Meilenstein der Rohrsanierung in luftiger Höhe
14.08.2018
Die Trinkwasserleitung an einer Brücke wurde mit DynTec erfolgreich saniert.
Es war ein Projekt, wie es so vorher noch nicht durchgeführt wurde – hierin waren sich die Baupartner nach der Sanierung der Trinkwasserleitungen innerhalb des Brückenkörpers der Ponte Punta Penna Pizzone di Taranto über dem Mar Piccolo in Italien einig.
Unter der Federführung der ROTECH Srl, dem italienischen Tochterunternehmen der DIRINGER & SCHEIDEL ROHRSANIERUNG GmbH & Co. KG, hatte ein interdisziplinäres Planungsteam aus den Bereichen Rohrsanierung, Stahlbau, Werkstoffe, Hydraulik, Statik und Seilbahnbau ein überzeugendes Konzept für die Sanierung von vier Stahlleitungen DN 500 entwickelt.
Diese sind jeweils mit einer Länge von ca. 1.200 m frei beweglich in neun Metern Höhe unter der Fahrbahndecke der Brücke ohne Bettung aufgehängt. Eine derart außergewöhnliche Baustellensituation erforderte indes besondere Maßnahmen, denn das Sanierungsergebnis sollte einem Neubau der Druckrohrleitung gleichkommen, ohne jedoch bauliche Veränderungen an der Brückensubstanz vorzunehmen.
Hier fiel die Wahl auf das DynTec-Verfahren der D&S Rohrsanierung und die Experten der ROTECH Srl. Das Ergebnis: Die Herausforderungen des „Taranto-Projektes“ wurden in jeder Hinsicht mit Bravour gemeistert.
Mit ihren 14 Pfeilern, einer Höhe von 47 m und einer Länge von 1.907 m ist die Ponte Punta Penna Pizzone di Taranto, die 1977 errichtet wurde, eine der längsten Spannbetonbrücken Europas. Die Trinkwasser-Versorgung der in der süditalienischen Provinz Apulien gelegenen 200.000 Einwohner zählenden Stadt Taranto verläuft in einem Teilabschnitt der Trasse innerhalb des Brückenkörpers.
Im Rahmen einer detaillierten Inspektion der Leitungen seitens des Netzbetreibers, der Acquedotto Pugliese S.p.a., trat der erhebliche Sanierungsbedarf zu Tage: Alle vier stählernen Leitungsstränge waren in der Rohrleitungssubstanz durch Korrosion erheblich geschädigt, dies ging in weiten Bereichen der Rohrleitung mit Wandstärkenverlusten von bis zu 75% einher. In Anbetracht der Schadensbilder und der Bedeutung der Leitungen für die Versorgungssicherheit der Stadt bestand die dringliche Notwendigkeit, die Rohrleitungen in ihrer Gesamtheit zu sanieren.
Enorme Herausforderung
„Bei der Sanierung einer derart geschwungen verlaufenden und frei aufgehängten Leitung in ca. 9 m Höhe, die sich zudem im Inneren eines schwer zugänglichen Brückenkörpers befindet, werden jedoch noch weitaus komplexere Anforderungen an Aufbringung und Abfangung der erforderlichen bzw. resultierenden Kräfte gestellt als bei erdverlegten Leitungen. Diese Aspekte fanden im Rahmen unserer Planung unter der Leitung von Dipl. Ing. Dieter Schölzhorn als Fachplaner daher besondere Beachtung“, erläutert Dipl.-Ing. Jens Wahr, Fachbereichsleiter Druckrohrsanierung der D&S Rohrsanierung.
„Gerade die fehlende Bettung, die sonst beim Einzug die auftretenden Kräfte abfängt, machte die ganze Sanierung so anspruchsvoll“, so Wahr weiter. „Wir mussten also die für das Verfahren erforderlichen Zugkräfte genau ermitteln und dafür sorgen, dass diese an geeigneten Stellen abgefangen werden konnten.“
Im Team zum Ziel
Zur Lösung der komplexen Aufgabe stellte Wahr mit seinem Kollegen Karl-Heinz Robatscher von der Rotech Srl ein Team von Fachleuten zusammen, das ein schlagkräftiges Konzept erarbeitete und damit die Basis für die erfolgreiche Sanierungsmaßnahme schuf. Den technischen Dreh- und Angelpunkt bildete hier das DynTec-Verfahren.
