Grundsätze der Handhabung von FIDIC-Bauvertragsbedigungen in Abgrenzung zur VOB/B im Claim Management (Nachtragsmanagement)
19.03.2008
Im Unterschied zur VOB/B enthalten die FIDIC-Bauvertragsbedingungen nur eine teilweise Rangfolgeregelung und folgen dem Grundsatz, dass sich alle Vertragsdokumente gegenseitig erklären sollen und untereinander gleichen Rang haben, sofern der Vertrag nicht ausdrücklich etwas anderes vorsieht. Es sei der Hinweis erlaubt, dass nach der jüngeren Rechtsprechung der deutschen Gerichte dies übrigens auch für die VOB/B trotz Rangfolgeregelung gelten soll und dass das Vertragswerk als Ganzes ohne besonderen Vorrang etwa der Vormerkungen vor dem Leistungsverzeichnis oder umgekehrt etc. zu betrachten ist. Diese Auslegung ist wesentlicher Ansatzpunkt für das Claim Management (Nachtragsmanagement) zur Beschreibung von Art und Umfang der Leistung bei vermeintlichen Lücken, Widersprüchlichkeiten etc.
Während in der VOB/B eine 10 %-ige Grenze für die Möglichkeit der Anpassung bei Massenänderungen (Mehrung oder Minderung) vorgesehen ist, bestimmen die FIDIC-Verträge eine Grenze bei 15 %.
Im Übrigen nehmen die FIDIC-Verträge einen lang gehegten Plan der VOB/B bereits voraus und fassen alle sonstigen geänderten oder zusätzlichen Leistungen in einem Tatbestand der „sonstigen Vertragsänderungen“, für die es – ganz wie nach der VOB/B - regelmäßig einer Änderungsanordnung des Auftraggebers bedarf, damit sie eine zusätzliche Vergütung auslösen können.
Auch wenn dies in der Literatur teilweise anders beschrieben wird (vgl. Überblick in Handbuch des internationalen und ausländischen Baurechts vom Verfasser Götz – Sebastian Hök, Springerverlag im Jahr 2000 (ISBN 3540218815) – was aber ein Missverständnis der deutschen Rechtslage ist – werden die somit namenhaften Fälle der Vergütungsanpassung (Claim Management = Nachtragsmanagement) in den Fallgruppen der Massenmehrungen/Massenminderung, Vertragsänderung (Änderung des Bauentwurfs oder zusätzlicher Leistung) und schließlich auch der Entfall von Vertragsleistungen in gleicher Weise abgerechnet. Maßstab ist – ganz wie bei der VOB – der ursprüngliche Vertragspreis, wobei dann in der Umsetzung auf die Grundlagen der Preisbildung abzustellen ist, namentlich für zusätzliche Leistungen, die keinen ausdrücklichen Vertragspreis haben.
Ansonsten betont auch der FIDIC-Bauvertrag die Kooperationsverpflichtung der Parteien, die nämlich den neuen Preis zu vereinbaren haben.
Hinsichtlich der Ordnungsvorschrift und zur Organisation der Baudurchführung entsprechen die FIDIC-Vertragsbedingungen durchaus den Regelungen der §§ 3 und 4 VOB/B, sind sogar ausführlicher und detaillierter. Ansonsten sehen die FIDIC-Bauverträge (ganz wie auch nach VOB/B bekannt) eine Bauüberwachung seitens des Auftraggebers vor. Übrigens ganz entsprechend den Gedanken aus Leistungsphase 8 der HOAI soll die Hauptaufgabe der Bauüberwachung die Prüfung der Rechnungen (als Zertifizierung der Zahlungen bezeichnet) sein.
Besonderen Wert legen die FIDIC-Bauvertragsbedingungen auf die Regelungen der Ausführungsfristen, Behinderungen und Unterbrechungen der Ausführung. Wie in § 5 und 6 der VOB/B sind auch in den FIDIC-Bauvertragsbedingungen die Regelungen diesbezüglich konzentriert und übersichtlich zusammengefasst.
Es gibt geringfügige Abweichungen:
- Anders als die VOB-Verträge in § 6 Nr. 2 VOB/B werden etwa Streik und Aussperrung nicht als Grund für eine Behinderung zu Lasten des Auftraggebers beschrieben, was aber an dem entsprechenden Grundtatbestand der Umstände aus dem Risikobereich des Auftraggebers nichts zu ändern vermag.
- Entscheidend ist, dass noch klarer als in der VOB/B in den FIDIC-Bauvertragsbedingungen alle Umstände aus dem Risikobereich des Auftraggebers (egal ob sie - verschuldet - zu vertreten sind oder nicht) eine Bauzeitverlängerung zu Gunsten des Auftragnehmers begründen. Über die Berechtigung der Dauer der Bauzeitverlängerung soll der Ingenieur (Bauüberwacher) entscheiden.
