Lindauer Seminar Kanalisationstechnik 2006 mit Rekordbesuch

07.04.2006

Trotz intensiver Veranstaltungskonkurrenz im Frühjahr 2006 konnte das 19. Lindauer Seminar "Praktische Kanalisationstechnik" am 16. und 17. März 2006 einen Rekordbesuch mit über 400 Zuhörern verzeichnen. Damit hat, wie Moderator Prof. Max Dohmann feststellte, die Traditionsveranstaltung inzwischen den Rang des größten Kanalisations-spezifischen Kongresses in Europa eingenommen.

Das breite Spektrum aktueller Themen wurde vom Publikum mit teils intensiven Diskussionen aufgenommen. Warum Kanalsanierung eine dringende wirtschaftliche Notwendigkeit darstellen kann, wurde am Beispiel des Abwasserzweckverbandes Hachinger Tal deutlich, dort hatte man vor 5 Jahren feststellen müssen, dass rund 44 Prozent des an die Landeshauptstadt München abgegebenen Verbandsabwassers durch Fremdwasser im Netz bedingt waren.

Durch ein Generalsanierungsprogramm konnte der Fremdwasser-Anteil bis 2004 auf 1,9 Prozent reduziert werden, was für den Zweckverband zu einer durchschnittlichen jährlichen Kostenreduzierung von 1,8 Millionen € führte. Bei der Wahl der Sanierungsverfahren führte man sehr differenzierte Wirtschaftlichkeitsvergleiche zwischen Reparatur-, Renovations- und Erneuerungsmaßnahmen durch.

Vor diesem Hintergrund steht der Verband nun vor der Alternative, entweder die Gebühren um 0,60 € / m³ zu senken oder die Kanalsanierung ohne Gebührenerhöhung weiter voran zu treiben.

Mehrfach betont wurde in Lindau die Bedeutung externer Fachingenieure im Arbeitsfeld der Kanalsanierung – sowohl im öffentlichen Bereich als erst recht auch auf dem privaten Grundstück. Dies gilt speziell in Zeiten personeller Knappheit in den öffentlichen Verwaltungen, wobei sicherzustellen wäre, dass eine Zusammenarbeit auf gleicher Augenhöhe erfolgt.

Kritisiert wurde auch wieder das  - eigentlich altbekannte - Problem, welches in Folge der HOAI-Vergütungsmechanismen de facto die Ingenieurleistung am Honorar orientiert, anstatt das Honorar angemessen an der Leistung.

Grundsätzlich problematisch erscheint zudem, dass die derzeitigen Regel- und Rahmen-Stundensätze (55 € bzw. 38 bis 80 €) vielfach eine kostendeckende Arbeit nicht mehr erlauben.

Auf dem Grundstück gegenüber privaten Auftraggebern erscheint andererseits oft nicht einmal der untere Rahmenstundensatz von 38 € realisierbar, da die meisten Grundstückseigentümer den Nutzen einer Ingenieurberatung gar nicht erkennen und in solcher Auffassung häufig von "konkurrierenden" Dienstleistern bestärkt werden, die selbst ein erkennbares Eigeninteresse an der Abwesenheit von Ingenieuren auf der Baustelle haben.

Einmal mehr und mit neuen Zahlen wurde in Lindau der Handlungsbedarf in der Grundstücksentwässerung illustriert. Die Auswertung des Pilotprojektes des baden-württembergischen Umweltministeriums in Stuttgart brachte in Hochrechnung der Erkenntnisse für Baden-Württemberg einen Sanierungsbedarf von 5,2 Mrd. €.

Dabei wurde ein akuter Sanierungsbedarf für 46 % der Grundstücke, mittelfristiger Handlungsbedarf für weitere  13 % aller Grundstücke und durchschnittliche Sanierungskosten von 4000 € pro Grundstück zugrunde gelegt.

Auch das Institut für Siedlungswasserwirtschaft der RWTH Aachen legte eine vergleichbare Hochrechnung aufgrund eigener Erkenntnisse vor: Bei 100 % Inspektionsgrad und einer Schadensrate zwischen 62 und 72 % des untersuchten Bestandes ergeben sich für die 17,9 Mio. Wohngrundstücke in Deutschland voraussichtliche Kosten zwischen 56 und 79 Mrd. €.

Dabei werden Inspektionskosten von 1000 € und Sanierungskosten von 5000 € pro Grundstück zugrunde gelegt. Rechnet man den Investitionsbedarf auf privaten gewerblichen Grundstücken hinzu, kommt man laut ISA auf 75 bis 99 Mrd. € für Gesamtdeutschland.

Dies entspricht immerhin einem kompletten Jahresetat des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung, wodurch die volkswirtschaftliche Bedeutung des Problems Grundstücksentwässerung eindrucksvoll in einen Bezugsrahmen gestellt wäre. Auf den Kopf der heutigen Bevölkerung umgelegt, wären bis 2015 Jahr für Jahr 90 bis 119 € in die Sanierung von privaten Abwasseranlagen zu investieren.

Diese Kosten ließen sich jedoch erheblich senken, wenn es endlich gelänge, Organisationsmodelle zu kollektiven, gebietsweisen Durchführung von Inspektions- und Sanierungsmaßnahmen umzusetzen. 

Die anstehende Umsetzung der  EU-Wasserrahmenrichtlinie ist zu all dem insofern eine wichtige Randbedingung, als erkennbar ist, dass die künftig vorgeschriebene Gewässerqualität auch mit Exfiltrationen der Abwasserkanäle und Infiltration von Fremdwasser im Zusammenhang steht.

Eine konsequente Umsetzung der Anforderungen von DIN 1986-30 -etwa im Rahmen kommunaler Satzungen- ist vor diesem Hintergrund  nicht bloß wünschenswert, sondern ein "Muss". Der Rückzug des § 45 BauO NRW, sowie die aktuellen Novellen einiger Eigenkontrollverordnungen in diesem Punkte werden diesen Markt  maßgeblich beeinflussen.

Solche Daten und Erkenntnisse zeigen eine Situation auf, der zweifellos auch das kommende 20. Lindauer Seminar 2007 mit Themen versorgen wird; sie lassen aber auch die Größe der wirtschaftlichen Spannungen und politische Widerstände erahnen, die fast zwangsläufig aus dieser Problematik erwachsen.

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