Strategische Sanierung – Alles, was man wissen muss
12.08.2021
19. Deutscher Schlauchlinertag und 10. Deutscher Reparaturtag in Kassel
Am 14. und 15. September 2021 finden im Kongress Palais in Kassel der 19. Deutsche Schlauchlinertag und der 10. Deutsche Reparaturtag statt. Vor dem Hintergrund der seit anderthalb Jahren alles beeinflussenden Corona-Pandemie haben die Veranstalter neue Maßstäbe für die Durchführung der etablierten Veranstaltung gesetzt: Unter dem Motto „Wie immer, nur anders, live, digital und interaktiv“ geht der renommierte zweitägige Branchentreff erstmals als Hybrid-Veranstaltung über die Bühne.
„Wir sind sicher, dass wir mit diesem Konzept eine Win-win-Situation schaffen“, erklärt der Organisator Dr.-Ing. Igor Borovsky, 1. Vorsitzender der Technischen Akademie Hannover e. V. (TAH) und Geschäftsführer des Verbandes Zertifizierter Sanierungsberater für Entwässerungssysteme e. V. (VSB). Nach fast zweijähriger Veranstaltungs-Abstinenz ist der Wunsch nach einem Treffen mit Kolleginnen und Kollegen aus der Branche und intensivem Networking bei den meisten riesengroß, dennoch bleiben bei dem einen oder anderen auch noch Restzweifel. „In dieser Situation bieten wir den interessierten Fachkreisen die Möglichkeit, an der Präsenzveranstaltung im Kongress Palais in Kassel teilzunehmen, oder sich doch lieber aus dem Büro oder dem Homeoffice online dazuzuschalten“, so Borovsky weiter.
Die Zutaten des Erfolgsrezeptes bleiben allerdings erhalten. Ob online oder vor Ort – die Teilnehmer können sich auf die Vorstellung aktueller Standards und technologischer Entwicklungen von Schlauchlining- und Reparaturverfahren in Theorie und Praxis ebenso freuen, wie auf eine Vielzahl interessanter Fachvorträge und Diskussionen. Und mit den moderierten Außenvorführungen, bei denen Hersteller ihre Produkte und Verfahren präsentieren, wird auch das berühmte Salz in der Suppe nicht fehlen.
Er hält und hält und hält...
Wie in den vergangenen Jahren geht die Schlauchliner-Fraktion als erste ins Rennen. Das Verfahren, bei dem flexible, mit Reaktionsharzen getränkte Schlauchträger in eine zu sanierende Haltung eingebracht und mit Warmwasser-, UV-Licht oder Dampf ausgehärtet werden, hat sich bei Auftraggebern, Netzbetreibern und Planern als technisch ausgereifte und wirtschaftliche Kanalsanierungslösung eindeutig etabliert.
Anlass genug, einen Blick zurückzuwerfen, zumal die Technologie in diesem Jahr ein Jubiläum feiern kann. 1971 wurde ein Schlauchliner bei der Sanierung eines Londoner Abwasserkanals erstmals eingebaut. „Seitdem hat der in den ersten Jahren noch geringschätzig als Korrosionstapete bezeichnete Schlauchliner vor allem aufgrund seiner verfahrenstechnischen Vorteile und seines hohen Qualitätsstandards die Kanalsanierungsbranche im wahrsten Sinne des Wortes umgekrempelt“, stellt Dipl.-Ing. Franz Hoppe, lange Jahre in verantwortlicher Position bei der Hamburger Stadtentwässerung tätig, fest.
Hoppe, der Gründervater des Deutschen Schlauchlinertages, setzte das Verfahren in Hamburg bereits Anfang der 1980er Jahre ein – und das tatsächlich mit Erfolg: Diese Baulösung, die anfangs auch für uns noch eine Art Wundertüte darstellte, funktioniert heute noch. Und das, obwohl wir uns damals schon gefragt haben, ob das klappen wird, erinnert sich Hoppe.
Regelwerkstechnisch durchdekliniert
In dieser Hinsicht ist die Entwicklung in den letzten Jahrzehnten deutlich vorangeschritten. Das Schlauchlining vereint heute alle Vorteile des unterirdischen Bauens und nimmt zu Recht die Spitzenposition bei den Renovierungsverfahren ein. Nicht zuletzt hat die Vielzahl der Anwendungen dazu beigetragen, dass sich die Technik zu einer auch wirtschaftlich interessanten Alternative für Netzbetreiber entwickelt hat. Gleichzeitig verbesserte sich die Qualität des Produktes, was unmittelbar mit der zunehmenden Weiterentwicklung von Normen und Regelwerke in Verbindung zu bringen ist.
