Stadtentwässerung Dortmund: „Kanalsanierung bei uns nur mit Gütesicherung Kanalbau“
28.07.2016
Das Dortmunder Abwassernetz ist mit einer Gesamtlänge von rund 2000 km und einer Bilanzsumme von rund 1 Mrd. Euro eines der größten Anlagevermögen der Stadt. Bis 2014 war das Tiefbauamt der Stadt Dortmund, Abteilung Stadtentwässerung, für dessen Bewirtschaftung zuständig; dann wurde die Stadtentwässerung in einen eigenständigen Eigenbetrieb überführt. Diese Umfirmierung ist laut Dr. Christian Falk, Technischer Leiter der Stadtentwässerung Dortmund, eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Bewältigung der anstehenden Aufgaben am Kanalnetz.
Zu den besonderen Herausforderungen vor Ort zählt die hohe Zahl von Kanälen, die in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg aufgrund der massiven Kriegsschäden erbaut wurden. Im Unterschied zu den ältesten, mehr als 100 Jahre alten Teilen des Netzes sind viele der nach 1945 gebauten Teile der Kanalisation inzwischen stark sanierungsbedürftig – ein Umstand, der heute und in Zukunft noch erhebliche Investitionen notwendig macht.
Umso ernster nimmt die Stadtentwässerung das Thema Gütesicherung Kanalbau: Sie ist seit 1993 Mitglied der Gütegemeinschaft Kanalbau und macht die Qualifikation der Bieter seit 1997 zum festen Bestandteil ihrer Ausschreibungen. Im Zusammenhang mit der Gütesicherung ist der Blick der Stadtentwässerung heute nicht nur auf die Ausführung, sondern auch auf Planung, Ausschreibung und Bauüberwachung gerichtet.
Herr Dr. Falk, wie ist es um die Qualität des Dortmunder Kanalnetzes bestellt?
Die ältesten Teile der Dortmunder Kanalisation entstanden Ende des 19. Jahrhunderts. Aus dieser Zeit stammt zum Beispiel ein rund 13 km langer Kanal, den man von der Emscher zur Lippe gebaut hat. Es handelt sich um ein in 20 m Tiefe, teils im bergmännischen Vortrieb erstelltes, zwei- bis dreischalig gemauertes Bauwerk mit einem Querschnitt von 1,45 m Höhe, das von hoher Ingenieurskunst zeugt.
Damals hatte man offensichtlich nicht nur einen hohen Qualitätsanspruch, sondern auch die Mittel dafür, diesem gerecht zu werden. Viele der teils über 100 Jahre alten Kanäle sind nach wie vor in Betrieb und müssen heute auch nicht komplett erneuert werden – oft reicht es schon, neu zu verfugen oder ähnliche Maßnahmen zu ergreifen. Diese Kanäle werden wir noch viele Jahrzehnte betreiben.
Wie sieht es mit Kanälen jüngeren Datums aus?
Dortmund wurde im Krieg in einem Ausmaß zerstört wie nur wenige andere Städte in Deutschland. In der Zeit des Wiederaufbaus ging es hauptsächlich darum, möglichst schnell und mit einfachen Mitteln ein funktionierendes Kanalnetz aufzubauen. Faktoren wie Qualitätssicherung spielten in dieser Zeit leider nur eine untergeordnete Rolle. Das führte dazu, dass wir heute in erster Linie die in dieser Zeit entstandenen Kanäle sanieren müssen. Gleichzeitig haben diese Erfahrungen dazu beigetragen, den Qualitätsanspruch zu entwickeln, der die Arbeit der Stadtentwässerung heute charakterisiert.
Welche Schwerpunkte setzen Sie beim Sanierungskonzept in Dortmund?
Bei einer Anschlussrate von nahezu 100 % liegt unser Hauptaugenmerk auf der Sanierung des Bestandes in Form von Reparatur, Renovierung oder Erneuerung. Rund 30 Mio. Euro investieren wir mittlerweile pro Jahr in das städtische Kanalnetz. Dabei entscheiden wir von Fall zu Fall über die einzusetzenden Materialien und Verfahren.
Für jede Sanierungsaufgabe die richtige Lösung in einer möglichst hohen Ausführungsqualität: Das ist unser Anspruch, den wir mit den geeigneten Instrumenten umsetzen – unter anderem mit der Gütesicherung Kanalbau. Dabei legen wir auf den wirtschaftlichen Einsatz der zur Verfügung stehenden Mittel ebenso viel Augenmerk, wie auf Nachhaltigkeitsaspekte oder unserer Verpflichtung den nachfolgenden Generationen gegenüber. Diesem Anspruch wird man allerdings nur gerecht, wenn man alle Projektbausteine von der Planung über die Ausschreibung, Bauüberwachung und Ausführung ganzheitlich betrachtet.
Wie bringe ich Gütesicherung an den Start, lautet die zentrale Frage bereits bei der Planung. Deswegen legen wir zum Beispiel hohen Wert auf eine sehr versierte, sehr umfassende aber auch sehr ausführliche Planung. Und wir sind auch bereit, hierfür das nötige Geld in die Hand zu nehmen.
Welchen Anspruch haben Sie an die Leistungen der Baupartner?
Wir sind der Meinung, dass Ingenieurleistungen wie Planung, Ausschreibung und Bauüberwachung ganz maßgeblich zum Ergebnis einer Sanierungsmaßnahme beitragen. Deshalb brauchen wir auch in Bezug auf die Ausschreibung und Bauüberwachung Baupartner mit besonderer Erfahrung und Zuverlässigkeit. Und weil das so ist, legen wir natürlich Wert auch auf eine vernünftige Auswahl der Planer.
