Verbände beschließen gemeinsamen Bildungspakt
25.03.2020
Der Wettbewerb um Azubis, die aktuelle Neuordnung in der Ausbildung, mehr Praxisbezug an Berufsschulen – es gibt eine Reihe von Baustellen im Bereich Bildung, auf denen derzeit in den Verbänden der Rohrleitungsbranche gearbeitet wird. Mit einem verbändeübergreifenden Bildungspakt haben nun VDRK, RSV, rbv und GSTT beschlossen, gemeinsame Sache zu machen. Das Ziel: schnelle, pragmatische und nachhaltige Lösungen für die Unternehmen schaffen, die unter akutem Fachkräftemangel leiden.
Nicht einmal 60 Minuten hat es gebraucht, bis das Paket geschnürt war: In Oldenburg haben sich die Vertreter des Verbandes der Rohr- und Kanaltechnik (VDRK), der Rohrleitungssanierungsverband (RSV), die German Society for Trenchless Technology (GSTT) und der Rohrleitungsbauverband (rbv) zusammengesetzt, um Fragen zum Thema Fachkräftesicherung zu klären. Heraus kam ein verbändeübergreifender Bildungspakt, der folgende Punkte umfasst:
- Nutzung der Flexibilität im Rahmen der Neuordnung der vorhandenen Berufsbilder Fachkraft für Rohr-, Kanal- und Industrieservice (RKI) sowie Kanalbauer/-in und Rohrleitungsbauer/-in
- Schaffung von anerkannten Zusatzqualifikationen mit Hilfe bestehender Bildungseinrichtungen
- Zusammenarbeit mit Berufsschulen für mehr Praxisbezug in der Ausbildung
- Zusammenarbeit mit Hochschulen in Forschung und Lehre, Intensivierung der Aktivitäten
- Zusammenarbeit mit Bildungsträgern zur Qualifizierung von Quereinsteigern und Lehrenden
- Mehr Attraktivität für die Ausbildung durch Nutzung bestehender Werbematerialien
Niedrige Bewerberzahlen bereiten Sorge
Was das geringe Angebot und die schwache Nachfrage nach Ausbildungsplätzen angeht, sitzen die Verbände in einem Boot. Trotz guter Auslastung und hoher Auftragszahlen dümpelt die Zahl der neuen Ausbildungsverträge im Bereich Inspektion, Sanierung und Reinigung bei jährlich rund 200, die Kanalbauer kommen auf rund 180 Neuverträge.
„Es gab Zeiten, in denen hatten wir 1800 neue Verträge“, erläutert rbv-Hauptgeschäftsführer Dieter Hesselmann, der als Ursache unter anderem die konjunkturelle Entwicklung der vergangenen Jahre sieht. „Vor zehn, fünfzehn Jahren hatten wir eine andere Situation. Die Azubis, die man damals nicht ausgebildet hat, fehlen uns heute.“
„Auszubildende können nicht von heute auf morgen die Fachkräftelücke schließen“, gibt Benedikt Stentrup, Fachkräfte-Obmann des RSV zu bedenken. In seinem Unternehmen Sanierungstechnik Dommel in Hamm bildet er aktuell zwölf junge Leute aus.
Im Arbeitskreis Fachkräftesicherung, der im Januar gestartet ist, hat der Verband sich unter anderem mit der Frage beschäftigt, wie Quereinsteiger für die Arbeit in der Rohrleitungssanierung vorbereitet werden können. Gleichzeitig möchte der RSV den Praxisbezug an Berufsschulen durch die Qualifizierung von Lehrpersonal fördern.
Neuordnung der Berufe ist auf dem Weg
Die Bauwirtschaft hat bereits im vergangenen Herbst unter anderem die Neuordnung der Ausbildungsberufe zum Rohrleitungsbauer und Kanalbauer an die zuständigen Ministerien gegeben. „Ob noch Änderungen vorgenommen werden können, müssen wir prüfen“, sagt Hesselmann in Bezug auf mögliche sanierungsspezifische Elemente.
