Spurenstoff-Entfernung geht nun in Serien-Test

21.09.2015

Forschung zeigt Perspektiven – dazu zählt gesellschaftliches Handeln

Immer feinere Messtechnik macht Spurenstoffe - manche Arzneimittel, Süßstoffe und andere chemische Verbindungen - im Wasser sichtbar, die heutige Klärtechnik nicht entfernen kann. Obwohl bei vielen dieser Substanzen im Millionstel-Gramm-Bereich die Relevanzfrage wissenschaftlich offen ist und es dafür deshalb in der Trinkwasserverordnung auch keine Grenzwerte gibt, bestimmt in Deutschland der Grundsatz des Minimierungsgebots gesellschaftliches Handeln durch Vermeidung oder Entfernung.

Mit den Möglichkeiten des Aufspürens, Bewertens und Entfernens dieser Spurenstoffe im Wasser haben sich die dreijährigen Forschungsprojekte ASKURIS und IST4R beschäftigt, deren Ergebnisse heute an der TU Berlin vorgestellt wurden. Die Berliner Wasserbetriebe waren Partner der Projekte und testen deren Ergebnisse nun auf großtechnische Anwendbarkeit.
 

Technische Möglichkeiten allein sind keine Alternative zum Ansatz an der Quelle

„Die Entfernung von Spurenstoffen aus dem Wasserkreislauf ist ein wichtiges Ziel, das dem gesetzlichen Minimierungsgebot folgt – aber eines, das nicht ohne den Einsatz hoher finanzieller und energetischer Ressourcen zu haben ist“, sagt Jörg Simon, Vorstandschef der Berliner
Wasserbetriebe. „ASKURIS hat aber auch gezeigt, dass kein technisches Verfahren allein in der Lage ist, alle bekannten Spurenstoffe zu eliminieren. Deshalb ist es umso wichtiger, auch an den Quellen dieser Stoffe anzusetzen und dort ihren Eintrag in den Wasserkreislauf
geringstmöglich zu halten.“

In Versuchen, die in der Oberflächenwasseraufbereitungsanlage (OWA) Tegel und im Klärwerk Münchehofe durchgeführt wurden, prüften die Wasserbetriebe zusammen mit ihren Projektpartnern parallel die Verfahren Ozonung, Pulveraktivkohledosierung und Kornkohlefiltration
als nachgeschaltete Reinigungsstufe zur bisherigen Klärtechnik. Ziel war es, die Kombination dieser Technologien hinsichtlich Spurenstoffentfernung, Wirtschaftlichkeit und möglicher Integration in Konzepte zur weitergehenden Abwasserbehandlung zu bewerten.

„In den Projekten ASKURIS und IST4R wurde für verschiedene technische Handlungsoptionen zur Spurenstoffentfernung im urbanen Wasserkreislauf eine hervorragende Datenbasis geschaffen“, sagt Prof. Martin Jekel, Lehrstuhlinhaber an der TU Berlin und Projektleiter von ASKURIS und IST4R. Neben der TU Berlin haben die Berliner Wasserbetriebe, das Umweltbundesamt, der Zweckverband Landeswasserversorgung Stuttgart, das Helmholtz Zentrum für Umweltforschung Leipzig und das Kompetenzzentrum Wasser Berlin an den Projekten gearbeitet.

Wie sich die Erkenntnisse großtechnisch umsetzen lassen, testen die Berliner Wasserbetriebe nun in der OWA Tegel. Hier haben die Arbeiten für die Errichtung eines Pulveraktivkohlesilos begonnen. Ende dieses Jahres soll hier ein Drittel der Wassermenge zusätzlich testweise mit Aktivkohle behandelt werden, um so Spurenstoffe zurück zu halten.

Allerdings kann die Wasserwirtschaft mit der Entfernung lediglich einen Teil des Problems lösen – bei der Vermeidung sind der Staat und jeder einzelne gefordert. Dabei kann der Staat durch Umweltverträglichkeitsprüfungen bei der Zulassung neuer Substanzen und bei
der Überwachung ihrer Verwendung zur Reduzierung dieser Spurenstoffe beitragen, aber auch jeder Einzelne kann dies tun. Nicht benutzte oder abgelaufene Medikamente gehören auf keinen Fall in die Toilette, sondern sollten umweltgerecht über die Schadstoffsammelstellen
der BSR oder über mit entsprechenden Entsorgungssystemen kooperierende Apotheken entsorgt werden. Reinigungsmittel, Lacke, Düngemittel und andere Chemikalien sollten sparsam eingesetzt und keinesfalls mit dem Abwasser weggespült werden, denn so können
sie in den Wasserkreislauf gelangen.

Im engen Wasserkreislauf erfordert steigender Medikamentenkonsum neue Lösungen

Trinkwasser hat in Deutschland eine sehr hohe Qualität, das Vertrauen der Bevölkerung in eine sichere Trinkwasserversorgung ist entsprechend hoch. Mittelfristig zeichnen sich jedoch Trends ab, die die Grundwasserqualität beeinträchtigen können. Dies betrifft vor allem urbane Zentren mit einem eng geschlossenen Wasserkreislauf. So gehen Klimaprognosen in den nächsten Jahrzehnten von geringeren Niederschlägen im Sommer aus, was bei gleich bleibenden Ablaufmengen aus Klärwerken zu geringeren Wassermengen von Spree und Havel führen kann. Zudem steigt der Konsum von Medikamenten durch die Alterung in unserer Gesellschaft an. Beide Trends können langfristig die Konzentration von Spurenstoffen in den Flüssen und – deutlich geringer – auch im Grundwasser erhöhen.

Begriffserklärung:
ASKURIS: Anthropogene Spurenstoffe im urbanen Wasserkreislauf: Bewertung, Barrieren und Risikokommunikation
IST4R: Integration der Spurenstoffentfernung in Technologieansätze der 4. Reinigungsstufe bei Klärwerken.

 

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