„Qualität setzt sich immer durch“
31.08.2018
Dr.-Ing. Henning Rubach, ehemals HAMBURG WASSER und 16 Jahre Vorstandsmitglied der Gütegemeinschaft Kanalbau, spricht über die Beudeutung von Qualitätssicherung im Kanalbau.
Auf der 31. Mitgliederversammlung der Gütegemeinschaft Kanalbau am 20. April in Weimar wurden im Rahmen der Wahlen von Vorstand und Güteausschuss Vorstandsmitglieder verabschiedet. Hierzu zählte unter anderem Dr.-Ing. Henning Rubach, ehemals HAMBURG WASSER, der dem Vorstand seit April 2002 angehörte.
Bei der Verabschiedung ließ Henning Rubach die fast 16 Jahre, in denen er sich in der Gütegemeinschaft für die Belange der Gütesicherung Kanalbau engagierte, noch einmal Revue passieren.
In seiner Rede, die in diesem Beitrag in Auszügen wiedergegeben wird, schilderte er seine ganz persönlichen Erfahrungen mit einem System, dass sich von einem besonderen Nachweis für die Qualifikation einzelner Unternehmen zu einem bundesweit eingesetzten System zur Prüfung der technischen Leistungsfähigkeit von Bietern entwickelt hat – und dies in Kombination mit vielen flankierenden Angeboten und Dienstleistungen rund um das Thema Qualität und Qualifikation.
Deutlich wird unter anderem, wie sich das System Gütesicherung Kanalbau konsequent weiterentwickelt hat. Ebenso deutlich wird, dass Netzbetreiber und Ingenieure bereits vor mehr als 100 Jahren auf solide Baukunst und Qualität geachtet haben. So sind viele der alten Kanäle nach wie vor in Betrieb und müssen heute auch nicht komplett runderneuert werden.
Die Beispiele, die Rubach in seiner Rede aufgreift, unterstreichen die volkswirtschaftliche und generationenübergreifende Bedeutung, die Instrumenten wie der Gütesicherung Kanalbau zukommen: Netzbetreiber, Planer und Kommunen müssen vorausschauend in die Kanalinfrastruktur investieren.
Eine Aufgabe, die an alle Beteiligten hohe Anforderungen stellt und bei deren Bewältigung zum Beispiel langfristige Planung, gezielte Investitionen und hohe Ausführungsqualität eine große Rolle spielen. Die Ausführungsqualität wiederum ist mit der fachlichen Qualifikation der ausführenden Unternehmen, Planer und Bauüberwacher verbunden.
Engagement aus Überzeugung
Der Einstieg in die Gütegemeinschaft sei ihm sehr leicht gefallen, so Rubach rückblickend: „In Hamburg haben wir seit vielen Jahren Erfahrungen mit der Gütesicherung Kanalbau gemacht, und Qualität setzt sich immer wieder durch. Insofern kann ich sagen, der Einstieg in Wiesloch war ganz hervorragend, weil ich auf eine Gemeinschaft gestoßen bin, die – wie ich auch – für Qualität steht und Qualität erzielen will.
16 Jahre sind – auch in der Rückschau für uns alle – eine enorme Zeitspanne, in der sich vieles ganz erheblich verändert hat. Für Bauwerke wie das Geest-Stammsiel auf der Abbildung stellt das jedoch nur eine kurze Episode dar. Vor über 160 Jahren haben ein Vorarbeiter und sieben Handwerker für dieses Bild innegehalten.
Das Geest-Stammsiel ist ein Hamburger Hauptkanal und wurde noch unter der Leitung von William Lindley, dem Begründer der modernen Kanalisation auf dem europäischen Festland, entworfen und mit einem Durchmesser von 3 m teilweise in offener Bauweise und teilweise in Tunnelbauweise als vierschaliger Mauerwerksbau errichtet – für damalige Verhältnisse eine herausragende ingenieurtechnische Leistung.
Das Geest-Stammsiel war immer eine der Hauptschlagadern der Hamburger Entwässerung und ist auch heute noch – das ist das Besondere – in Betrieb. Bis vor wenigen Monaten sogar ohne Umleitungsmöglichkeit. Das heißt, wenn im Geest-Stammsiel irgendetwas kaputtgegangen wäre, was durchaus zwischendurch mal drohte, dann wäre das Abwasser nicht mehr zum Klärwerk geflossen, sondern in die Alster. Das war die einzige Alternative. Es gab keine andere Möglichkeit das Abwasser umzuleiten.
Stolz auf die Arbeit
Ob die auf dem Foto abgebildeten sieben Mitarbeiter nun alles glückliche Hamburger waren, darüber kann man unterschiedlicher Meinung sein. Erstens, ob es Hamburger waren und zweitens, ob sie glücklich waren. Aber sie haben einen bestimmten Gesichtsausdruck, und auf diesen Gesichtsausdruck sollte man achten.
Es ist so ein grimmig entschlossener Blick – grimmig entschlossen, aber auch ein wenig Stolz schwingt da mit. Stolz auf diese Arbeit, die sie verrichtet haben. Ich möchte betonen: Sielmaurer in Hamburg zu sein – das gilt wahrscheinlich auch in allen anderen Städten – das stellt etwas dar.
Das ist ein ehrenhafter Beruf und die Leute, die solche Sielmaurerarbeiten heute noch ausführen, sind wahre Künstler und errichten auch heute noch qualitativ hochwertige Bauwerke. Schon 1872, aber auch in den Jahren davor, wurde sehr auf Qualität und auf Nachhaltigkeit geachtet. Deshalb sind heute noch Siele von 1846 in Hamburg in Betrieb. Und das ohne große Sanierungsarbeiten und ohne große Schäden.
