Goldener Kanaldeckel für Starkregenvorsorge in Solingen
27.09.2019
Drei kleine Goldene Kanaldeckel reisen von Gelsenkirchen aus mit ihren Preisträgern in ihre neuen Zuhause nach Solingen, Jena und Koblenz, wo sie sicher Ehrenplätze auf Schreibtischen oder in Regalen oder Vitrinen bekommen. Denn sie wurden als Zeichen der Anerkennung für herausragende Leistungen vom IKT - Institut für Unterirdische Infrastruktur an ihre neuen stolzen Besitzer Tycho Kopperschmidt, Frank Große und Hans-Jörg Schulz überreicht.
Das IKT - Institut für Unterirdische Infrastruktur hat bereits zum 15. Mal besondere Leistungen einzelner Mitarbeiter von Kanalnetzbetreibern wie Stadtentwässerungen, Tiefbauämtern und Stadtwerken mit dem Goldenen Kanaldeckel ausgezeichnet.
Mit dem Branchenpreis wird beispielhaft verdeutlicht, welche Technologien, welche wirtschaftliche Dimension und welche Leistungen für den Gewässerschutz hinter einer als selbstverständlich wahrgenommenen Abwasserableitung stehen.
Für die Jury – bestehend aus Hans-Joachim Bihs, Vorstand des Wirtschaftsbetriebs Hagen und Vorsitzender des IKT-Aufsichtsrats, Artur Graf zu Eulenburg, Chefredakteur B_I umweltbau, Dr.-Ing. Marco Künster, Geschäftsführer der RAL-Güteschutz Kanalbau, sowie IKT-Geschäftsführer Roland W. Waniek – war es auch dieses Jahr wieder eine spannende aber zugleich auch schwierige Aufgabe, aus den eingereichten Bewerbungen drei Projekte zu benennen, deren Initiatoren mit dem „Oscar“ der Kanalbranche ausgezeichnet werden.
1.Preis: Tycho Kopperschmidt, Solingen
Für seinen Beitrag an der Entwicklung und Umsetzung eines Konzepts zur integralen Entwässerungsplanung als Baustein kommunaler Klimafolgenanpassung – kurz durchatmen – wird Tycho Kopperschmidt von den Technischen Betrieben Solingen mit dem ersten Preis bei der Verleihung des Goldenen Kanaldeckels 2019 ausgezeichnet.
In den dicht bebauten Innenstädten fordert der Klimawandel ein zeitnahes Umdenken. Starkregen, Hitze und Trockenheit heißen die neuen Herausforderungen, für die es in dieser Kombination bislang keinen Fahrplan, keine Vorbilder und keine Normen gibt.
Auf der Suche nach Wegen, wie eine klimaangepasste Stadt aussehen kann, stellt sich die getrennte Verantwortung der verschiedenen kommunalen Fachbereiche als ein großes organisatorisches, rechtliches und finanzielles Hindernis dar.
Hier setzt das im Jahr 2018 innerhalb der Technischen Betriebe Solingen implementierte, eigenständige Sachgebiet „Integrale Entwässerungsplanung“ an. Unter der Leitung von Tycho Kopperschmidt werden die innerstädtischen Verwaltungsgrenzen aufgeweicht und ein gesamtkommunales Handeln zur Klimafolgeanpassung organisiert und konzeptionell umgesetzt.
Als Aufgabe des neuen Sachgebietes gilt es, den aktuellen und zukünftigen Umgang mit der Ressource Abwasser zu entwickeln. Dabei spielen neben der schadlosen Ableitung von Starkregenereignissen sowie der Speicherung und Nutzung von Starkregenwasser zur Bewässerung von Stadtgrün in Trockenphasen auch Fragen der Energienutzung des Abwassers eine Rolle.
Technische Grundlagen, bauliche Maßnahmen, rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen, die Einbeziehung aller betroffenen Fachbereiche sowie ein Konzept zur Bürgerinformation sind in dem neu gegründeten Sachgebiet „integrale Entwässerungsplanung“ konzeptionell gebündelt und bilden die Grundlage für das Entwickeln und das Realisieren einer zukunftsfähigen Stadtentwässerung.
Die „integrale Entwässerungsplanung“ in Solingen hat die Jury als Konzept und in der mit wissenschaftlichen Forschungsprojekten untermauerten fachlichen Kompetenz überzeugt. Sie kann als Beispiel dienen, wie kommunale Betriebe die aktuellen Herausforderungen im gemeinsamen Verbund wirksam und wirtschaftlich angehen können.
Das Gelingen der Neuausrichtung der klassischen Entwässerungsplanung in Solingen ist vor allem dem Engagement und dem Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sachgebietes der „integralen Entwässerungsplanung“ mit Tycho Kopperschmidt an der Spitze zu verdanken.
2.Preis: Frank Große, Jena
Thema Starkregenvorsorge zum Zweiten: Der zweite Preis bei der Verleihung des Goldenen Kanaldeckels 2019 reist mit Frank Große vom Zweckverband JenaWasser nach Thüringen. Den Deckel gibt es für die Entwicklung der Klimaanpassungsstrategie „Starkregen- und Überflutungsvorsorge“.