Laut Hoppe setzten die Hamburger mit dem Anforderungsprofil an Schlauchliner auch hier erste Akzente: Grundlage für die Erstellung dieses Anforderungsprofiles (AFP) und die Durchführung eines Qualitätsnachweises ist die seit 1983 bestehende Erfahrung der Hamburger Stadtentwässerung mit der Renovierung von schadhaften Sielen durch das Schlauchlinerverfahren. In Hamburg wird dafür eine technische Nutzungsdauer von mindestens 50 Jahren festgelegt.
Was folgte waren die Zulassung des Deutschen Institutes für Bautechnik (DIBt), Regelwerke der DWA Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. sowie die Schaffung nationaler und internationaler Normenwerke. „Vor diesem Hintergrund ist der Schlauchliner heute regelwerkstechnisch praktisch durchdekliniert und derart technisch ausgereift, dass jeder den Schlauchliner einsetzen und mit gutem Gewissen davon ausgehen kann, betriebs- und volkswirtschaftlich richtig gehandelt zu haben“, ist sich Hoppe sicher.
Planung und Ausführung
Die richtige Kommunikation fängt schon im Vorfeld einer Baumaßnahme an – ein Aspekt, der nach wie vor unterschätzt wird. Eine saubere Kommunikation in der Kanalsanierung schafft die Basis für ein grundlegendes Verständnis der vielfältigen Möglichkeiten und damit auch für Akzeptanz bei den von der Maßnahme betroffenen Bürger. Auch hierbei handelt es sich um einen wesentlichen Baustein in Richtung einer erfolgreichen Kanalsanierung. Es gilt, positive Botschaften auf möglichst allen Kanälen zu verbreiten. Radio, TV und Presse zählen dazu, eine ebenso wichtige Rolle spielen heute die sozialen Netzwerke. Als Zielgruppe darf allerdings auch die Politik nicht aus den Augen gelassen werden. „Hier gilt es anzusetzen und Verständnis zu wecken für die notwendigen Investitionen in unsere unterirdische Infrastruktur“, stellt Hoppe fest.
Wenn es dann doch mal Sand im Getriebe gibt, lassen sich verschiedene Fehlerquellen ermitteln. Die falschen Weichen werden dabei leider schon oft bei Planung und Ausschreibung gestellt. Die Auswirkungen auf die Qualität der Ausführung wird im Rahmen der Veranstaltung ebenso beleuchtet, wie die Frage, ob die gemachten Fehler noch heilbar sind – etwa mit dem geeigneten Mängelmanagement.
Die Planer sind jedenfalls nicht zu beneiden: Die Frage, wie planen wir richtig, ist nicht immer einfach zu beantworten – spätestens dann, wenn es gilt, mit Blick auf die mittlerweile vorhandene Vielfalt auf dem Linermarkt kontroverse Aspekte in Einklang zu bringen. Egal ob Nadelfilzschlauch oder Glasfaserliner: Wie bei anderen Werkstoffen im Kanalbau sollten Netzbetreiber und Planer im Vorfeld genau prüfen, welches Verfahren und welche Technik die für ihr Projekt optimale Lösung darstellt.
Technik und Praxis
Unterstützung zur Beantwortung solcher Fragen bieten nicht zuletzt die Referenten, die sich mit Technik und Praxis beschäftigen. Wo liegen die Einsatzgrenzen der LED-Härtung, was funktioniert und was nicht? Die Vorträge bieten Ansätze zum Austausch und stellen Lösungsmöglichkeiten vor. Auch für die Sanierung von Trinkwasserleitungen – ein Bereich, der mit Blick auf die andersartigen Rahmenbedingungen im Druckrohrbereich und die vielen Hygienevorschriften besonderes Know-how und den Einsatz spezieller Technik erfordert.
Darüber hinaus greift eine Podiumsdiskussion mit der Hausanschlusssanierung ein Thema auf, das nicht sehr opportun zu sein scheint, nach überwiegender Meinung der Branche aber unbedingt weiterentwickelt werden muss. Ein interessantes Thema, das sicher für angeregte Diskussionen sorgen wird – ebenso wie die Vorstellung des neuen RSV-Merkblattes zur Reinigung von renovierten Kanälen.
Ein Einsteigerforum, das eine hervorragende Basis für die fachliche Auseinandersetzung mit dem Verfahren schafft, eine begleitende Fachausstellung sowie die moderierten Außenvorführungen, die die Teilnehmer zum intensiven Austausch mit Herstellern einladen, runden den ersten Veranstaltungstag ab.