Hoher Qualitätsanspruch
Natürlich hat sich vieles geändert. Fachleuten fallen sofort die fehlenden Sicherheitsvorkehrungen auf, zum Beispiel der Umstand, dass die Arbeiter keine Helme tragen. Auf Sicherheitsvorkehrungen hat man 1872 nicht viel Wert gelegt. Verbau, Hilfswerkzeuge, Materialien haben sich gewandelt.
Dennoch bleibt festzustellen: Dieses Siel gehört noch heute zu den wichtigen unterirdischen Kanalbauwerken in Hamburg. Das zeugt von einem Standard und einem Qualitätsanspruch, den wir in den letzten Jahrzehnten so nicht unbedingt aufrecht erhalten konnten.
Speziell in den 1950er Jahren, in der Zeit nach dem Krieg, galten anderen Werte. Nicht nur im Kanalbau. In Hamburg werden zurzeit viele Hochbauten aus dieser Zeit abgerissen, weil ihre architektonische Qualität langfristig keine Anerkennung gefunden hat. Aber auch der Sielbau aus dieser vom Aufbruch bestimmten Zeit, weist vielfach Qualitätsmängel auf und muss heute schon ersetzt werden.
Das bedeutet nicht nur eine enorme finanzielle Belastung für Städte wie Hamburg, es sind darüber hinaus auch erhebliche Beeinträchtigungen damit verbunden, etwa für Verkehr und Anwohner. Das macht deutlich, dass auf die nachfolgende Generation große Herausforderungen zukommen, wenn Qualitätsaspekte vernachlässigt werden.
Sicherung der Qualität als Aufgabe
Unter diesen Gesichtspunkten war es 1988 eine gute Entscheidung, die Gütegemeinschaft Kanalbau zu gründen und sich dem Thema Qualität zu widmen. Die Gütegemeinschaft hat sich die Sicherung der Qualität im Kanalbau zur Aufgabe gemacht. Zu den Mitgliedern zählen sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer – eine ganz seltene Kombination. Das gemeinsame Engagement für Qualität sorgt aber für die nötige Neutralität und trägt gleichzeitig zu einer steten Weiterentwicklung des Gütesicherungs-Gedankens bei.
Auftraggeber und Auftragnehmer verpflichten sich zum nachhaltigen Bauen. Besonders deutlich wird das – und man kann es nicht oft genug wiederholen – in der Arbeit des Güteausschusses, des zentralen Organs der Gütegemeinschaft Kanalbau. Unter anderem sind Gütezeichenanträge zu prüfen, die Verleihung oder der Entzug des Gütezeichens einzuleiten, oder – bei Verstößen – dem Vorstand Ahndungsmaßnahmen vorzuschlagen. Hierbei vertrauen Auftraggeber und Unternehmen auf Transparenz und ein einheitliches Anforderungsniveau.
Bei festgestellten und dokumentierten Mängeln sieht die Satzung ein abgestuftes System von Ahndungen vor: „zusätzliche Auflagen im Rahmen der Eigenüberwachung“, „Verkürzung des Besuchsintervalls“, „Verwarnung“ oder ein „befristeter oder dauernder Entzug des Gütezeichens“. Bevor Ahndungsmaßnahmen vom Güteausschuss beraten und beschlossen werden, kann der betroffene Gütezeicheninhaber Stellung zum Sachverhalt nehmen.
In den 16 Jahren, in denen ich im Vorstand tätig war, hat das Gremium über 100.000 Qualitätsüberprüfungen durchgeführt. Grundlage hierfür sind unter anderem die Prüfberichte der Prüfingenieure, die bei den unangemeldeten Baustellenbesuchen die Qualifikation und Zuverlässigkeit der Fachunternehmen begutachten. Vor diesem Hintergrund sollte sichergestellt sein, dass das neue Geest-Stammsiel genauso lange hält wie das alte.
Generationsübergreifende Aufgabe
Eine moderne Zivilisation wäre ohne funktionierende Kanalisation sicher nicht vorstellbar. Es ist ein besonderes Dilemma unserer Branche, dass der Kanalbau trotzdem nur dann in das Bewusstsein des Einzelnen dringt, wenn etwas nicht funktioniert. Zum Beispiel, wenn Kanäle so undicht sind, dass es zu Einbrüchen an der Geländeoberfläche kommt. Aber auch wenn die Auswirkungen weniger spektakulär sind, stellen undichte Kanäle ein Risiko für die Umwelt dar und verursachen hohe Unterhalts- und Sanierungskosten.
Für alle öffentlichen Netzbetreiber ist es daher eine gewaltige Aufgabe, ihre Anlagen so nachhaltig zu planen, zu bauen und zu betreiben, dass auch nachfolgende Generationen ähnlich gute Voraussetzungen vorfinden wie wir.
Die RAL-Gütesicherung Kanalbau steht als eine der wenigen Vereinigungen für die gemeinsame Zielsetzung von Auftraggebern und Auftragnehmern, durch eine qualitativ hochwertige Leistung für eine lange Lebensdauer der Bauwerke zu sorgen und damit letztendlich für niedrige Gesamtkosten und Nachhaltigkeit im Bauen.
In diesem Sinne hoffe ich, dass das Motto der Gütegemeinschaft Kanalbau „Güte sichern, Werte erhalten, Zukunft gestalten“ in Fachkreisen und Öffentlichkeit immer Gehör finden wird.“
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