Bei diesem Verfahren wird der vor Ort gefertigte Rohrstrang während des Einzugs vorübergehend in seinem Durchmesser reduziert. Dieser stellt sich dann nach Abschluss des Installationsvorgangs allein durch den Memory-Effekt des Werkstoffs PE wieder annähernd auf seinen Originaldurchmesser zurück.
Dabei sind, je nach örtlicher Situation, Sanierungslängen von 1.000m und mehr möglich. Die zu den sogenannten Close-Fit-Lining-Verfahren zählende Sanierungsmethode hat ein statisch selbsttragendes, widerstandsfähiges Neurohr zum Ergebnis, welches mit geringstmöglichem Querschnittsverlust eine hohe Lebensdauer sicherstellt und auf Grund seiner glatten Oberflächenstruktur die hydraulische Leistungsfähigkeit der ursprünglichen Leitung komplett erhält.
„Hierauf aufbauend wurden in der weiteren Planung unter anderem die Aufbringung der Windenkraft, die Aufnahme der Längs- und Querkräfte innerhalb der Rohrleitung und die Aufnahme der am Gesenk wirkenden Kräfte näher betrachtet“, erklärt Wahr.
Echte Pionierarbeit geleistet
So musste die Zugkraft der ebenerdig positionierten Winde über insgesamt vier 90°-Umlenkungen durch eine schlitzförmige Öffnung im Brückenkörper hindurch in die Achse der jeweilig zu sanierenden Leitung gelenkt werden. „Die vorhandene Aufhängung der Rohrleitung, die lediglich auf das Eigengewicht der Rohre und deren thermische Bewegungen ausgelegt war, war nicht ausreichend, um die zu erwartenden Kräfte des Einziehvorganges aufzunehmen“, beschreibt Jens Wahr die Herausforderung.
Es musste deshalb ein geeignetes System konstruiert werden, das unter Berücksichtigung der Belastbarkeit des Brückenkörpers das Windenseil führen und sich zugleich selbst stabilisieren konnte. „Auf Grundlage eines geeigneten Rasters entlang der Rohrachse wurden die jeweiligen Quer- und Längskräfte aus dem Einziehvorgang an den Rasterpunkten berechnet. Damit konnten wir die notwendigen Abstützungen bestimmen“, erläutert Wahr.
Die Aufnahme der auf das Gesenk wirkenden Zugkraft aus der Winde erforderte ebenfalls ein entsprechendes Widerlager. Über die beiden Öffnungen an den Enden des Brückenkörpers wurden dann sämtliche notwendigen Gerüst- und Stützelemente sowie die für die Umlenkungen erforderlichen Bauteile in die Brücke transportiert und vor Ort montiert. Die Schwertransporte innerhalb der Brücke erfolgten mittels elektrisch betriebener Laufkatzen, wobei ein noch aus der Bauzeit der Brücke stammendes Schienensystem genutzt werden konnte.
„Die Erarbeitung von Lösungen wie diesen haben allen Beteiligten im Vorfeld schlaflose Nächte bereitet“, weiß Wahr. Auf der anderen Seite hätten die Herausforderungen des Projektes auch für das nötige Adrenalin gesorgt, das man für die erfolgreiche Realisation von Pionierleistungen wie dieser benötige.
Unmögliches möglich gemacht
Für die Einleitung der Zugkraft von der Winde auf den einzuziehenden Rohrstrang wurde in Zusammenarbeit der beteiligten Fachstatiker eine Konstruktion entwickelt, die unzulässige Belastungen des Brückenkörpers bzw. des Altrohres sicher ausschloss.
