Lösung gegen Schwefelsäureangriff auf Abwasseranlagen
26.03.2018
Biogene Schwefelsäure-Korrosion schädigt Kanal- und Abwassersysteme, versursacht hohe Kosten und ist gesundheitsgefährdend. Forscher der beiden österreichsichen Universitäten TU Graz und Uni Graz zeigen in Water Research neue Materialien, die den Korrosionsprozess verhindern.
Abwassersysteme sind eine zentrale Infrastruktureinrichtung jeder Kommune. Idealerweise funktionieren sie einwandfrei und sind langlebig. Biogene Umsetzungsprozesse in Kanal- und Klärsystemen sind jedoch „natürliche Feinde“ herkömmlicher Anlagen und verursachen oftmals hohe Kosten durch Schäden an Bauteilen aus Beton und Metall.
So haben Abwassersysteme nicht selten eine Lebensdauer von weniger als zehn Jahren, müssen restauriert oder einzelne Bauteile getauscht werden. In diesen Prozessen freigesetzte toxische Gase wie Schwefelwasserstoff stellen zudem ein erhebliches gesundheitliches Gefahrenpotenzial dar, das von Reizerscheinungen bis hin zu Atemstillstand und Tod führen kann.
Eine interdisziplinäre Forschenden-Gruppe von TU Graz und Uni Graz stellt jetzt im Fachjournal Water Research neue Strategien zur Verhinderung von sogenannter Biogener Schwefelsäure-Korrosion (BSK)-Ausbildung vor. Der interdisziplinären Forschungsgruppe gehören Cyrill Grengg vom Institut für Angewandte Geowissenschaften, Florian Mittermayr vom Institut für Materialprüfung und Baustofftechnologie der TU Graz und Günther Koraimann vom Institut für Molekulare Biowissenschaften der Uni Graz an.
Biogener Schwefelsäureangriff: Deckel drauf ist nicht die Lösung
Cyrill Grengg vom Institut für Angewandte Geowissenschaften der TU Graz erläutert: „Nicht selten beträgt die durch BSK erzeugte Korrosionsrate an herkömmlichen in Abwasseranlagen verwendeten Betonen einen Zentimeter pro Jahr oder mehr. Die verwendeten Betonteile können so innerhalb von wenigen Jahren vollständig zerstört werden und massive Schädigungen an Abwassersystemen hervorrufen.“ Oftmals fehle das Bewusstsein für diese Prozesse und die daraus resultierende Gefahr für Abwassersysteme und Gesundheit, so die Forscher. „Kanaldeckel drauf und wegschauen ist nicht die Lösung“, so Grengg.
Denn der volkswirtschaftliche Schaden durch notwendige Restaurationsmaßnahmen an Abwassersystemen wurde allein für Deutschland mit rund 450 Millionen Euro pro Jahr berechnet. Für Österreich liegen derzeit keine Berechnungen vor, die Zahlen lassen sich jedoch auf andere europäische Länder umlegen.
Biogene Schwefelsäure-Korrosion (BSK) in Abwasseranlagen entsteht durch eine Sequenz von biogener Sulfat-Reduktion und einer anschließenden Rückoxidation. In einem ersten Schritt wird das in Druckrohrleitungen oder stehenden Abwässern vorhandene Sulfat von Bakterien unter anaerobern, also Sauerstoff-freien Bedingungen reduziert und es bildet sich Schwefelwasserstoff.
Dieses stark riechende, hoch giftige Gas entweicht in die Kanalatmosphäre und diffundiert in den Beton der Abwasserrohre und Kanalschächte. An Betonwänden, die gar nicht in Kontakt mit dem Abwasser stehen, findet eine Rückoxidation durch autotrophe Bakterien statt.
Diese Mikroorganismen produzieren Schwefelsäure, die mit den Betonbauteilen reagiert. Günther Koraimann vom Institut für Molekulare Biowissenschaften der Uni Graz hat diese Prozesse im Detail erforscht und erklärt: „Dadurch kommt es zu einer intensiven Biofilmbildung an der Oberfläche des Betons, einer Absenkung des pH-Werts auf unter zwei, also stark sauer, und zu expansiven Mineralneubildungen in Form von Gips. Die Kombination dieser Prozesse verursacht eine rasch voranschreitende Zerstörung des Betons.“
Ganzheitliches Lösungskonzept
In einem interdisziplinären Forschungsansatz arbeiten die Grazer Wissenschafter an einem ganzheitlichen Lösungskonzept. Nach der Erforschung der mikrobiologischen Prozesse folgte die Entwicklung neuer BSK-resistenter Materialien in enger Zusammen-arbeit mit dem Institut für Werkstoffe im Bauwesen der TU Darmstadt. Geopolymerbeton hat sich als besonders geeignet gezeigt, dem Säureangriff Stand zu halten.
Bei der Entwicklung des Baustoffes ist nicht nur dessen Säureresistenz eine höchst erwünschte Eigenschaft, sondern auch die von der Forschungsgruppe vorangetriebene Entwicklung möglichst antibakterieller Materialoberflächen, an denen sich Mikroorganismen, die den initialen Oxidationsprozess verantworten, gar nicht erst ansiedeln.
Somit wird die Entstehung von Schwefelsäure überhaupt verhindert. Florian Mittermayr vom Institut für Materialprüfung und Baustofftechnologie der TU Graz erklärt: „Wir haben bereits vielversprechende Ergebnisse mit Materialien, die eine vielfach höhere Lebensdauer gegenüber herkömmlichen Betonen aufweisen. Der Einsatz dieser neuen Materialien würde eine nachhaltige Sanierung geschädigter Abwassersysteme ermöglichen, deren Lebensdauer deutlich verlängern und Kommunen und Abwasserverbände entlasten.“
Das Land Steiermark unterstützt die Forschungsaktivitäten der Grazer Wissenschafter finanziell und bemüht sich um Bewusstseinsbildung für dieses globale Problem unter den steirischen Kommunen und regionalen Abwasserverbänden.
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