NRW: Die neue Rechtslage konsequent umsetzen
11.06.2008
Round-Table-Gespräch über Grundstücksentwässerung auf dem IFAT-Stand der JT-elektronik
Der Hintergrund: Nachdem 10 Jahre lang § 45 der NRW-Bauordnung von den Grundstückseigentümern eine Dichtheitsprüfung ihrer Hausanschluss- und Grundleitungen bis spätestens 2015 forderte, wurde er im Dezember 2007 durch §61a des novellierten Landes-Wassergesetzes ersetzt. Diese Regelung verpflichtet die Grundstückseigentümer nun zu den gleichen Verbindlichkeiten wie zuvor, geht aber noch weiter und unterwirft auch die Kommunen bisher unbekannten Pflichten. Was sich daraus für Konsequenzen für Städte und Gemeinden ergeben, und ob denn diese künftig mit konsequenterem Vollzug vorgehen als gegenüber der früheren bauordnungsrechtlichen Basis, war das Kernthema der Expertenrunde. Neben Vertretern von Wissenschaft und Verbänden waren auf dem JT-Stand auch auf die Grundstücksentwässerung spezialisierte beratende Ingenieure sowie Verantwortungsträger aus mehreren NRW-Großstädten präsent, darunter Köln, Wuppertal, Duisburg und Lünen. Sie alle waren sich zumindest einig in der Antwort auf die Eingangsfrage von Moderator Dipl.-Ing. Ulrich Winkler: Die Verlagerung von Bau- ins Wasserrecht sei ein Schritt in die richtige Richtung. Bei der Frage, ob die neue Regelung -mit ihrer Pflicht zu kommunaler Planung, Information und Bürgerberatung- die Städte und Gemeinden möglicherweise überfordere, war der Konsens jedoch schon wieder zu Ende. Während einerseits die erweiterten Handlungsoptionen durchaus begrüßt wurden, reichte das Spektrum der Meinungen auf der anderen Seite bis hin zu der Prognose, die neue Regelung werde von vielen Kommunen mangels Ressourcen wohl ebenso wenig vollzogen wie die alte - Rechtsverstoß hin oder her.
Dennoch stieß die Ansicht eines Teilnehmers, es handele sich bei §61a WHG wohl um einen „Schnellschuss“, auf breiten Widerspruch, vor allem von Dr. Eckhart Treunert, der viele Jahre im NRW-Umweltministerium für die Rechtsentwicklung im Bereich Abwassernetze mitverantwortlich war: Hinter Zeitmangel könne sich ja nun, nach einem ganzen Jahrzehnt Tatenlosigkeit in puncto § 45 LBO, wahrhaftig niemand mehr ernsthaft verstecken. Und was die Ressourcen angehe, so könne und solle man sich Gedanken machen um einen entsprechenden Einsatz von Mitteln aus der Abwasserabgabe. Auch wurde daran erinnert, dass nach neuer Rechtslage ein großer Teil der Beratungsleistungen auf die Abwassergebühren umgelegt werden könne.
Das gilt allerdings nur für Beratungen im Zusammenhang mit der Zustandserfassung und berührt nicht die schnell im Raum stehende Frage: Inspektion – und was dann? Jeder weiß schließlich, dass die wirklich großen Personal- und Kostenprobleme erst bei der im Gefolge der Inspektionen anstehenden Sanierung wirklich beginnen. Interessant ist in diesem Zusammenhang das Konzept der Stadt Köln, die den Grundstückseigentümern eine Sanierungsberatung durch eigenes Personal kostenpflichtig zur Verfügung stellt: 500 Euro pauschal soll diese Leistung pro Grundstück kosten. Freischaffende beratende Ingenieure sehen diese Idee allerdings nicht ohne Stirnrunzeln, denn ein solcher Pauschalsatz ist für Selbstständige vielfach nicht kostendeckend. Andererseits wird gerade die auf dem Grundstück eigentlich dringend notwendige Ingenieurkompetenz von den Grundstückseigentümern „freiwillig“ nicht nachgefragt. Das führt zu der paradoxen Situation, die auch manchen anderen Dienstleistern geläufig ist: Obwohl objektiv „Bedarf ohne Ende“ da ist, ist auf dem Grundstück kaum auskömmliches Geld zu verdienen. Richtig auf ihre -eher geringen- Kosten kommen derzeit hauptsächlich die schwarzen Schafe der Branche.
Das wiederum warf eine andere Frage auf: Gibt es überhaupt genug seriöse Fachkompetenz, um einen durch die Rechtsvorgaben stark wachsenden Markt zu bedienen? Die klare Antwort lautet derzeit: Nein. Das grundlegende Dilemma wurde in der Runde recht exakt auf den Punkt gebracht: Solange keine Aufträge vergeben werden und auf dem Markt keine Nachfrage besteht, wird niemand in Personal und das längst vorhandene geeignete Gerät investieren; doch solange niemand aktiv wird, gibt es keine Dienstleister, um gesetzliche Vorgaben umzusetzen. Eine Patentantwort auf diese Frage hatte in München niemand. Endlich, wenn auch langsam, mit dem Gesetzesvollzug beginnen und dann zunehmend schneller werden – war eine wenig spektakuläre, aber wohl letztlich die einzige mögliche Antwort außer der Kapitulation vor der anstehenden Aufgabe.
Was hingegen mehrheitlich abgelehnt wurde, war die Idee, man könne Aspekte, die derzeit noch nicht optimal gelöst seien, in einer neuerlichen Gesetzesnovelle nachbessern. Dies brachte Prof. Max Dohmann von der Wasserwirtschaftsinitiative NRW geradezu in Rage und veranlasste ihn zu einem vehementen Statement, in dem er eine Lanze für die neue Gesetzeslage brach. Es sei an der Zeit, statt neuerlich über Gesetze zu diskutieren, die vorhandenen nun endlich umzusetzen, um zu sehen, was sich auf Ihrer Grundlage wirklich schaffen lasse - ein Standpunkt, dem sich überwiegende Mehrheit der Fachleute im JT-Round-Table-Gespräch auf der IFAT 2008 anschließen konnte.
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