- Besonders hervorzuheben ist, dass der in der VOB/B seit Jahren heftig geführte Streit für die FIDIC-Bauvertragsbedingungen längst entschieden ist: Der Auftraggeber darf Anordnungen die Bauzeit betreffend eindeutig erlassen und hat eine ausdrückliche Kompetenz diesbezüglich, die vom Ingenieur (vom Bauüberwacher des Auftraggebers) wahrgenommen wird, womit auch Vertretungsprobleme sogleich mitgeregelt werden.
- Es ist dann ein in der Literatur anzutreffendes Missverständnis (a.a.O.), die FIDIC-Bauvertragsbedingungen würden keine Ansprüche bereithalten, würde die Ausführung ohne Anordnung des Auftraggebers - etwa infolge tatsächliche Umstände - behindert/unterbrochen/verzögert etc. Denn genau diese Problematik regeln die FIDIC-Bauvertragsbedingungen als Grundfall der Verlängerung der Ausführungsfristen, soweit diese Umstände im Risikobereich des Auftraggebers anzusiedeln sind und knüpft hieran auch die Preisanpassung.
- Hinsichtlich dieser Preisanpassung wegen Bauablaufstörungen stellen die FIDIC-Bauvertragsbedingungen sogar (im Unterschied zum VOB/B-Vertrag) eindeutig klar, dass neben der Bauzeitverlängerung auch Kostenersatz beansprucht werden kann.
- Genauso wird klargestellt, dass sich ein Auftragnehmer schadensersatzpflichtig macht, verschuldet er den Verzug.
- Ein weiteres manchmal in der Literatur zu findendes Missverständnis (a.a.O.) ist es, dass ein Auftragnehmer bei einer von einem Bauüberwacher des Auftraggebers angeordneten Unterbrechung entscheiden könnte, ob er Mehrkostenerstattung oder Schadensersatz verlangen könne. Ganz eindeutig kommt nach den FIDIC-Bauverträgen nur dann Schadensersatz in Betracht, kann man dem Auftraggeber eine verschuldete Pflichtverletzung vorwerfen (vom Auftraggeber zu verschuldende Umstände). Macht hingegen der Ingenieur (Bauüberwacher des Auftraggebers) von dem Anordnungsrecht die Bauzeit betreffend Gebrauch, weil er z. B. eine Unterbrechung anordnet, scheiden Schadensersatzansprüche mangels schuldhafter Pflichtverletzung in Wahrnehmung einer gegebenen Kompetenz aus. Es bleibt in diesen Fällen der Mehrkostenerstattungsanspruch im Sinne der Preisanpassung.
- Im Übrigen kennen die FIDIC-Bauvertragsbedingungen nicht die Haftungsbeschränkung des § 6 Nr. 6 VOB/B, also den Ausschluss für entgangenen Gewinn fehlt es an Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit.
Die FIDIC-Bauvertragsbedingungen kennen dann – wie die VOB – die Kündigungsmöglichkeit des Auftragnehmers, dauert eine Unterbrechung länger als 90 Tage (3 Monate). Zu betonen bleibt, dass die Unterbrechung aber vom Ingenieur (Bauüberwacher des Auftraggebers) angeordnet sein muss. Über die Form einer solchen Anordnung (schriftlich, ausdrücklich, konkludent/durch schlüssiges Verhalten) schweigen die FIDIC-Vertragsbedingungen. Genauso ist unklar, ob etwa öffentlich-rechtliche Anordnungen als solche des Ingenieurs gelten, z. B. Unmöglichkeit des Baubeginns mangels Vorlage einer Baugenehmigung oder wegen öffentlich-rechtlicher angeordneter archäologischer Untersuchungen. In der Praxis lässt sich aber feststellen, dass mit der „Anordnung des Ingenieurs“ sehr weitgreifend umgegangen wird. Jeweils, wenn sich andere Handlungsalternativen im Wesentlichen verschließen wird zumindest der entsprechende mutmaßliche Wille des Auftraggebers bzw. eine entsprechende Anordnung seines Ingenieurs (non verbal) unterstellt.
An vielen Stellen sehen die FIDIC-Bauvertragsbedingungen den Bauingenieur gleichsam als Schiedsgutachter und -richter in vielen rechtlichen und technischen Fragen. Dies kann nicht ausblenden, dass es letztendlich objektiver Maßstäbe und entsprechender Ansprüche für die Bauzeitverlängerung und deren Berechnung bedarf.
Einen Darstellung über die Verteilung der Gefahr, über die Abnahme etc. stelle ich derzeit zurück, genauso wie mögliche Vertragsbeendigungsszenarien oder Haftungsszenarien bis hin zur Gewährleistung/Garantie/Mängelansprüche, auch das Problem etwaiger Vertragsstrafen sowie der Streitbeilegung, die genauso übersichtlich handhabbar in den FIDIC-Bauvertragsbedingungen geregelt werden.
Kontakt:
Rechtsanwalt Dr. Uwe Diehr
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Kurfürstenstraße 31
14467 Potsdam
Telefon: 0331 289 99-0
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