Hierbei bietet zum Beispiel die Gütesicherung Kanalbau eine Möglichkeit, fachlich geeignete Unternehmen und Ingenieurbüros auszuwählen. Zurzeit haben wir das Führen eines entsprechenden Gütezeichens im Bereich Ausschreibung (A) und Bauüberwachung (B) noch nicht als Auswahlkriterium definiert, den Weg dorthin wollen wir aber einschlagen. Organisationen mit einem Gütezeichen für den offenen Kanalbau (Gruppe ABAK), für den grabenlosen Einbau (Gruppe ABV) oder für die grabenlose Sanierung (Gruppe ABS) weisen ihre besonderen Erfahrungen nach, verfügen über aussagekräftige Referenzen und belegen die Zuverlässigkeit des eingesetzten Personals. Das gibt uns als Auftraggeber ein gutes Gefühl und untermauert unser Anspruchsdenken in Bezug auf Qualität und Qualifikation beim Umgang mit der Kanalisation.
Herr Dr. Falk, würden Sie sagen, dass sich die Qualität der Baumaßnahmen in Dortmund verbessert hat?
Diese Frage kann ich eindeutig mit ja beantworten, und das hat aus meiner Sicht drei Gründe. Auf der einen Seite befinden sich Produkte und Verfahren mittlerweile auf einem sehr hohen Niveau. Des Weiteren hat das Know-how der handelnden Personen deutlich zugenommen. Regelmäßige Weiterbildung der Mitarbeiter – ein Punkt, der ja auch in den Güte- und Prüfbestimmung der Gütegemeinschaft Kanalbau verankert ist – ist heute unerlässlich für ein Unternehmen, das erfolgreich im Markt agieren will.
Hinzu kommt der Aspekt der Qualitätssicherung: Bei der Auftragsvergabe achten wir darauf, dass die ausführenden Unternehmen die für die Ausführung der Arbeiten notwendigen Qualifikationen besitzen und das mit einem Gütezeichen Kanalbau belegen. Die Kombination dieser drei Faktoren hat dazu geführt, dass wir heute tatsächlich andere Ergebnisse in unseren Bau- und Sanierungsprojekten erzielen.
Wir können also entspannt in die Zukunft blicken?
Nein, die Beschäftigung mit der Kanalinfrastruktur ist kein Selbstläufer, der Auftraggeber ist weiterhin stark gefragt. Für uns ist die Tatsache, dass ein Unternehmen ein Gütezeichen führt – hier spreche ich auch in meiner Funktion als Obmann des DWA-Fachausschusses „Zustandserfassung und Sanierung“ – kein Freifahrtschein für eine Bauausführung auf einem Qualitätsniveau, das wir als Auftraggeber erwarten.
Wir nehmen an dieser Stelle unsere Verantwortung wahr, nutzen die Anforderungen der Gütesicherung Kanalbau als Voraussetzung für die technische Eignung der Bieter bei der Vergabe von Aufträgen und die damit verbundene Eigenüberwachung als Hilfe bei der Bauüberwachung, bringen uns aber selber sehr stark in ein Projekt mit ein. Darüber hinaus gilt es, weitere Faktoren im Blick zu behalten. Unter anderem die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Zu unserer Verantwortung gehört es auch, dem enormen Preisdruck im Markt entgegenzuwirken und Rahmenbedingungen für auskömmliches Arbeiten zu schaffen. Nur unter diesen Voraussetzungen lässt sich vernünftige Kanalsanierung betreiben.
Worin bestehen für Sie die Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte?
Meines Erachtens liegen deutschlandweit die größten Bauaufgaben noch vor uns. Auch die in diesem Jahr publizierten Ergebnisse der DWA-Umfrage 2015 zum „Zustand der Kanalisation in Deutschland“ machen deutlich, dass eine Erhöhung des Aufwands zur Kanalsanierung notwendig ist, um den Zustand des Kanalnetzes in Deutschland langfristig zu verbessern und die vorhanden Substanz zu erhalten. Die größten Investitionen sind folglich noch zu tätigen. Der Nachholbedarf ist weiterhin immens.
Die Sanierung unserer Kanalisation stellt eine Ewigkeitsaufgabe dar, zumal ja auch neue, zum Beispiel altersbedingte Schäden hinzukommen werden. Bei ihrer Bewältigung spielen Qualitäts- und Qualifikationsaspekte eine wesentliche Rolle. Vor diesem Hintergrund ist es eine gute Sache, dass es Instrumente wie die Gütesicherung Kanalbau gibt. Es gilt, auf die Qualifikation der Beteiligten zu achten und die Weiterbildung der Mitarbeiter zu fördern – alles Positionen, die eng mit der Gütesicherung Kanalbau verbunden sind.
Begrüßenswert ist deshalb auch das Engagement der Gütegemeinschaft bei der steten Erweiterung ihres Dienstleistungspaketes. Angebote wie zum Beispiel die Firmenseminare oder die in diesem Jahr ans Netz gegangene Akademie Kanalbau mit dem darin enthaltenen E-Learning-Modul tragen dazu bei, das nötige Fachwissen für den Umgang mit der Kanalinfrastruktur zu erlangen oder zu vertiefen.
Dr. Falk, vielen Dank für das Interview.
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