Wartung und Renovierung. Zu den Zielen für Auftraggeber, Planer und ausführende Unternehmen gehört es, das System so zu planen, zu bauen, zu betreiben, zu unterhalten und zu sanieren, dass die mit der Ableitung von Abwasser verbundenen Gesundheits- und Sicherheitsrisiken ebenso minimiert werden wie Auswirkungen auf die Umwelt und die Funktionssicherheit. Gleiches gilt mit Blick auf die mit Bau, Betrieb, Unterhalt und Sanierung beschäftigten Personen. Darüber hinaus sind natürlich auch Nachhaltigkeitsaspekte zu berücksichtigen.
Diese Ziele betreffen alle Phasen einer Baumaßnahme, von der Planung und Ausschreibung über die Wertung und Vergabe, die Ausführung und Bauüberwachung bis hin zur Abnahme und Gewährleistung. "Zu diesen Themenkomplexen hat jeder seine eigenen Erfahrungen und Sichtweisen", weiß Prüfingenieur Dipl.-Ing. Sven Fandrich. "Auch mit der Abschätzung der Risiken. Deshalb wollen wir mit der Auswahl unserer Themen auf den Erfahrungsaustauschen auch die Bewusstseinsbildung für Risiken schärfen." Etwa mit Blick auf Ausführungsmängel und deren Ursachen. In der Diskussion zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern wurden bei den Erfahrungsaustauschen in Werder und Erding Lösungsansätze zur Fehlervermeidung beim Kanalbau in offener Bauweise, unterirdischem Vortrieb und bei der grabenlosen Sanierung aufgezeigt.
Beim Kanalbau in offener Bauweise betraf dies unter anderem die Wahl des Verbauverfahrens, die Kontrolle der Lastannahme, die Herstellung von Rohrbettung und Leitungszone, die Verfüllung und Verdichtung sowie die Feststellung von Rohrschäden bei der optischen Inspektion. Im fachlichen Frage- und Antwortspiel brachten Rüdiger Prestinari und Dieter Walter die Sichtweisen von Auftraggebern und Auftragnehmern stellvertretend auf den Punkt. Jeder Themenblock endete konsequent mit der Zusammenfassung der Ergebnisse. Im weiteren Verlauf wurde dann in gleicher Weise über die Erfahrung bei der Umsetzung von grabenlosen Sanierungsmaßnahmen diskutiert.
Souveräner Umgang mit Nachträgen
Mit Hinweisen zum Umgang mit Nachtragsforderungen auf der Basis der VOB/B und des Merkblattes DWA-M 806 greifen die Erfahrungsaustausche ein weiteres durchaus sensibles Thema auf. "Im Verlauf der praktischen Umsetzung eines Bauvorhabens kommt es häufig vor, dass zusätzliche oder geänderte Leistungen erbracht werden müssen", erklärt Prestinari. Aus der hieraus erforderlichen Anpassung der Bauverträge können sich Vergütungsänderungen ergeben.
Mit der Schilderung von Erfahrungen werden Lösungsansätze erörtert, wie Vergütungen für Nachtragsleistungen auf der Basis der VOB/B zwischen Bauherr und Unternehmer vereinbart werden können. Ziel des Themenblocks ist es, die Systematik der VOB/B mit den unterschiedlichen Nachtragsanlässen zu erläutern und insbesondere die Anforderungen an Vergütungsansprüche, ein Nachtragsangebot und eine Nachtragsprüfung zu definieren, um die Kommunikation zwischen den Vertragspartnern bis zum Abschluss einer Vergütungsvereinbarung zu verbessern.
Das ist nicht nur hierbei gelungen, so die einvernehmliche Resonanz vieler Teilnehmer an den Erfahrungsaustauschen in Erding und Werder. Weitere Veranstaltungen sind in der Region Hannover (15. Mai), in Mülheim an der Ruhr (21. Mai) sowie im Herbst in Hessen und Thüringen geplant.
Bildnachweis:
In Werder übernahmen Rüdiger Prestinari (li.) und Sven Fandrich die Rolle von Auftraggeber und Auftragnehmer [Foto: Gütegemeinschaft Kanalbau]
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