Forschungsprojekt untersucht Szenarien einer zukunftsfähigen Klärschlammentsorgung
04.06.2019
Wohin mit dem Klärschlamm? Über dieses brisante Thema diskutierten jüngst Fachleute von 14 Kläranlagen und Behörden aus den Regionen Donau-Iller, Allgäu, Hochrhein-Bodensee und Bodensee mit Experten der Hochschule Biberach. Eine zukunftsfähige Klärschlammentsorgung ist Teil des Forschungsprojektes „P-RückSÜD“ der Hochschule Biberach, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird.
Unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Ulrike Zettl und Prof. Dr. iur. Gotthold Balensiefen, beide aus der Fakultät Bauingenieurwesen und Projektmanagement der HBC, wird dabei untersucht, wie die Entsorgungssicherheit der Klärschlämme zu vertretbaren Kosten langfristig sichergestellt und die gesetzlichen Anforderungen zur Phosphorrückgewinnung eingehalten werden können.
Die Kläranlagenbetreiber in den Regionen haben die Brisanz der aktuellen Entsorgungslage frühzeitig erkannt und beteiligen sich an dem Forschungsvorhaben. So steigen aktuell die Entsorgungspreise und die Betreiber fragen sich, wie sie den Klärschlamm loswerden.
Bereits heute werden rund 40 % der baden-württembergischen Klärschlämme außerhalb des Bundeslandes thermisch verwertet. „Um eine langfristig tragfähige Klärschlammentsorgung sicherzustellen, wäre es zielführend, eine regionale Entsorgungsstruktur aufzubauen “, so Jürgen Fromm vom Regierungspräsidium Tübingen.
„Strengerer Grenzwerte zwingen auch immer mehr Betreiber aus anderen Bundesländern, ihre Klärschlämme nicht mehr landwirtschaftlich auszubringen, sondern thermisch zu verwerten“, berichtete Ulrike Zettl. Damit drängen immense Klärschlammmengen auf den sogenannten Verbrennungsmarkt und es werde offensichtlich, dass die vorhandenen Verbrennungskapazitäten bei weitem nicht ausreichend sind.
In einigen Bundesländern führe dies bereits zu einem eklatanten Entsorgungsnotstand. „Riesige Zwischenlager werden gebaut und die Entsorgungskosten explodierten“, so die Professorin für Siedlungswasserwirtschaft der Hochschule Biberach. Zwischenzeitlich wirke sich dies auch in Baden-Württemberg aus: bestehende Entsorgungsverträge werden nicht verlängert, sondern gekündigt.
„Bei neuen Ausschreibungen zur Klärschlammentsorgung darf man sich glücklich schätzen, überhaupt ein Angebot zu erhalten – wenn auch zu deutlich höheren Preisen als bisher“, skizziert die Ingenieurin die aktuelle Situation.
Infolge der fehlenden landwirtschaftlichen Verwertung ist der Nährstoffkreislauf unterbrochen und es muss Mineraldünger eingesetzt werden. Die Nährstoffkomponente Phosphor muss hierfür importiert werden. Um sich von den wenigen Ländern, die über Phosphorlagerstätten verfügen, unabhängig zu machen und um Stoffkreisläufe zu schließen, entschied sich die Politik 2017 dafür, eine Pflicht zur Phosphor-Rückgewinnung aus Klärschlämmen einzuführen, damit dieser Rohstoff in der Landwirtschaft oder Industrie wiederverwendet werden kann.
„Technisch eine anspruchsvolle Aufgabe, für die es bislang noch keine gesicherten Verfahren mit mehrjähriger großtechnischer Erfahrung gibt“, erläutert Zettl. „Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass nur wenige Kläranlagenbetreiber durch eine Phosphor-Abreicherung den ab 2029 geltenden gesetzlichen Anforderungen nachkommen können“.
Ein Großteil der beteiligten Kläranlagen werde darauf angewiesen sein, ihren phosphorhaltigen Klärschlamm thermisch behandeln zu lassen und anschließend den Phosphor aus der Asche zurückzugewinnen, so die Ingenieurin. Hierfür würden neue thermische Behandlungs- und Phosphor-Rückgewinnungsanlagen benötigt. Diese könnten innerhalb der Regionen durch kommunale Betriebe gebaut und betrieben oder aber durch Ausschreiben der Dienstleistung an Drittfirmen zu den dann üblichen Marktpreisen vergeben werden.
In den kommenden Wochen werden an der Hochschule Biberach und unter der Leitung von Ulrike Zettl mehrere Szenarien ausgearbeitet, wie die zukünftige Klärschlammentsorgung einschließlich der Phosphorrückgewinnung gestaltet werden kann. Dabei werden nicht nur technische Lösungen bewertet, sondern unter der Federführung von Prof. Balensiefen genehmigungsrechtliche Aspekte beleuchtet und Wege zur interkommunalen Zusammenarbeit aufgezeigt.
Bei dem Treffen erinnerte der Jurist daran, dass die Restmüllentsorgung vor 20 Jahren vor ähnlichen Herausforderungen stand. „Heute zeigt sich, dass die regionalen Abfallverbrennungsanlagen in öffentlicher Hand eine gute Entscheidung waren“. Die möglichen Szenarien werden im regelmäßigen Austausch mit den beteiligten Kläranlagenbetreibern und den Behörden entwickelt. Weitere Fördergelder können, so die Professoren, für die Umsetzungsphase beantragt werden. „Die Entscheidungen aber sind auf politischer Ebene zu treffen“, so Prof. Zettl.
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