Als weitere vorbereitende Maßnahme wurden die zu sanierenden Rohrleitungen mechanisch mit Kratzern, Gummischeiben und Bürsten von Ablagerungen und Anhaftungen gereinigt und mittels eines maßgefertigten Kalibers auf einen konstanten Durchmesser und ihre Sanierbarkeit überprüft.
Das Reduzieren und Einziehen des Rohrstranges erfolgte innerhalb eines Arbeitsganges ohne Unterbrechung. Unter Überwachung sämtlicher relevanter Parameter, wie Windenzugkraft, Pusherkraft und Einziehgeschwindigkeit wurde der jeweilige Strang gleichmäßig in die zu sanierende Leitung eingezogen. Einzig für die Herstellung der Teilstrang-Schweißnähte musste der Vorgang kurzzeitig angehalten werden. Die Mindestdauer für den Einzug einer kompletten Strecke von 1.150 m betrug dabei ca. 10,5 Stunden.
Einzug in 8 m Höhe
Nach Abschluss des Einziehvorganges wurde der Rohrstrang entspannt und stellte sich entsprechend des Memory-Effektes annähernd auf das Innenmaß der Altrohrleitung zurück. „Wir mussten den Rohrstrang zunächst auf die entsprechende Höhe bringen und dem DynTec-Rig zuführen.“, betont Karl-Heinz Robatscher.
„Zur Unterstützung des Rohrstranges haben wir unterhalb der Bücke Podeste mit Führungsrollen errichtet und so angeordnet, dass sie den Rohrstrang über eine Länge von fast 30 m um 8 m angehoben haben und dieser dann horizontal auf das Gesenk zulaufen konnte. Der ebenerdig verlaufende Teil des Rohrstranges wurde auf Rollenböcken gelagert.“
Spezielles Rohrmaterial erforderlich
Auch bei der Wahl des Rohrmaterials spielten die Zugkräfte eine wichtige Rolle: Auf Grund der zu erwartenden starken Sonneneinstrahlung kamen PE100/RC coextrudierte DynTec-Druckrohre zum Einsatz. Diese bestehen aus einem schwarzen Kernrohr aus speziellem PE 100 und einer signalweißen, UV-stabilisierten Außenschicht. Durch die signalweiße Farbgebung auf der Rohraußenseite konnte das Aufheizen des Rohrstranges auch bei direkter Sonneneinstrahlung nahezu komplett unterbunden werden.
Es waren keine signifikanten Temperaturunterschiede zwischen Ober- und Unterseite des Rohrstranges messbar. Angeliefert wurden die Rohre als 20 m lange Stangenware, die aufgrund der beengten Platzverhältnisse in vier Teilsträngen verarbeitet, danach verschweißt und gelagert wurden.
Erfolg auf ganzer Linie
Vor Inbetriebnahme der sanierten Leitungen erfolgte gemäß EN 805 die Dichtheitsprüfung mit 9 bar. Nach sorgfältigem Spülen der Abschnitte und einer mikrobiologischen Untersuchung gemäß der italienischen Trinkwasserverordnung konnten die sanierten Leitungen wieder in Betrieb genommen werden. Die Ausfallzeit hatte jeweils nur wenige Wochen betragen – zur hohen Zufriedenheit aller am Projekt beteiligten Baupartner.
„Das DynTec-Verfahren stellt bereits im Standard-Anwendungsfall bei erdverlegten Leitungen hohe Anforderungen an die Qualität aller am Projekt beteiligten Unternehmen“, sind sich Wahr und Robatscher einig und betonen: „Fern ab jeden Standards hatten wir bei diesem Projekt einen in vielerlei Hinsicht bislang einzigartigen Anwendungsfall. Insbesondere die fehlende Bettung, die Höhenlage der zu sanierenden Leitungen und die Längen der einzelnen Sanierungsstrecken haben diese Maßnahme zu einem außergewöhnlichen Sanierungsprojekt gemacht. Bei ihrer Umsetzung wurden einzelne Verfahrensschritte von unseren Teams weiter- bzw. komplett neu entwickelt. Diese Maßnahme ist ein echter Meilenstein.“
Die nächste Brücke kann demnach kommen.
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