Und Große hat ein Konzept zur Bürgerberatung in Starkregenfragen aufgestellt und umgesetzt. Und einen Ansatz zur Berechnung aktueller und zukünftiger Schwefelwasserstoffkonzentrationen im Kanalnetz hat er auch entwickelt.
Große ist es gelungen, die Starkregenvorsorge in Jena als kommunale Gemeinschaftsaufgabe anzupacken und umzusetzen. Hierbei ermöglicht ein erweiterter Generalentwässerungsplan eine gemeinsame Betrachtung von Hydraulik, Schmutzfracht und Stoffumwandlungsprozessen.
Große hat dazu das gesamte Abwassernetz in den Blick genommen und kritische Stellen für Wasseraustritt lokalisiert. Für verschiedene Regenintensitäten gibt es nun in Jena verlässliche Aussagen zu den Wasserspiegelhöhen und Fließwegen des austretenden Wassers – und damit auch Aussagen zu den Schadenspotenzialen durch Starkregen und Überflutung. Durch das Wissen um hydraulische Schwachstellen im Netz können frühzeitig Maßnahmen für notwendige Anpassungen der Kanalabschnitte geplant und umgesetzt werden.
Eine Klimaanpassungsstrategie funktioniert allerdings nur, wenn die Bürgerinnen und Bürger eingebunden und informiert werden. Deshalb werden die Jenaer Bürger jetzt durch den Zweckverband direkt vor Ort auf ihren Grundstücken rund um den Schutz vor Überflutung beraten. Auf Großes Initiative hin ist in Jena nun ein Projektteam zur Bürgerinformation im Einsatz.
Doch auch Trockenzeiten machen der Kanalisation zu schaffen. Bei konzentriertem Abwasser steigt die Belastung durch Schwefelwasserstoff und es kann zu Geruchsbelästigungen und Schäden an der Kanalsubstanz kommen. Frank Große hat sich auch dieses Themas angenommen und eine Sulfidbilanz aufgestellt hat, die es nun erstmals ermöglicht, die aktuelle und zukünftige Sulfidentwicklung eines kompletten Abwassernetzes bei unterschiedlichen Bedingungen zu berechnen, um daraus konkrete Maßnahmen abzuleiten.
3. Preis: Hans-Jörg Schulz, Koblenz
Der dritte Goldene Kanaldeckel 2019 geht an Hans-Jörg Schulz vom Eigenbetrieb Stadtentwässerung nach Koblenz. Denn Schulz zeichnet für die erfolgreiche Umsetzung der hoch komplexen „Inspektion des Mosel-Abwasserdükers nach 44 Betriebsjahren“ verantwortlich.
Die Inspektion wurde nötig, weil in Rheinland-Pfalz für solch einen Düker ein Dichtheitsnachweis gefordert wird. Mit der Inspektion des Dükers sollte dieser Nachweis erbracht und wenn notwendig der weitere Betrieb mit einer Sanierung sichergestellt werden. Allerdings war der Moseldüker seit 44 Jahren ohne jegliche Inspektion und Wartung in Betrieb. Und nicht ohne Grund hatte sich bisher niemand an dieses Unterfangen gewagt.
Hans-Jörg Schulz, mit der Lösung dieser heiklen Aufgabe betraut, definierte zunächst die Randbedingungen, mit denen ein passendes Inspektionsverfahren zurechtkommen musste. Schnell wurde klar: Eine optische Inspektion – inklusive der dafür notwendigen Entleerung des Dükers – war kaum umsetzbar.
Nach 44 Betriebsjahren wollte Schulz den Moseldüker nicht dem Kräftespiel aus Auftrieb und Auflager aussetzen. Schließlich erwies sich für diesen Einzelfall nur ein Verfahren als praktikabel. Doch das musste von Schulz in Zusammenarbeit mit dem Anbieter erst an die konkrete Aufgabe und die aktuell geltenden Normen angepasst werden.
Und: Grundvoraussetzung für die Durchführung des SLOFEC-Verfahrens, das mit Wirbelstrom Rohre von innen auf Korrosion untersucht, sind absolut saubere Rohre.
Erst nach einer anspruchsvollen Reinigung konnte schließlich die zerstörungsfreie Prüfung der Rohrwandungen mit dem SLOFEC Pipe Scanner erfolgen. Und die Ergebnisse überraschten alle. Die beiden Rohrstränge des Dükers zeigten nur an ihrer Außenseite minimale Korrosion. Fazit: kein Sanierungsbedarf – auch nach 44 Jahren Dauerbetrieb unter teils schwierigen Bedingungen mit starken Strömungen und Hochwassern.
Hans-Jörg Schulz hat auf innovative Art und Weise eine vorhandene Technologie für seinen Spezialfall adaptiert und damit etwas Neues gewagt. Schulz hat das Projekt souverän und mit großem Geschick geleitet, mit enormem Fachwissen, hohem persönlichem Einsatz und viel Disziplin begleitet und zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht.
Und er und alle Beteiligten haben damit vielen Kommunen einen praktikablen Weg aufgezeigt, den Zustand ihrer bisher als uninspizierbar geltenden Düker zu ermitteln. Den Preis nahm Team-Mitglied Ralf Saftig entgegen, da Schulz selbst nicht zur Preisverleihung kommen konnte.
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