Die richtige Reparatur
Der 10. Deutsche Reparaturtag steht in diesem Jahr unter dem Motto „Die richtige Reparatur“. Doch gibt es die überhaupt? Eine Frage, die Dipl.-Ing. Michael Hippe uneingeschränkt mit ja beantwortet. „Entscheidend ist, dass man das, was man tut, richtig macht – von der Planung, über den Einsatz der richtigen Technik bis hin zu einer korrekten Bauausführung“, erklärt der Vorstandsvorsitzende des VSB. „Alle drei Aspekte müssen auf Grundlage des vorhandenen Wissens, des Regelwerks und der Erfahrung stimmen“, so Hippe weiter. „Dann kann mit Reparaturverfahren ein vernünftiges Ergebnis erzielt werden.“
Nachholbedarf besteht nach wie vor bei der Entwicklung von verbindlichen Normen und Regeln – dem Status quo widmet sich wie gewohnt die Eröffnung des zweiten Veranstaltungstages. Und es hat sich durchaus etwas getan. „Zwar ist die vom VSB in den letzten Jahren initiierte Normungsarbeit etwas ins Stocken geraten“, stellt Hippe fest, „diese wurde allerdings jetzt neu belebt, sodass auf Grundlage der bisher durchgeführten Arbeit in absehbarer Zeit mit einer Finalisierung und einer entsprechenden DIN-Norm zu rechnen ist.“
Die richtige Planung
Vorgestellt wird auch das neue Arbeitsblatt DWA-A 143-21 – Sanierung von Entwässerungssystemen außerhalb von Gebäuden – Teil 21: Bauliche Sanierungsplanung - Juni 2021. Das Arbeitsblatt ist das Ergebnis einer Kooperation zwischen VSB und DWA mit dem Ziel, die vom VSB erarbeiteten „Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen“ (ZTV) weiterzuentwickeln und in das DWA-Regelwerk zu überführen. Das Arbeitsblatt basiert auf den VSB-Empfehlungen Nr. 0.1 und 0.2. Es konkretisiert die erforderlichen Planungsleistungen zur Behebung baulicher Mängel entsprechend den Planungsstadien gemäß DIN EN 14654-2 „Management und Überwachung von betrieblichen Maßnahmen in Abwasserleitungen und -kanälen – Teil 2: Sanierung“ in Verbindung mit dem Arbeitsblatt DWA-A 143-1 „Teil 1: Planung und Überwachung von Sanierungsmaßnahmen“.
Bei der anschließend thematisierten Abfluss- und Verkehrslenkung handelt es sich um Aspekte, deren Bedeutung für die Planung oft unterschätzt und vernachlässigt werden. Gegebenenfalls mit fatalen Folgen für die Umsetzung und das Ergebnis der Sanierung, weiß Hippe, der aufgrund der enormen Diskrepanz zwischen Anforderungen und Praxis dringenden Informationsbedarf sieht. Dem Anspruch kommt der Reparaturtag nicht nur unter dem Stichwort die richtige Planung nach.
Die richtige Technik
Gleiche Bedeutung kommt auch der richtigen Technik zu. So geben physikalisch-chemische Grundlagen und die Vorstellung von Arten der Klebung einen Einblick in chemische Sachverhalte bei vor Ort härtenden Materialien und zeigen Einsatzmöglichkeiten und -grenzen auf. Wie gehe ich mit den Materialien um, was kann ich damit machen und was nicht – mit Fragestellungen wie diesen beschäftigen sich die Vorstellung und der Vergleich von Spachtel-, Verpress- und Injektionsverfahren. „Vielen fehlt hier wohl eine scharfe Trennung, auch das Regelwerk ist manchmal etwas schwammig ausgelegt“, sagt Hippe. „Die Beispiele aus der Praxis sollen zeigen, wie man damit umgehen kann.“
Aufklärung und Klarheit schaffen will auch ein Vortrag über den Umgang mit Asbestzementrohren – für viele Betroffene immer noch eine heikle Diskussion sowohl bei Renovierung als auch bei Reparaturverfahren. Welche Zulassungen benötigt werden und wie man mit Abluft oder Spülrückständen umgehen muss, wird in Kassel erörtert.
Die richtige Umsetzung
Noch mehr Praxis bieten Referate von Kanalnetzbetreibern aus deutschen Kommunen, so etwa aus Bonn und Kassel. Die Vorträge, die sich mit Aspekten der Strategie und der Umsetzung beschäftigen, machen deutlich, dass Reparaturverfahren mittlerweile großflächig und gezielt eingesetzt werden. In diesem Rahmen werden auch die Reparatur in offener Bauweise im Vorfeld einer Linersanierung und die Dichtheitsprüfung zur Reparaturabnahme thematisiert. „Vor allem der letzte Punkt führt oft zu Diskussionen auf der Baustelle“, weiß Hippe aus Erfahrung. „Treten Undichtigkeiten auf, kommt es unweigerlich zur Diskussion, ob die Reparatur oder der Altbestand dafür verantwortlich sind.“
Die moderierten Außenvorführungen sowie die forumsbegleitende Fachausstellung stellen weitere Höhepunkte des 10. Deutschen Reparaturtag dar.
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