Der VDRK hatte sich in den vergangenen 20 Jahren stark für das Thema Berufsausbildung eingesetzt und sich auf verschiedenen Feldern nun auch für Änderungen beim Berufsbild engagiert. Der Antrag zur Neuordnung des Berufsbilds RKI ist gerade unterwegs. „Für die inhaltliche Ausgestaltung ist in der Ausbildungsverordnung durchaus Spielraum – den können wir gern gemeinsam nutzen“, lud VDRK-Geschäftsführer Ralph Sluke die Sanierungsverbände RSV und GSTT ein.
Um mehr Raum für die Fachqualifikation zu schaffen ist angedacht, die Kernqualifikation auf zwölf Monate zu verkürzen „Aber auch nach drei Jahren ist man noch lange kein erfahrener Fachmann. Um alles zu vermitteln, bräuchten wir eigentlich sechs Jahre“, so Sluke. Er empfahl, Zusatzqualifikationen zu schaffen, die dann auf die Belange der Sanierung zugeschnitten werden können – dies traf auf volle Zustimmung.
Anerkannter Abschluss als Zusatzqualifikation
Was die Zusatzqualifikationen betrifft, beschlossen die Verbände in Oldenburg die intensivere Kontaktaufnahme zu den bestehenden Bildungseinrichtungen. „Wir haben beim rbv ebenfalls die Möglichkeit, hier etwas anzubieten. Wichtig wäre, dass ein staatlich anerkannter Abschluss dahintersteht, zum Beispiel über ein IHK-Zertifikat. Dies würde unter Umständen auch die Chance bieten, dass anderweitig qualifizierte Quereinsteiger dem Markt zur Verfügung stehen“, erklärt Hesselmann.
Ein weiterer Punkt, der insbesondere Benedikt Stentrup unter den Nägeln brennt, ist der fehlende Praxisbezug in der überbetrieblichen RKI-Ausbildung. „Unsere Lehrlinge im ersten Jahr müssen nicht jedes Bakterium in der Kläranlage beim Namen nennen können, sondern sie müssen wissen, wie man einen Schlauchliner tränkt und welche chemischen Prozesse bei einer Härtung ablaufen“, betont Stentrup. Die Schaffung von anerkannten Zusatzqualifikationen nach der regulären Ausbildungszeit unterstütze er.
„Gemeinsam sind wir stärker als einer allein“
Unabhängig von der Arbeit an der Ausbildungsordnung sehen die Verbände einen erhöhten Bedarf, die Attraktivität der Berufe in Kanalbau und Rohrsanierung bei jungen Leuten bekannt zu machen – auch mit Blick auf den Wandel der Arbeitswelt.
„Wir müssen uns auf eine neue Generation von Menschen einstellen, die man nicht mehr nur mit der Aussicht locken kann, große Gerätschaften zu bewegen“, sagt Dieter Hesselmann. Der VDRK hat für die jüngere Zielgruppe einen mobilen Messestand für Jobmessen, einen Instagram-Kanal und diverse Werbematerialien am Start. Die Verbände beschlossen, möglichst zügig die Materialien der verschiedenen Verbände zu sichten und übergreifend einzusetzen. „Gemeinsam sind wir stärker als einer allein“, fasst Dr. Klaus Beyer, Geschäftsführer der GSTT, zusammen.
Pragmatische Lösungen gefragt
Vom ursprünglichen Plan, sich als Verbände in Berlin für die Schaffung eines eigenen Berufsbildes für die Sanierung einzusetzen, sind RSV und GSTT nun abgerückt – nicht nur, weil die Schaffung neuer Berufsbilder angesichts niedriger Ausbildungszahlen wenig Chancen hat. „Unseren Unternehmen wäre aktuell damit nicht geholfen“, plädierte RSV-Vorstandsvorsitzender Andreas Haacker für eine pragmatische Lösung.
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